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Steuernorm und Steuerwirklichkeit

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Die Rolle der Steuertechnik, jener besonderen »Kunst, eine Steueridee in die Tat um zusetzen« (Meisei), tritt im finanzwissenschaftlichen Schrifttum hinter der eher vorder gründigen Aufzählung aller geltenden Steuern, ihrer Paragraphen, Sätze und Tarife meist gänzlich in den Hintergrund; daß eine Steuer nicht allein mit der Verkündung ihres Gesetzestextes und der Proklamation ihres Tarifs, sondern erst mit ihrer administrativen Ein- und Durchführung, ihrer konkreten Anforderung, Erhebung und Kontrolle ins wirk liche Leben tritt, ist eine zwar unbestreitbare und weithin unbestrittene Tatsache, gehört aber zu jenen »unbequemen Wahrheiten«, an die man sich nicht gern erinnert fühlt, zumal es nicht leicht ist, die damit verknüpften P'robleme theoretisch und praktisch in den Griff zu bekommen. Dabei ist die Kluft zwischen Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit, von der in Deutschland seit einigen Jahren immer häufiger die Rede ist, nirgends so tief und breit wie im Steuerwesen. Den Namen einer »Einkommensteuer«, einer nach dem persönlichen Einkommen und der darin zum Ausdruck kommenden finanziellen Leistungsfähigkeit be messenen »direkten« Personalsteuer, verdienen in der steuerlichen Wirklichkeit nur wenige der unter dieser Bezeichnung erhobenen Abgaben; zahlreiche Hilfs- und Aushilfskonstruk tionen, wie Pauschalierungen, offene oder verdeckte Steuerakkorde, Schätzungsmethoden und an äußeren MerkmaLen orientierte Bemessungsmaßstäbe verwandeln die sogenannte Einkommensteuer in vielen Fällen in eine mehr oder weniger vom Zufall, von äußeren Tatbeständen oder von geschickter Gestaltung der Bemessungsgrundlagen abhängige Zahlungsverpflichtung, die mit den Postulaten der Allgemeinheit, Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit, an die derGesetzgeber sich gebunden fühlte, oft nicht mehr viel zu schaffen hat.

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1969

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