Über die formative Kraft der bürgerlichen Geschlechterdichotomie im Verständnis der Wissenschaft des 18. und 19. Jahrhunderts. Richtige Wissenschaft kann nur von Männern gemacht werden - so die Vorstellungswelt, aus der die deutsche Geschichtswissenschaft im späten 18. und 19. Jahrhundert entstanden ist. Was dieses Denken für das Fach bedeutete, ist das Thema dieser Studie. Als Quellen werden die klassischen Texte der Historiographiegeschichte neu gelesen, darüber hinaus berücksichtigt der Autor - zum Teil erstmals - Portraits von Historikern (Frontispize und Ölgemälde). Dieses Material ermöglicht es Schnicke, eine bislang vernachlässigte Größe in der Wissenschaftsgeschichte zu konturieren: den Körper. Obwohl dieser den Horizont der Selbstreflexion unterschritt, war er doch zentral für die soziale Definition des Faches. Die Studie stellt überzeugend dar, dass sich die Vermännlichung der Geschichtswissenschaft nicht in der Existenz der ausschließlich männlichen Fachvertreter erschöpfte. Vielmehr wurde die Vermännlichung auf allen relevanten Ebenen der Disziplin realisiert: in der Anthropologie des Historikers, in der Konzeption historischer Forschung und in den Methoden und Institutionen.
Falko Schnicke Bücher


Prinzipien der Entindividualisierung
Theorie und Praxis biographischer Studien bei Johann Gustav Droysen
- 245 Seiten
- 9 Lesestunden
Die mit dem Karl H. Ditze-Preis 2010 ausgezeichnete Studie thematisiert umfassend die biographische Theorie und Praxis Droysens, als einem der wichtigsten Protagonisten geschichtswissenschaftlicher Biographik im 19. Jahrhundert. Gleichzeitig stellt sie am konkreten Beispiel die virulente These in Frage, dass biographische Studien immer auf ein Individuum abzielen. Sie bezieht dafür nicht nur selten beachtete Quellen, sondern auch erstmals ausgewertete Archivalien ein. Die Untersuchung erweitert die bislang vorliegende Droysen-Forschung daneben um Methodenaspekte der aktuellen Geschichtswissenschaft, indem sie einerseits die Analysekategorien race, class und gender zentral berücksichtigt und andererseits eine Bildanalyse des von Eduard Bendemann geschaffenen Porträts Droysens für die biographietheoretische Interpretation nutzbar macht.