Philipp E. Reichling Bücher




Der Band »Religion für die Sinne« bietet einen Einblick in die Welt der sinnlichen Wahrnehmung religiöser Phänomene. Bekannt ist, dass Religion abseits der rationalen Durchdringung eine Dimension der Erlebnisse und Sicherheiten bietet, die nicht auf Beweisbarkeit, sondern auf individueller Überzeugung basiert. Wie Religion durch die Wahrnehmung einzelner Sinne oder deren Zusammenspiel erfahrbar und erlebbar wird, veranschaulicht der vorliegende Band anhand von Beispielen aus dem römischen, islamischen und christlichen Bereich sowie aus indischen und ägyptischen Vorstellungen von Religion.
Die vorliegende Arbeit untersucht Phänomene zwischen Kunst und Christentum, näher hin zwischen Mystik und klassischer Moderne. Auf der einen Seite wird dabei Mystik verstanden als Teil der Religion, als Prozess und Versuch, ein unmittelbares Bewusstsein der Gegenwart Gottes zum Ausdruck zu bringen, was sich in Wort und Bild/Architektur niederschlägt. Auf der anderen Seite reflektieren Künstler der klassischen Moderne über ihre eigene Wahrnehmung und artikulieren ihre Erkenntnisse sowohl im Wort – prosaisch und lyrisch – als auch im Bild. Die jeweiligen Text-Bild-Transformationen werden synoptisch betrachtet, verglichen und auf analoge Parallelphänomene befragt, wobei drei Motive als Konvergenzpunkte zwischen den Text-Bild-Transformationen bei Vertretern von Mystik und klassischer Moderne zu Grunde gelegt werden: - die via negationis bei Johannes vom Kreuz und Kasimir Malewitsch - die via paradoxia bei Nikolaus Cusanus und Josef Albers - die via symbolica bei Hildegard von Bingen und Wassily Kandinsky. Für den Rezipienten der Bilder gilt es, sich sowohl das jeweilige mystagogische Modell zu erschließen als auch das jeweilige künstlerische Werk mit den diesen zu Grunde liegenden theoretischen Implikationen zu betrachten, um von hierher die Text-Bild-Transformationen zu erfassen und die Wegmotive abzuschreiten. Dass sich zwischen Mystagogen und Künstlern sowohl oszillierende transsignifikante Bedeutungsinhalte ausmachen als auch Analogien und Homologien im Prozess der jeweiligen Bild-Text-Produktion und Rezeption beobachten lassen, zeigt schließlich die Unerlässlichkeit kontextbezogener Werkinterpretationen. Rezeption als Meditation versteht sich damit als eine methoden- und disziplinübergreifende umfassende Bildhermeneutik, die Mystologie und Kunstwissenschaft in gleicher Weise dient.