In »Anamnesen« legt Ludwig Roman Fleischer seinen Finger auf den Puls der Zeit. Ob der Sohn eines Südtiroler Grenzwirten vom Coronatod des Vaters erfährt und an der pandemiehalber geschlossenen Grenze steckenbleibt, oder ob sich in der Erzählung »Gletscher« ein ebensolcher klimawandelbedingt verflüchtigt: Mit gewohnter literarischer Kunstfertigkeit nimmt sich Fleischer maßgebliche Themen der Gegenwart vor.
Ludwig Roman Fleischer hat im Laufe seines Autorendaseins hunderte Kurzgeschichten geschrieben. Viele von ihnen erschienen ausschließlich in Sammelbänden, Zeitschriften oder gar nicht. Einen Teil derer, die in keinem seiner bisherigen Bücher zu finden sind, möchten wir ab nun im Jahresrhythmus veröffentlichen. In der hier vorliegenden Auswahl aus fünf Jahrzehnten geht es um Niederlagen und Verluste: Ein Hobbykünstler baut das Haus seiner Kindheit, das gerade abgerissen wird, als Modell aus Pappe, Holz und Erinnerungen wieder auf. Die Freundschaft zwischen einem austro-türkischen und einem österreichischen Gymnasiasten zerbricht an der Liebe zu einem Mädchen und hinterlässt eine rassistische Abneigung, wenn nicht Feindseligkeit. Ein alter Mann und einstiger Chronist lebt als einziger Einwohner in dem vor langer Zeit von einem Erdbeben zerstörten Abruzzendorf Frattura; die Existenz des erdebensicheren Neu-Frattura nimmt er nicht zur Kenntnis, bis ihn ein neugieriger Tourist aus seinem Leben in bloßer Vergangenheit reißt. Ernste, oft traurige Geschichten, sind es, die hier erzählt werden, in denen aber immer wieder etwas Humor aufblitzt.
Fom End fon da Maŋnachie bis häht. Geschichte Wiens auf Wienerisch, 1918 bis heute. Mit zwei beigelegten Audio-CDs mit Texten aus dem Buch, gelesen vom Autor
Fleischers Fortsetzungsband zur Geschichte Wiens im Dialekt behandelt die Zeit von der Republiksgründung bis heute. Mit Witz und Wissen verknüpft er historische Ereignisse und Kanzlerschaften. Der Wiener Dialekt wird als Mittel zur scharfen Kritik an Opportunismus genutzt. Das Buch enthält ein Vokabelverzeichnis und zwei CDs mit Lesungen des Autors.
Ein streitsüchtiges Alt-Ehepaar heuert bei dem Partnervermittlungsinstitut »Partnerlook« an, um einander beim Flirt mit Fremden beobachten und neu kennenlernen zu können. Freilich läuft nichts wie gedacht. Der erste Corona-Lockdown ist nur eine der Widrigkeiten, die sich auftun. Als dann noch der Chef von Partnerlook mit den Vorauszahlungen seiner Kunden ins Ausland durchbrennt, wird klar, dass ihr Vorhaben unter keinem guten Stern steht. Aber vielleicht soll es das auch gar nicht … In Fleischers munteren Monologen sagen Frauen, was sie von Männern und Männer, was sie von Frauen halten: da und dort ein problematisches Fazit. Es geht zudem um Soziolekte, Dialekte, moderne Sprachverschandelung, Deppen-Denglisch und andere Modeerscheinungen. Am Ende wissen wenigstens einige, was man alles nicht braucht …
Ludwig Roman Fleischer präsentiert einen neuen Erzählband, der östlich des Neusiedler Sees angesiedelt ist und Geschichte, Märchen sowie Familiensagen verbindet. Themen sind unter anderem die burgenländische Landnahme, der Neusiedler See und die Betreuung ungarischer Flüchtlinge, wobei die Liebe zu Land und Leuten im Mittelpunkt steht.
Die hohe Historie wird im Wiener Dialekt anschaulich und zugänglich erzählt, von den Kelten und Römern über die Babenberger bis zum Ende der Monarchie. Zudem werden „Wokaawen“ hergeleitet. 2021 erscheint ein weiterer Band über die Erste und Zweite Republik, ähnlich den unterhaltsamen Dialektlehrbüchern von Fleischer.
Der vierundzwanzigjährige Gabriel Lenz wird gedrängt, die »brotlose Kunst« des Musikstudiums aufzugeben und stattdessen Musiklehrer und vor allem Vater zu werden. Der junge Mann hat zu beidem nicht viel Neigung. Er entschließt sich zu einem ungewöhnlichen Lebensentwurf und wird Mönchsaspirant. Österreich erscheint ihm – wie ganz Europa – dekadent, überaltert, materialistisch und verlogen. Ein strammer Nazi und Geheimer Feldpolizist, ein unschuldig gebliebener SS-Mann, ein hochmusikalischer Mitläufer bei Sozialdemokratie, Heimwehr und Nazis, ein wortverliebter Versagervater, eine sudetendeutsche Heimatvertriebene, die jüngste philosophische Doktorin der Republik: das sind einige der Verwandten Gabriels, die ihre Geschichte (und damit auch jene ihres Landes) meist selber erzählen. In einem jeweils unverwechselbaren Idiolekt. Und es ist vor allem die Sprache der unverlässlichen Erinnerung, die der Autor in diesem Roman erklingen lässt.
Stille Beschaulichkeit zu Weihnachten? Nicht bei Ludwig Roman Fleischer. Hier ruft ein von der Wirtschaftskrise gebeuteltes Dorf eine ganzjährige Adventszeit aus und benennt sich kurzerhand in Bad Weihnachten um. Eine Seniorin bezahlt ihre weihnachtliche Putzsucht mit dem Leben, ein Pfarrer verliert sein Gedächtnis, ein Südkärntner Bauer wird im Advent von nationalsozialistischen Gesundheitsfanatikern sterilisiert. Fleischers Weihnachtserzählungen changieren zwischen Satire, Slapstick und Tragödie. Eines aber teilen sie: Sie sind ungemein unterhaltsam.
Sechs Menschen im bereits langjährigen oder erst angehenden Ruhestand haben in derselben Supermarktfiliale eine Mittelmeerreise auf der „MS Atlantis“ gewonnen, deren Kapitän ebenfalls bald in Pension gehen wird. Ehe zur SeniorInnenkreuzfahrt „Allegria Tarda“ in See gestochen werden kann, erzählen die sechs Gewinner – drei Frauen und drei Männer – aus ihren verpfuschten Leben. Zwischendurch wird von den Vorzügen des Luxuskreuzers „MS Atlantis“ berichtet, einem Schiff, auf dem sie ein Reiseabenteuer erleben, wie sie es noch nie erlebt haben. Allmählich stellt sich heraus, dass die sechs Protagonistinnen und Protagonisten mehr gemeinsam haben als die in Folge eines falsch programmierten Computers gewonnene Mittelmeerkreuzfahrt und ihr bestehendes oder bevorstehendes Pensionistendasein. Und nach einer fundamentalen Fehlleistung des Atlantis-Kapitäns Fioresecco vor der Insel Pianosa wird es eine weitere, potenziell tragische Gemeinsamkeit geben … „Atlantis“ ist ein ebenso ironischer wie empathischer Roman über das, was letztlich allen Menschen bevorsteht: das Scheitern, der Schiffbruch.
Das Leben ist voller unerwünschter Nebenwirkungen, und manch ein erfüllter Wunsch erweist sich als Fluch, wie etwa der Reichtum des Königs Midas, der beinahe verhungert, weil alles, was er berührt, zu Gold wird. Auch die Unsterblichkeit des hübschen Jünglings Tithonos wird zum Fluch, denn seine Geliebte Eos – Göttin der Morgenröte – hat vergessen, Zeus auch um die immerwährende Jugend ihres Herzbuben zu bitten. Den Protagonisten in Fleischers Erzählband ergeht es ähnlich wie diesen klassischen Vorbildern: Die Übersetzerin Molina entdeckt die Vorteile moderner Schreib-, Übersetzungsund Formulierprogramme. (Upgrading) Ein Antidepressivum macht so glücklich, dass jene, die es einnehmen, überhaupt nichts mehr zustande bringen und aus schierer Zufriedenheit Firmen und Städte zugrunde richten. (Serenil Forte) Der Beamte Christian Abel hat ein dermaßen ausgeprägtes Einfühlungsvermögen, dass er an allen Krankheiten laboriert, von denen seine unmittelbare Umgebung befallen ist. Kein Wunder, dass ihn seine Fähigkeit zu Empathie in ein frühes Grab bringt. (Abel) In den vordergründig komischen Texten des Autors eröffnen sich manch existenzielle Abgründe.