Tortilla Flat
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John Steinbeck gehört wohl zweifellos zu den einflußreichsten Schriftstellern der neuzeutlichen amerikanischen Literatur. Zahlreiche Veröffentlichungen in gigantischen Auflagen, sowie die Auszeichnung des Nobelpreises für Literatur 1962 sind die Meilensteine seiner schriftstellerischen Karriere. Keine Arbeit, kein Dach über'm Kopf, keine Versicherung, kein Auto. Die Schreckensvorstellung eines jeden Deutschen. Aber es gibt doch noch so vieles mehr, daß ein Leben lebenswert machen kann: Gute Freunde, der Strand, das Meer, die nächste Flasche Wein. Steinbeck beschreibt ein Leben, daß so arm, und doch so voller Reichtum ist, wie wir es in unseren Plastikburgen und gummibeschuhten Blechkisten nie erleben werden. Leider, und Gottseidank. Für Steinbecks Hauptdarsteller findet das Leben täglich statt. Von einer Flasche zur Nächsten, zu einer schnellen und flüchtigen Berührung mit der Matrone von nebenan, und zurück zum Fuselladen. Das Leben macht allerdings eine unverhoffte Kehrtwendung, wenn einer der liebenswert faulen Truppe der Bewohner von Tortilla Flat ein Strandhäuschen erbt. Jetzt ist er mit einem Male wer! Aber es dauert nicht lange, bis er sich in seinem neuerworbenen Reichtum doch etwas einsam fühlt, und nach und nach findet sich die gesamte Gruppe wieder zusammen: als seine Untermieter. Leider haben die aber trotzdem noch keine Kohle, und als verantwortungsvoller Kapitalist muß natürlich auf die Miete bestanden werden, da gibt's ja nichts! Also wird geschuldet und Buch geführt -- ganz professionell... Und da ihm ja nun nach kurzer Zeit jede Menge Geld schuldig ist, wird auch sein Kredit beim Fuselladen entsprechend erhöht. So ist das nun mal im Wohlstandsleben: Alles ist ja soviel einfacher, wenn Mann was hat. Allerdings verändert sich nichts wirklich, es wird immer noch versucht, sich gegenseitig übers Kreuz zu legen, es gibt immer noch stundenlange Diskussionen darüber, wer denn nun den nächsten Wein besorgt, wo, und wie. Fast wie in der Studenten-WG nebenan. So bleibt dann nicht wirklich ein Abschiedsschmerz, wenn die Bude dann eines Nachts abfackelt. Wer denn nun im Vollrausch seiner mieterlichen Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist, bleibt eigentlich nebensächlich. Worum es geht, ist die Menschlichkeit und der Zusammenhalt der Truppe in einer Umgebung von aussichtsloser Armut und Bescheidenheit. Es geht ums Überleben, und darum, wie die eigene Würde nur durch die Schaffung einer eigenständigen -- wenn auch isolierten -- (Sub-) Kultur erhalten werden kann. Die Werte werden verschoben, und was bleibt ist das, was in unserem Luxusleben oft verloren geht: Gemeinsam alleinsein koennen, Genuß der winzigsten Kleinigkeiten des Lebens, Herzlichkeit, echter Schmerz, abgrundtiefe Sehnsucht, und -- Freude am bloßen Dasein! Ein sehr humorvolles und lebendiges Buch voller verlorener Träume, voller Respekt und Liebe für ein Leben, das wir nur aus Dokumentarfilmen kennen, aber auch voller Traurigkeit. Sehr empfehlenswert für all diejenigen, die sich -- wie ich -- manchmal fragen \"War da nicht noch was?\" --Thomas Kaminski