Kant nimmt in der Einleitung zur Metaphysik der Sitten eine Einteilung in innere und äußere Gesetzgebung vor. Beide leitet er aus demselben in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten formulierten kategorischen Imperativ ab, und fügt Letzterem weitere Elemente einer Grundanthropologie hinzu, die das Material für die einzelnen Teile der Rechts- und Tugendlehre darstellen. Die Zusammenhänge zwischen Rechts- und Tugendlehre sind aber komplexer als die Einteilung in äußere und innere Gesetzgebung es nahelegt. Sie teilen etwa dieselben Anwendungsmethoden und Metaphern, und bei einer näheren Untersuchung der einzelnen Teile erweist sich diese Einteilung als entweder problematisch oder unscharf. In der Textinterpretation der einzelnen Beiträge kommen die genannten Zusammenhänge und Beziehungen zum Vorschein – insbesondere weil ein Teil der Autoren dieses Bandes zum Kommentar beider Werken beiträgt. Ein weiterer Schwerpunkt dieser Textinterpretationen liegt bei der kritischen Untersuchung des Ertrags dieser Werke für die entsprechenden heutigen Debatten und die Auseinandersetzung mit heutigen im weiten Sinne „Kantischen“ Positionen.
Jean Christophe Merle Bücher






Fichtes System der Sittenlehre
Ein kooperativer Kommentar
Das „System der Sittenlehre“ von 1798 ist Fichtes Versuch, die Kantische Moralphilosophie zu reformulieren, um die problematischen Dualismen von Freiheit und Natur sowie von Pflicht und Neigung in eine einheitliche Konzeption menschlicher Subjektivität zu integrieren. Es gilt als die reifste Darstellung seiner Jenaer Wissenschaftslehre, in der die praktische Vernunft als höchstes Prinzip der Philosophie hervorgehoben wird. Ein kooperativer Kommentar ermöglicht es dem Leser, die Argumentation Schritt für Schritt nachzuvollziehen und ein vertieftes Verständnis dieses zentralen Textes des Deutschen Idealismus zu erlangen. Beiträge von verschiedenen Autoren beleuchten unterschiedliche Aspekte: Wayne Martin untersucht Fichtes transzendentale Phänomenologie der Tätigkeit, während Andreas Schmidt die Deduktion des Prinzips der Sittlichkeit analysiert. Michael Quante bietet einen analytischen Kommentar zu bestimmten Abschnitten, und Friedrike Schick thematisiert den Naturtrieb. Allen W. Wood diskutiert den Übergang von der Natur zur Freiheit, während Jean-Christophe Merle die formalen und materialen Bedingungen der Moralität behandelt. Weitere Beiträge befassen sich mit bedingten Pflichten, allgemeinen Pflichten sowie der Rolle von Ehe und Familie in Fichtes Gesetzes- und Moralkonzept. Schließlich wird die Rezeption und Wirkungsgeschichte des Werkes sowie dessen systematischer Ort erörtert.
Strafen aus Respekt vor der Menschenwürde
Eine Kritik am Retributivismus aus der Perspektive des deutschen Idealismus
Die Berechtigung und Angemessenheit von Strafen ist ein Zentralproblem jeder Staats- und Gesellschaftsphilosophie. Die vorliegende Abhandlung befasst sich mit den Vergeltungstheorien (Retributivismus) und den Theorien der Generalprävention und erarbeitet in einer Kombination von Spezialprävention und Resozialisierung einen eigenen Standpunkt, aus dem sich ein Plädoyer für einen die Würde des Menschen respektierenden Umgang mit Verbrechern herleitet.
Johann Gottlieb Fichte: Grundlage des Naturrechts
- 217 Seiten
- 8 Lesestunden
Johann Gottlieb Fichtes „Grundlage des Naturrechts“ stellt einen Wendepunkt der Rechts- und Staatsphilosophie dar. Der erste Teil (1796) begründet den Begriff des Rechts und seine systematische Anwendung weder durch eine Grundanthropologie wie im klassischen Naturrecht noch, wie Kant, durch einen kategorischen Imperativ. Vielmehr wird der Rechtsbegriff als Bedingung des Selbstbewußtseins eines endlichen Vernunftwesens deduziert. Dabei erweist sich das Recht als eine notwendige Bedingung der Intersubjektivität und diese wiederum als eine notwendige Bedingung der Subjektivität. Der zweite Teil (1797) liefert eine für ihre Originalität, Radikalität und Systematizität bekannte Anwendung. In kritischer Auseinandersetzung mit Immanuel Kants „Rechtslehre“ (1797) entwickelt Fichte eine Vertragstheorie der Regierung und ihrer Kontrollinstanz, eine Theorie des Eigentumsrechts, des Strafrechts, des Ehe- und Familienrechts und des Völkerrechts. In 14 Originalbeiträgen bietet der kooperative Kommentar eine differenzierte, für den Seminargebrauch geeignete Interpretation des umstrittenen rechtsphilosophischen Klassikers.
Die Legitimität von supranationalen Institutionen der EU
- 290 Seiten
- 11 Lesestunden
Die Debatte über die Legitimität des europäischen Integrationsprozesses und des Aufbaus von supranationalen Institutionen wird in den neuen EU-Mitgliedstaaten nicht mit den gleichen Schwerpunkten, Anliegen und Argumenten geführt wie in den alten Mitgliedstaaten. Obwohl sich überall sowohl Befürworter als auch Skeptiker zu Wort melden, ist der erlebte Integrationsprozess jeweils ein anderer. Die Beiträge dieses Bandes untersuchen, wie in beiden Kontexten die Möglichkeit der Bildung einer europäischen Verfassungsidentität und die Legitimität supranationaler Institutionen diskutiert werden.
Against the background of early modernism - a period that justified punishment by general deterrence - Kant is usually thought to represent a radical turn towards retributivism. For Kant, and later for Fichte and Hegel, a just punishment respects the humanity inherent in the criminal, and serves no external ends - it is instituted only because the criminal deserves it. In this original study, Jean-Christophe Merle uses close analysis of texts to show that these philosophers did not in fact hold a retributivist position, or even a mixed position; instead he traces in their work the gradual emergence of views in favour of deterrence and resocialisation. He also examines Nietzsche's view that morality rests on the rejection of retribution. His final chapter offers a challenge to the retributivist position, and a defence of resocialisation, in the context of current legal theory and practice concerning the punishment of crimes against humanity.
In the current debate about globalization, its supporters praise its benefits for the economy and for peace while its opponents express their skepticism about its serious consequences for solidarity and democracy in our societies. Yet, the decisive point is already the path towards a global world order as well as the justification of this way. How can globalization of political institutions be conceived of, if it is to comply with the principle of democracy and the rule of law? This volume addresses three central dimensions of this problem: (i) the ethics of international negotiations and agreements; (ii) the question whether global public debate and deliberation might gradually arise; (iii) the issue of the way in which the principles of federalism and subsidiarity could be applied to global political institutions.
Le communautarisme est né de la critique du liberalisme de John Rawls par Michael Sandei mais aussi, plus généralement, d'une critique de l'ensemble de la modernité politique par Alasdair McIntyre et s'acheva approximativement en même temps que Liberalisme politique de John Rawls (1993) largement consideré comme contenant une réponse propre aux questions du communautarisme, mais faisant à celui-ci, selon certains, trop de concessions. Les demiers écrits communautaristes notables, qui datent déjà du debut des années quatrevingt-dix, ne s'élèvent plus contre la modernité dans son ensemble, mais contre une certaine vision de la modernité. Bref, la querelle semble s'être apaisee, ce qui nous permet de dresser une vue d'ensemble du courant communautariste dans ses differentes nuances.