Ärztliche Diagnose und juristische Entscheidung: die gerichtsärztliche Prüfung der Haft-, Termin- und Arbeitsfähigkeit
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Das Buch bietet eine in diesem Umfang einzigartige retrospektive Untersuchung der in den Jahren 1975 bis 2004 durch den Gerichtsärztlichen Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg unternommenen Prüfungen auf Haft-, Termin- beziehungsweise Verhandlungsfähigkeit sowie im gerichtlichen Auftrag zu prüfender Arbeitsfähigkeit. Es nutzt dabei die spezielle Situation in Hamburg, wo diese medizinischen Begutachtungen seit Beginn der Moderne stets Aufgabe der Gerichtlichen Medizin geblieben sind. Zentral und einheitlich erfasst, liegen so für den urbanen Raum einer Millionenstadt aus dem Hamburger Gerichtsärztlichen Dienst seit Jahrzehnten tausende von Gutachten vor. Ganz anders als sonst in Deutschland, da bei meist dezentraler Organisation (in der Regel durchgeführt von Amtsärzten an den örtlichen Gesundheitsämtern) kaum eine überblickende wissenschaftlich-theoretische Auswertung dieser Arbeit des Öffentlichen Gesundheitswesens möglich ist. - Zweifelsohne ein Manko, den allein rein mengenmässig handelt es sich bei diesen Begutachtungen um einen nicht unwesentlichen Bestandteil unserer Rechtspflege. Es wird in diesem Buch die statistische Entwicklung verschiedener Aspekte dieser Begutachtungen im Auftrag von Gerichten und Strafvollstreckungsbehörden vergleichend zur Situation in den 1960er Jahren dargestellt. Zudem werden 641 aktuellere Fälle der Jahre 1995 bis 2004 im Detail ausgewertet. Aufgezeigt wird dabei unter anderem das meist kaum beachtete allgemeinmedizinische Anforderungsprofil der gerichtsärztlichen Gutachter, die notwendige Kooperation mit Fachärzten aus dem klinischen Bereich sowie das Zusammenspiel von juristischer und gerichtsärztlicher Tätigkeit. Beachtung finden darüber hinaus ebenso kriminologische Aspekte, indem etwa die Deliktarten der gerichtsärztlichen Probanden einer Analyse unterworfen werden, sowie auch das Phänomen der Kriminalität als ein soziales Problem im urbanen Lebensraum, wenn die unterschiedliche Situation in verschiedenen Hamburger Stadtteilen reflektiert wird. Doch wendet sich das Buch nicht nur an den an lokalen Gegebenheiten Hamburgs Interessierten, das Hamburger Datenmaterial gerät hier vielmehr zum beachtenswerten Beispielsfall für gerichtsärztliche Arbeit in einer deutschen Grossstadt. Zur Fundgrube wird das Buch für alle, die an überblickender Information interessiert sind, indem nicht nur systematisch die begriffliche Bedeutung von Haft-, Verhandlungs- und Arbeitsfähigkeit sowie der Stellenwert in der gerichtsmedizinischen Literatur seit Beginn der Moderne erläutert wird. Eine ideengeschichtlich orientierte Darstellung zur Historiogenese dieser Aspekte im Rahmen der Geschichte des Rechtswesens allgemein wie insbesondere der Geschichte von Gerichtsmedizin, Prozessrecht und Strafvollzug rundet den primär rechtsmedizinisch orientierten Beitrag ab.