Die deutsche Medizin erobert Togo
Autoren
Mehr zum Buch
In der Hochphase des Imperialismus wurde der afrikanische Kontinent unter den Westeuropäern aufgeteilt. Das Deutsche Kaiserreich nahm 1884 einen unwirtlichen Küstenstreifen zwischen der britischen Kolonie Goldküste und dem französischen Dahomey in Besitz und errichtete dort ihre sehr direkte Herrschaft. Bereits zehn Jahre später wurde im heutigen Anécho ein kleines deutsches Regierungskrankenhaus eröffnet. Es war das erste deutsche Krankenhaus in den afrikanischen Kolonialgebieten überhaupt und beeinflusste die Architektur und den Betrieb späterer, größerer Häuser in Deutsch-Ostafrika und Kamerun. Die Zeit des Kolonialismus fiel mit dem Erblühen der naturwissenschaftlichen Medizin zusammen, was die Frage aufwirft, wieviel „moderne Medizin“ denn „an den Rand der Welt“ exportiert wurde und wie solche Veränderungen auf die ortansässige Bevölkerung wirkten. Denn diese war auch vorher medizinisch nicht gänzlich unversorgt geblieben. Vielmehr bestand vor der Kolonisation ein dichtes Netz an lokalen Heilkundigen, deren Grundlage eine in der Bevölkerung tief verwurzelte animistisch-religiöse Weltanschauung war. Das Buch will die Aufgaben und das Wirken von Ärzten und Pflegepersonal des Krankenhauses von seinen Anfängen bis zur Aufgabe der deutschen Kolonie Togo - von 1884 bis1914 - verfolgen und sie in den Kontext einer gewaltbereiten Epoche stellen. Waren die medizinischen Akteure machtbesessene Agressoren, die im „Großlabor Togo“ unethische wissenschaftliche Feldversuche zum eigenen Ruhme durchführten, waren sie womöglich eine „conditio sine qua non“ der deutsche Kolonialismus in Togo kläglich gescheitert wäre, oder waren sie doch eher Ärzte und Krankenpflegekräfte, die entsprechend ihrer Ausbildung bemüht waren, Leiden zu lindern? Für die Beurteilung „moderner Begriffe“ wie Imperialismus und Kolonisation wurde auf zeitgenössische Autoren zurückgegriffen. Als „Stimmen aus der Kaiserzeit“ wurde eine Reihe von zeitgenössischen Autoren herangezogen. Nur so wurde es möglich, das Weltbild der Originalakteure von dem Mantel der Urteile, die wir in den letzten hundert Jahren über die deutsche Kolonialpolitik angehäuft haben, zu befreien. Der Leser möge immer bedenken, dass nur der das Handeln von Menschen einer anderen Epoche verstehen kann, der bereit ist, sich in deren Denk- und Verhaltensmuster hineinzuversetzen. „Sie hätten es doch besser wissen müssen“-Schuldzuweisungen sind hier kontraproduktiv und spiegeln nicht das damalige Denken wieder.