Fotini Ladaki Bücher






Im Labyrinth der Seele
Oder: Die Seele als Kathedrale des Teufels
Wenn das Unbewusste das Labyrinth der Seele ist, in dem der Minotaurus unserer Traumata lauert, dann ist ein Entrinnen nur möglich, indem wir die Sprache zum Faden der Ariadne machen. Freud hat den Faden der Sprache aufgegriffen und ist ihm wie kaum ein Zweiter gefolgt. Wie das Über-Ich die Instanz des Gewissens, der Moral und unserer Wertvorstellungen ist, so ist das Es ein dunkler Ort, an dem böse und antisoziale Triebe, finstere Gedanken und Gefühle lauern und an dem man manchmal ein Leben lang verweilen muss, weil sich kein Ausweg aus dem Labyrinth auftut. Mit Freud kann daher behauptet werden, dass die unreflektierte Seite der menschlichen Seele eher der Kathedrale des Teufels als einem Gotteshaus ähnelt. Nur wer in der Lage ist, die teuflischen Anteile seiner Seele ins Göttliche zu übersetzen, erfährt seine individuelle Epiphanie – und es ward Licht.Der Band beschließt – im Anschluss an „Die Geburt der Seele“ und „Der Maskenball der Seele“ – Fotini Ladakis Seelentrilogie.
Marga ritt
Erzählungen
Geht Gott zum Frisör? Können wir ihm Dinge erzählen, die er noch nicht weiß? Tragen Engel Pantoffeln? Ist Gott genau so einsam wie wir? Ladakis Figuren machen Hoffnung, dass wir aus unserer Stummheit ausbrechen können – ungebremst und doch am Straucheln auf der selbstgebauten Treppe in den Himmel. Ladaki zeichnet fantasievoll ein aktuelles Plädoyer, dass diese Treppe – vielleicht auch über Umwege – unbedingt zurück in die Wirklichkeit führen muss: Denn selbst wenn Gott tot ist, lebt der Mensch weiter in einer Zeit der Unterdrückung. Surreal, witzig und bildgewaltig erzählt die Autorin vom schwierigen Weg, aus Autoritäten auszubrechen, sie umzustürzen, über sie zu stolpern. Ihre Erzählungen beleuchten, wie es sich anfühlen kann, wenn wir uns alleine wieder aufraffen und einen Blick hinter den Vorhang der Projektion in unser Selbst wagen.
Gestalten wie aus einem Fiebertraum durchwandeln Fotini Ladakis Stück über den Niedergang der griechischen Kultur. In alptraumhafter Weise reflektiert die Autorin die aktuelle Krise in Griechenland – das Elend der Bevölkerung, die Rolle der Europäischen Gemeinschaft und die schädlichen Auswirkungen der Finanzpolitik. Das Stück erzählt vom Untergang eines ehemals blühenden Reiches. Ladaki inszeniert die göttliche Tragödie der Finanzkrise als schaurige Fabel, in der sich Füchse, byzantinische Mosaiken und Elefanten mit dicken Pranken tummeln. Dabei reichen sich Sinn und Sinnlosigkeit dort die Hand, wo das Zugrundegehen von Gemeinschaft, Kultur und Mitgefühl keine Erklärungen mehr zulässt. Die Auswirkungen der Finanzkrise zu betrachten, bedeutet, Chaos zu entdecken. Erschlagene Füchse und wilde Totentänze werden am Ende der Geschichte stehen. Sie wiederholt sich: Die Götter fallen und der Mensch bewahrt seine ambivalente Wesensart. Er ist Täter, Zeuge und Opfer zugleich. Als Täter phantasiert er sich als Gott, als Zeuge macht er sich zum Propheten und als Opfer erleidet er Hunger und Tod.
Wenn das goldene Kalb sich als das trojanische Pferd ausgibt, seine wahren Absichten und Begehrlichkeiten verbirgt und seine unbegrenzte Herrschaft über Länder und Kontinente verbreitet, droht das Gleichgewicht der Menschheitsgeschichte aus den Rudern zu laufen. Schwarze Löcher tun sich auf. Die Götter fallen hinein und sterben aus. Die Lehren der Philosophen verlieren sich im Lachen der Hyänen der Macht. Das zoon politikon verliert seine Bestimmung und verkommt zu einem Monster ohne Gesicht. Nur seine Seele schreit, aber niemand hört sie. Jeder, der die konstruierten Gesetze verachtet, wird zum Sündenbock. Er verliert seinen Namen und seine Identität. In seinem Begehren steigt eine grausame Stimme empor: „Gott, schaff den Menschen ab!“
„Im Anfang war das Wort“. Gehört das Wort immer noch Gott allein? Oder soll das Subjekt der Sprache Gott das Wort entwenden, wie einst Prometheus den Göttern das Feuer? Wenn das sprechende Wesen in der Lage ist, Übersetzungen von verdrängten traumatischen Erfahrungen in manifeste sprachliche Inhalte vorzunehmen, wird die Stimme Gottes in der Psychoanalyse vernehmbar, und die Seele selbst vollbringt Wunder. Es geht um die Wunder, die die Seele mit ihren Übersetzungen von unbewussten und kryptischen Texten zu manifesten sprachlichen Inhalten vollbringen kann. Mit dem Wort Wunder kommt die Dimension des Göttlichen ins Spiel. Bis jetzt wurde dieses Wort vom ekklesiastischen Diskurs der Kirche monopolisiert. Aber die Wunder, die von außen kommen, haben nicht den gleichen Wert wie diejenigen, die die Seele selbst vollbringt. Die Legende vom Heiligen Lazarus lehrt, dass er durch das Wunder Jesu aus dem Reich der Toten zurückgekehrt ist, noch dreißig Jahre gelebt, aber niemals mehr in seinem Leben gelacht hat. Die Kirche interpretiert dies in ihrer Art: Wenn man vom Diesseits ins Jenseits geblickt hat, verliert man die Verbindung zum Diesseits. Die Psychoanalyse würde dies als Übergriff bezeichnen. Auch in der Psychoanalyse wird nur gesprochen. Es wird assoziiert, erinnert und gedeutet. Gibt es zwischen Religion und Psychoanalyse eine Verbindung, die nicht auffallen darf?
Die Göttin Athene und die autonome Seele gehen Hand in Hand, denn sie sind verwandt: Beide sind Kopfgeburten. Deswegen kann die Anwendung der mäeutischen Praxis des Sokrates die Geburt einer halbwegs freien Seele ermöglichen. Geht man ein Leben lang mit seiner eigenen Seele schwanger, ohne zu wagen, sie zu gebären? Man sollte auf den schwangeren Kopf des Unbewussten mit dem Hammer schlagen, wie einst Hephaistos Zeus auf den Kopf schlug, um so die Geburt der eigenen Seele zu ermöglichen. Die Autorin betrachtet Athene als Hypermetapher für die autonome Seele und untersucht fünf Wege, die zu ihrer Geburt führen: Exodus und Exil, Techne und Kunst, die Psychoanalyse, die List – verstanden nicht als Arglist oder Hinterlist, sondern als die höchste Form der Intelligenz – und schließlich die Anomie. Mit der Anomie wird Antigone in Verbindung gebracht, die sich gegen Kreons Gesetz stellte und ihrem Bruder die Ehre eines Menschen verlieh, indem sie ihn beerdigte, statt ihn den Hunden zum Fraß vorzuwerfen.
Das Phrontisterion ist als schulisches Parallelsystem Griechenlands Zauberwort und Fluch zugleich geworden. Als Symbol und Platzhalter für den fehlenden Souverän hat es sich in das politische und soziale Leben eingeschlichen und dort als geisterhafter Avatar der Macht installiert. Haben die Souveräne Griechenlands Angst davor, ermordet und erschlagen zu werden, wie Freud in seinem Werk Totem und Tabu geschildert hat? Stellen sie deswegen mit dem Phrontisterion einen Avatar als Repräsentanten der symbolischen Ordnung an ihre Stelle und an die des Anderen? In Form dieses Avatars rückt der Souverän gleichsam wie ein Geist seinen Mitmenschen, den Wählern, auf den Pelz. Damit kommt es zu einer Verschmelzung und Aufhebung von Differenzen, und die symbolische Ordnung gerät in Gefahr. Könnte sich auch die Ödipus-Sage gar nicht in Griechenland zugetragen haben, sondern in Ägypten, wie Immanuel Velikovsky in seinem Werk Ödipus und Echnaton behauptet? Immerhin hat es in Griechenland nie eine Sphinx gegeben, sondern nur Satyrn mit falschen Lyren. Schließlich kommt auch noch der hundsköpfige Christophorus aus der orthodoxen Ikonographie ins Spiel, der Jesus in sich und nicht auf sich trägt. Er soll als Assoziation für einen Satz von J. Lacan – „Das sprechende Wesen ist ein krankes Tier“ – herhalten und für die Macht der Sprache als Logos plädieren: sie kann vernichten und zum Märtyrer machen.