Die Türkei - Teil der Europäischen Union?
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Die Türkei als Grenzland zwischen Europa und Asien, zwischen Christentum und Islam und zwischen östlichen und westlichen Kulturen lässt in ihrer Geschichte bereits seit Ende des 16. Jahrhunderts ein grosses Interesse an Europa erkennen. Die Wurzeln europäischer Kulturen liegen auch in Kleinasien. Die Türkei hat seit über 100 Jahren ihr gesamtes politisches, wirt-schaftliches und gesellschaftliches System am Westen ausgerichtet und strebt nun als krönendes Ereignis dieser Entwicklung eine Aufnahme in die Europäische Union an. Doch der Weg nach Europa bleibt für ein Schwellenland mit vielen Hindernissen belastet. Zum Einen wird die politische und wirtschaftliche Entwicklung in der Türkei immer wieder durch Rück-schläge behindert, zum Andern arbeitet die Europäische Union (EU) zwar seit einiger Zeit intensiv an der Osterweiterung, doch bis jetzt ist weder die fast schon philosophische Frage geklärt, welches Gesicht das neue Europa erhalten wird und wo letztendlich seine Grenzen liegen sollen, noch die praktische Seite, welches Ausmass an Erweiterung für die EU finanziell und strukturell überhaupt erwünscht und verkraftbar ist. Der vorliegende Text ist ein Versuch, die Chancen und Risiken einer Vollmitgliedschaft der Türkei für beide Seiten aufzuzeigen und einen Ausblick auf Szenarien einer weiteren Entwicklung der Beziehungen zu ermöglichen. Um die sehr komplexen Zusammenhänge verständlich zu machen, soll zunächst ein Überblick über die Besonderheiten des Landes mit Berücksichtigung der geostrategischen Lage, der geschichtlichen Hintergründe und Verflechtungen, der Religion und der gesellschaftlichen und sozialen Strukturen zeigen, wie stark dessen Kultur und Geschichte von europäischen, christlichen und gleichzeitig mittel-östlichen, islamischen Einflüssen geprägt ist. Dargestellt werden soll auch die aktuelle Situation mit ihren Problemen im wirtschaftlichen und politischen Bereich, die als Verzö-gerungs- bzw. sogar Hinderungsgrund für einen Beitritt immer wieder genannt werden. Die Ausführungen zu den Strategien seitens der EU, um die Osterweiterung voranzutreiben, und zu den in der Türkei ergriffenen Massnahmen, um die Forderungen der EU zu erfüllen, sowie zur bisherigen Entwicklung der Beziehungen sollen zeigen, wo die jeweiligen Interessen eines Beitritts liegen. Wohin der gemeinsame Weg in Zukunft führen könnte, wird davon abhängen, ob es den Partnern gelingt, die vorhandenen Risiken zu bewältigen und die ebenso vorhan-denen Chancen eines möglichen Beitritts zu nutzen. Jacques Delors hat dies im November 1999 so formuliert: „Wollen wir dem europäischen Vertrag treu bleiben, den ich folgender-massen zusammenfasse: der Wettbewerb, der stimuliert, die Zusammenarbeit, die stärkt und die Solidarität, die eint?“ Giscard d’Estaing ging sogar bei seiner Rede zur Eröffnung des Konvents am 28. Februar 2002 noch weiter, als er sagte, man solle sich leiten lassen „von dem Bild eines befriedeten Kontinents, dessen Schranken und Hindernisse gefallen sind und in dem die Geschichte und Geografie endlich miteinander versöhnt sind, so dass alle Staaten, nachdem sie im Westen und Osten getrennte Wege gegangen sind, gemeinsam eine Zukunft aufbauen können.“