Einfluss der Martensitphase auf das Bake-Hardening-Verhalten von Dualphasen-Stählen
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Die industrielle Nutzung von Alterungseffekten wird seit den 1980er Jahren während des Lackeinbrennens von Karosseriebauteilen, dem sogenannten Bake-Hardening (BH) umgesetzt. Für konventionelle BH-Stähle, rein ferritische Tiefziehstähle, sind gezielte Festigkeitsstiegerungen mit BH-Werten zwischen 40 und 60 MPa zu erreichen. Der dabei zugrundeliegende metallkundliche Mechanismus ist der Cottrell- Effekt. Gelöst vorliegende interstitielle C-Atome werden durch den Wärmeeinfluss zur Diffusion angeregt und lagern sich in der Umgebung von Versetzungen an, so dass diese in ihrer Bewegung blockiert sind; die Streckgrenze wird wirksam erhöht. In modernen Automobilkarosserien werden vermehrt höherfeste, mehrphasige Stähle, wie DualPhasen (DP)-Stähle mit ferritisch-martensitischem Gefüge, eingesetzt. Die Auswirkungen der Bake-Hardening-Behandlung auf die Werkstoffeigenschaften, insbesondere auf die Streckgrenze, wurden in dieser Arbeit systematisch untersucht. Dabei wurden DP-Stähle mit Martensitgehalten von 20 und 30 % BH-Behandlungen mit Vorverformungen bis 5 % im Temperaturbereich von 100 bis 300 °C für Auslagerungszeiten bis 10000 Minuten unterzogen. Prinzipiell bildet sich auch in DP-Stählen ein BH-Effekt aus - mit außerordentlichen Festigkeitssteigerungen weit über 100 MPa BH-Wert. Im 30 %-Martensitmaterial mit höherem gelösten C-Anteil ergibt sich generell eine stärkere Ausprägung des Effekts. Für den Einfluss der Vorverformung erweist sich eine geringe Vordehnung von 0,5 % als vorteilhaft für eine optimale Verteilung von Versetzungen und C-Atomen. Die BH-Behandlung bei mittleren Temperaturen von 170 °C hat die größte Wirkung. Mögliche Festigkeitsabfälle bei niedrigeren Temperaturen sind festigkeitssteigernd überlagert und festigkeitsverringernde Effekte bei höheren Temperaturen setzen noch nicht ein. In den Alterungskinetiken der Werkstoffe zeigen sich drei DP-charakteristische Phasen, die nach dem Hollomon-Jaffe-Parameter als aufeinanderfolgend angesehen werden können. Bei DP-Stählen wirkt in der ersten Alterungsstufe wie bei BH-Stählen der Cottrell-Effekt. In der zweiten Alterungsstufe wird die Diffusion des Kohlenstoffs aus dem Martensit als C-Quelle aktiviert, so dass die Ausscheidungsbildung hinzukommt. Aufgrund der chemischen und der Gefügezusammensetzung der DP-Stähle steht ausreichend C zur Aufrechterhaltung beider Mechanismen zur Verfügung. Mit der dritten Alterungsstufe überwiegen Anlass- und Überalterungseffekte, die die Effektivität der Festigkeitssteigerung wieder herabsetzen.