Fernand Mathias Guelf Bücher






In einer Vergangenheit, die sich nur unwesentlich von der Gegenwart unterscheidet, umherirrend, stellt sich die Frage, ob die Geschichte nicht nur eine Wiederholung ist, in der das Individuum gefangen ist.„Konrad war ein begnadeter Geschichtenerzähler. Beim Zuhören schien mir, als sei die Welt ein Sammelsurium von Geschichten, die Konrad jederzeit, dem Anlass und dem Thema entsprechend, abrufen konnte.“ Eines Tages ist Konrad verschwunden. Ein verstörender Brief liefert eine erste Spur. „Ich habe mich in einer Geschichte verloren und finde nicht wieder hinaus. Sie sollen mir helfen.“Auf der Suche nach Konrad gerät der Erzähler in das Berliner Leben am Eingang des zwanzigsten Jahrhunderts – eine Welt aus Künstlern, Lebemännern, Ganoven, Krise, Wissenschaft und Spiritismus. Und er trifft auf die Tänzerin Cécile, die ebenso geheimnisvoll ist wie ihre Entourage. Allesamt sind sie auf mysteriöse Weise mit Konrad verbunden. Auf seiner anschließenden Reise nach Paris erkennt der Erzähler, dass nicht das Immergleiche das Problem ist, sondern das Grauen, das sich wiederholt.
„Ich kann nur am Anfang oder am Ende der Welt leben“ (Emil Cioran). Guelfs Buch ist die Geschichte der missglückten Liaison zwischen Individuum und Leben. Ein Mann gelangt in den Besitz mysteriöser Aufzeichnungen, die das verstörende Bild eines Lebens vermitteln, das gleichermaßen geprägt ist von Wissensdrang, Hass und der Absicht, in den Ablauf der Geschichte einzugreifen. Die Reise in die Psyche des Verfassers der Aufzeichnungen beginnt mit dem Bestreben, den Plan der Welt zu erfassen und endet in der chaotischen Realität der Gegenwart. Mit fortschreitender Erarbeitung der Skizzen und aufgrund seiner Nachforschungen gerät der Erzähler selbst in die zerstörerische Spirale. Dort, wo Kontinuität gesucht wird, zeigt sich die menschliche Existenz gefangen in dem Strudel aus der Unversöhnlichkeit von Wissen, Fortschritt und Alltag. Der begrenzte Handlungsspielraum verführt dazu, im Extremen eine letzte Überlebenschance zu sehen. Aber gerade hier findet die Hoffnungslosigkeit ihren authentischen Ausdruck.
Während die Geschichte die Katastrophen sammelt, hält die Dichtung inne – für einen Augenblick; und stellt sich der Dynamik entgegen. Wohnen in den Worten. In einer essayistischen Bestandsaufnahme erkundet Fernand M. Guelf die der Sprache eigenen Variationen, um dem Ablauf der Ereignisse zu begegnen. Dieses magische Potential bedrängt Hölderlins Lebensjahre im Turm, hintergeht die geordnete Realität, wagt eine Neubesiedlung der verbrannten Erde, begleitet den „Underdog“ durch die Trostlosigkeit der Randgebiete. Indem es sich dem vermeintlich Zusammenhanglosen nicht verwehrt, gibt das Wort am Ende seine wahre Dimension zu erkennen. Fernand M. Guelf zeigt, dass die dichterische Schöpfung keine Welt der Mythen, keine Kopie eines verlorengegangenen Paradieses, keine letzte Zuflucht für die Verzweifelten ist. Ihr Verbundensein mit der Sprache lässt auch das Dichterische ins Offene schauen.
Fesseln der Zeit
- 125 Seiten
- 5 Lesestunden
Wer ist die Zeit? Die Frage nach der Identität der Zeit ist auch eine Frage nach der Positionierung des Individuums in der Geschichte. Versuche, sich der Zeit anzunähern, unterliegen deren einnehmender Faszination. Ist sie Protagonistin, Agent Provocateur, Femme Fatale, Konstrukt oder Verbündete? In sechs essayistischen Ansätzen setzt sich Fernand M. Guelf mit diesen polarisierenden Positionen auseinander. Dabei verarbeitet er verstreute literarische, philosophische, naturwissenschaftliche Gedanken und bildnerische Gestaltungen aus der abendländischen Geistesgeschichte zu diesem Thema und überprüft sie auf ihre Alltagstauglichkeit. Durch Gedankenspiele und Analysen gelingt es den so gewonnenen Erkenntnissen, sich immer wieder der schicksalslastigen Umarmung, die diese Konfrontationen bereithalten, zu entziehen. Es entsteht ein Gedankenlauf durch die Zeit, der wiederum die Zeit spiegelt, der er verbunden ist.
Als 1970 Henri Lefèbvres »La révolution urbaine« (»Die Revolution der Städte«) erscheint, ist die Stadt als komplexes Phänomen vor allem soziologisch untersucht worden. Lefèbvre hingegen definierte die Stadt als »Œuvre« - als Ausdruck menschlicher Kreativität, die im Laufe der Entwicklung an Authentizität verloren hat - und charakterisierte die Verstädterung als dialektisch ablaufenden Prozess mit unbestimmtem Ausgang. Fernand Mathias Guelf zeigt, dass die Verbindung von Revolution und Urbanisierung - als »strategische Hypothese« und Perspektive - für die Hoffnung auf eine neue Qualität des menschlichen Zusammenlebens steht.