Gruppenbild mit Autor oder Teamkreativität bei Bertolt Brecht
Autoren
Mehr zum Buch
In seinem Rollengedicht Fragen eines lesenden Arbeiters macht Bertolt Brecht auf den eingeschränkten Blickwinkel der bisherigen Geschichtsschreibung aufmerksam. Große Leistungen würden stets dem Wirken eines großen Individuums zugesprochen; ganz so, als ob diese die ihnen zugesprochene Leistung tatsächlich allein erbracht hätten: „Wer baute das siebentorige Theben?/ In den Büchern stehen die Namen von Königen./ Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt? […] Cäsar schlug die Gallier./ Hatte er nicht wenigstens einen Koch mit?“ Ähnliches lässt sich auch für den Umgang mit dem Autor Bertolt Brecht konstatieren. Ihm, der sein Leben lang eine gemeinschaftlich-kreative Arbeitsweise praktizierte, die über die herkömmlich bekannte Zusammenarbeit mit nur einer Person weit hinausging, wurde bislang vor allem mit Hilfe subjektzentrierter Ansätze begegnet. Und das, obwohl Brecht aus seinem Arbeitsprinzip kaum einen Hehl machte. Die vorliegende Untersuchung ist eine Dokumentation sowie eine Analyse seiner teamkreativen Arbeitsprozesse. Sie beschäftigt sich auch anhand von bislang unbeachtetem Archivmaterial en detail damit, wie und warum sich aus den ersten spielerischen Erfahrungen Brechts im Kreis der Augsburger Jugendfreunde die teamkreative Arbeitsweise zum professionalisierten und später sogar zum institutionalisierten Arbeitsprinzip entwickelte. Basierend auf einer detaillierten Fallstudie zu Brechts Kreativ-Team, das Anfang der 1930er Jahre Maxim Gorkis Roman Die Mutter adaptierte, werden teamkreative Arbeitsbedingungen, -prinzipien, -verfahren, -rollen, -werkzeuge, -formen und -phasen herausgearbeitet. Dies geschieht erstmals auch mit Hilfe wirtschaftswissenschaftlicher und psychologischer Team-Modelle und -ansätze. Deutlich wird dabei u. a., dass seine Mitarbeiter an den hauptsächlich Brecht zugeschriebenen Arbeiten nicht nur akkumulativ, sondern auch kreativ beteiligt waren. Ergänzt durch eine erste wissenschaftliche Auswertung der wechselseitigen Dialogstrukturen der existierenden Tonbandaufzeichnungen zu den Proben zum Kaukasischen Kreidekreis (1953/54) und zum Leben des Galileis (1955/56) vermag die Studie, die bislang nur schwer zu bewertende Beteiligung der Mitarbeiter Brechts am literarischen Arbeitsprozess neu einzuschätzen. So entsteht ein differenziertes Bild über den Verlauf und die Strukturen der teamkreativen Arbeitsprozesse Brechts und seiner Mitarbeitern im Rahmen der literarischen Textgenese wie bei der Inszenierungsarbeit.