Erfährt der Mensch ein Update, wie es der Prothetiker Hugh Herr mit seiner Formel von den »Humans 2.0« prophezeit? Die Diskussion um die Hightech-Prothesen eines Oscar Pistorius oder um Aufsehen erregende körpernahe Medien wie die Google-Brille zeigen einen Wandel der Ideen von Körperlichkeit: Verbessernde Eingriffe in und um den Körper werden nicht länger als notwendige Kompensation von Defiziten begriffen, sondern als wünschenswerte Optimierung und Steigerung. Werden Körper »machbar«? Karin Harrasser situiert diese aktuellen Diskurse und Praktiken des Körpers und entwirft einen anderen Blick auf sie. Wie lässt sich über Technologien, Medien und Körper aus der Perspektive von teilsouveränem Handeln und Parahumanität sprechen?
Karin Harrasser Bücher






Surazo
Monika und Hans Ertl: Eine deutsche Geschichte in Bolivien
Am 12. Mai 1973 wird Monika Ertl in La Paz im Verlauf eines Feuergefechts von Sicherheitskräften auf der Straße erschossen. Sie ist zum Zeitpunkt ihres Todes Mitte dreißig und Mitglied der bolivianischen Guerilla ELN. Ihr Vater, Hans Ertl, erfährt vom Tod seiner Tochter auf seiner Rinderfarm La Dolorida im bolivianischen Regenwald. Dorthin war der Kameramann Leni Riefenstahls und Rommels bevorzugter Frontfotograf in den 1950er-Jahren ausgewandert. In seinem Umfeld: rechtsnationale Diktatoren und SS-Obersturmführer, deutsche Missionare und jüdische Emigranten, Indigene und scheinbare Zauberkünstler, denen es gelingt, bei voller Sicht unsichtbar zu bleiben. Entlang ihrer Spuren folgt diese Recherche den Linien transatlantischer Verlängerungen nationalsozialistischer Karrieren, spürt dem Engagement der nächsten Generation in den internationalen Netzwerken der Achtundsechziger nach und verzweigt sich dabei bis in die Tiroler Alpen und nach Linz. Surazo, der Name des kalten Tropenwindes, sollte der Titel von Hans Ertls letztem Film sein; Surazo, das ist stattdessen eine Tiefenbohrung, die wie nebenbei von Geschichtsschreibung in einer verstrickten Welt erzählt; Surazo, das ist die Suche nach Antworten auf Fragen, die wir uns nach wie vor stellen müssen.
In einer Montage aus Kurzessays, Notizen und Tagebucheinträgen, von Beobachtungen, Reflexionen und Gesprächsprotokollen entwirft Gegenentkommen in Streiflichtern eine Annäherung an das geschichtspolitische und zivilgesellschaftliche Geschehen in Kolumbien seit dem Friedensschluss mit den FARC 2016. Nach Jahrzehnten des bewaffneten Konflikts zwischen Paramilitärs, Guerilla, Drogenkartellen und Regierungstruppen ist seither ein Prozess der Friedensfindung in Gang, der längst nicht abgeschlossen ist. Doch was hat Befriedung mit Befreiung zu tun und wie sähe ein radikaler, an die Wurzeln des Konflikts gehender Wandel aus? Ihre Begegnungen mit Aktivist: innen, Intellektuellen und Künstler: innen erzählt Karin Harrasser als Verwicklungen – mit der eigenen, privilegierten Situiertheit, aber auch zwischen globalen Dynamiken und lokalen Kämpfen – und ermöglicht Einblicke in Auseinandersetzungen, die Politik als das greifbar machen, was sie auch im Europa der Gegenwart ist: eine Debatte darüber, wie wir miteinander leben können und wollen.
Parahuman
Neue Perspektiven auf das Leben mit Technik
Technische Körpermodifikationen verlangen, dass wir unsere Vorstellungen vom Körper überdenken. Prothesen und andere technische Hilfsmittel ermöglichen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, sie lassen sich aber auch als ein Normalisierungs- und Anpassungsinstrument verstehen. Und während sich manche durch die eigensinnige Aneignung von Hochtechnologien im positiven Sinne als hybride Maschinenmenschen – als Cyborgs – verstehen, darf nicht vergessen werden, dass nicht alle Zugang zu diesen Entwicklungen haben. Das Buch greift diese Debatten auf und gibt den widerstrebenden Perspektiven auf die technische Erweiterbarkeit des Körpers einen Rahmen. Es erarbeitet sowohl eine Bestandsaufnahme als auch eine Neuinterpretation des Technokörpers.
Prothesen
Figuren einer lädierten Moderne
Die Studie betrachtet die Prothese als ein Phänomen, das verschiedene Wissensgebiete berührt und als Insignie einer lädierten Moderne interpretiert werden kann. Ausgehend vom amerikanischen Bürgerkrieg, der die Prothesenproduktion ankurbelte, analysiert die Autorin die Prothetik sowohl aus einer sozial- und technikhistorischen Perspektive als auch hinsichtlich der Bildpolitiken, die zwischen Verbergen der Versehrung und Vorzeigen mechanischer Qualitäten schwankten. Im späten 19. Jahrhundert verwandelte sich die Prothetik in eine phantasmatische Technik, die zwischen Mode und Funktionalität oszillierte. Als Sozialtechnik sollte sie den Konsumkapitalismus stabilisieren, während sie als Bild den Technofetischismus anregte. Mit dem Ersten Weltkrieg wurde die Prothetik industrialisiert und entwickelte sich zu einem Zentrum epistemologischer, politischer und ästhetischer Unruhe. Sie wurde als bio- und bildpolitische Maßnahme konzipiert, um Kriegsbeschädigte wieder arbeitsfähig zu machen und gleichzeitig das Verlorene zu verbergen. Nach Kriegsende wurde die Prothese zur Allegorie einer zerbrochenen Moderne. Zwei Detailstudien zu Dadaismus und Brecht zeigen, wie prothetische Figuren in ästhetische Verfahren wie Montage und Collage einflossen. Die Autorin untersucht schließlich die Verwendung prothetischer Figuren in spekulativen und theoretischen Texten, die eine 'prothetische Anthropologie' darstellen und sich durch Gestalttheorie, A
Die Politik der cultural studies - cultural studies der Politik
- 271 Seiten
- 10 Lesestunden
Gegenstand dieses Sammelbandes ist die – gerade in den letzten Jahren vermehrt angestellte – Reflexion des Verhältnisses von Cultural Studies und Politik. Ausgehend von der traditionellen Verbindung der britischen Cultural Studies mit linker Theoriebildung steht die aktuelle Diskussion von Politikbegriffen, Methoden und Objekten der Cultural Studies im Vordergrund. Ist die Politisierung des Persönlichen und Privaten ein tragfähiger theoretischer Ansatz für Cultural Studies? Wie werden heute die Zusammenhänge von gesellschaftlichen Strukturen und persönlichem Erleben, Diskurs und Praxis, organisierter Politik und Sub- bzw. Populärkulturen gedacht? Welche impliziten und expliziten Theorien des Politischen liegen den Cultural Studies zugrunde? Beschäftigen sich Cultural Studies grundsätzlich mit Mikropolitiken, und wie sieht ihr Verständnis der Ebenen der Makropolitik aus? Welche Rolle kommt dabei der inter- bzw. transdisziplinären Methodik der Cultural Studies zu? Inwieweit unterscheiden sich darin politisch von Monodisziplinen und wie wirkt sich die zunehmende Institutionalisierung auf das Verhältnis von Cultural Studies und Politik aus? Mit Beiträgen von Howard Caygill, Jim McGuigan, Oliver Marchart, Roman Horak, Christina Lutter, Lutz Musner, Kate Nash, Ursula Reeber, Günther Sandner, Roberta Sassatellli, John Street, Paul Taylor, Fran Tonkiss und Helga Treichl.
Bauformen der Imagination
Ausschnitte einer Kulturgeschichte der architektonischen Phantasie
- 269 Seiten
- 10 Lesestunden
Auf den ersten Blick mag die Folter als Prototyp grausamer und ungezügelter Gewalt erscheinen. Seit Ausgang des Mittelalters ist sie jedoch zu einer Herrschaftspraktik geworden, die sich immer stärker auf subtile Legitimationsstrategien und exakte Anwendungstechniken stützt. Der Band untersucht deshalb zunächst das Souveränitätstheater von Martyrium und Inquisition, alsdann die Zwingkraft und Eigendynamik von Folterbildern, die definitorische wie praktische Unverzichtbarkeit der Schmerzen für die Folter und schließlich deren Instrumentalisierung auf der Schau- wie Schattenseite der Macht. Die Folter stellt nicht nur Bestand und Form des Politischen auf eine harte Probe. Sie markiert auch die Grenzen des Rechts, des Wissens vom Menschen und aller dokumentarischen wie ästhetischen Darstellungsmittel. Wie und wieso sie – trotz Ächtung und Verbot – bis heute zum Inventar politischer Machtausübung gehört, versuchen die Beiträge des Bands zu klären.