Zwei Verteilungssysteme der Zwangsvollstreckung sind bekannt: das Prioritätsprinzip in Deutschland und das Ausgleichsprinzip in Bulgarien. Das Prioritätsprinzip ist umstritten, insbesondere aufgrund der Unsicherheit bei im einstweiligen Rechtsschutz begründeten Prioritäten. Die Argumente für seine Beibehaltung stützen sich auf eine vermeintliche ausgleichende Wirkung der Gesamtvollstreckung, jedoch stehen beide Grundsätze oft im Konflikt. In der aktuellen Entwicklung der Insolvenzregelungen ist eine Tendenz zur Abschwächung des Grundsatzes „prior tempore potior jure“ zu beobachten. Bei der Durchsetzung von Sachleistungsansprüchen wird das Prioritätsprinzip in Deutschland nur unzureichend anerkannt, während in Bulgarien die Kollisionswirkung des Rechtshängigkeitsvermerks eine zuverlässige Wahrung der Prioritäten gewährleistet. Die bulgarische Rechtsordnung bietet eigenständige Sicherungsinstrumente, die als Vorbild für eine Vereinheitlichung der vorläufigen Sicherungsmittel dienen könnten. Allerdings ist der deutschen Vormerkung aufgrund der stärkeren Geltung materieller Rechtsgrundsätze eine klare prozessrechtliche Rolle schwer zuzuordnen. Ziel dieses Rechtsvergleichs ist es, die Argumente für die gesetzliche Aufrechterhaltung des Prioritätsprinzips in Deutschland zu überprüfen, insbesondere im Hinblick auf dessen unterschiedliche Anwendung und internationale Erfahrungen.
Irina Gencheva Bücher


Die bulgarische Strafprozessordnung
- 196 Seiten
- 7 Lesestunden