"Liebste Freundin! Ich will dir gleich schreiben ..."
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Im Laufe des 19. Jahrhunderts bildet sich in der Kinderliteratur das ‘unmittelbare Erzählen’ aus, das bei der Leserschaft ein scheinbar unvermitteltes, quasi erzählerfreies Leseerleben bewirken kann. Veranschaulicht wird dieser Prozess am Beispiel der Briefliteratur für Kinder mithilfe erzähl- und kommunikationstheoretischer Forschungsansätze. Es stellt sich heraus, dass insbesondere die in der erzählenden Kinderliteratur des späten Jahrhunderts eingesetzten Briefe die Entwicklung der Unmittelbarkeit unterstützen. Je mehr sich die Erzählinstanz zurückhält, d. h. je mehr sich die fiktiven Figuren selbst äußern, um so eher kann bei den LeserInnen der Eindruck entstehen, das Geschehen würde ohne Einmischung, unmittelbar wiedergegeben und um so eher sind eigenständige Deutungen des Textes möglich. Mit welchen subtilen Mitteln das erzählende Medium die Wahrnehmung der Leserinnen und Leser lenkt, ob und inwiefern es dem Lesepublikum eigene Sichtweisen und eine selbstständige Beurteilung des Geschehens erlaubt – das ist das weit über die herkömmliche Literaturforschung hinausgehende und in die Mentalitätsgeschichte des 19. Jahrhunderts einführende Thema dieser Studie.