Zum Wandel des wissenschaftlichen Subjekts
Von kritischer Wissensschöpfung zum postkritischen Selbstmanagement?





Von kritischer Wissensschöpfung zum postkritischen Selbstmanagement?
Zur Kritik an einer geistfundierten Sprachtheorie
John R. Searle ist ein Klassiker der linguistischen Pragmatik. Traditionell wird er als Sprechakttheoretiker mit einem sozial-interaktiven und handlungsorientierten Sprachbegriff in Verbindung gebracht. Er befindet sich in einer Ahnenreihe mit Sprachtheoretikern wie Austin oder Wittgenstein. Quer zu dieser traditionellen Perspektive unterzieht Sybille Krämer ihn in einer instruktiven Studie einer anderen Interpretation: Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Searle, als Vertreter eines sprachlichen ?Zwei-Welten-Modells?, einen ?autonomen? Sprachbegriff vertritt. In dieser Hinsicht zeigt seine Sprachtheorie mehr Gemeinsamkeiten mit den strukturalistischen Sprachtheorien de Saussures und Chomskys als mit traditionellen Theorien der linguistischen Pragmatik. 0Robert Niemann schlägt in diesem Essay eine Lesart vor, die von diesen beiden Perspektiven abweicht und die Searle insofern in einem neuen sprachtheoretischen Licht erscheinen lässt: Es wird Searles Sprachverständnis unter systematischer Berücksichtigung von dessen geistphilosophischen und gesellschaftstheoretischen Überlegungen behandelt. In diesem Zusammenhang werden vor allem Searles naturwissenschaftlicher Zugriff auf Geistphänomene kritisch erörtert sowie die daraus folgenden Konsequenzen für das Sprach- und Gesellschaftsverständnis aufgezeigt und hinterfragt. 0Auf dieser Grundlage wird schließlich, unter produktiver Hinzunahme des Krämer?schen Zwei-Welten-Ansatzes und über diesen hinaus, ein Sprachbegriff herausgearbeitet, der vor dem Hintergrund eines ?Weltenpluralismus? bzw. einer ?Weltenkette? zu denken ist. Searles Sprachbegriff wäre demnach nicht als ?autonom? und ?entkörpert? (Krämer) zu betrachten, sondern vielmehr als heteronom und repräsentational sowie schließlich grundlegend körperorientiert
Rhetorische Menschenführung in der Coronapandemie
Der Coronadiskurs war im Kern gekennzeichnet durch einen Fokus auf Zahlen, Daten und statistische Kurven. Wissenschaftliche Prognosen und Modellierungen beherrschten das alltägliche Leben. Der prognostische Blick in die pandemische Zukunft war dabei maßgebend für weitreichende gesellschaftspolitische Entscheidungen.0Robert Niemann geht in seinem Essay der These nach, dass die Coronapandemie im Zuge dieser Zentralstellung des Prognostischen einen neuartigen wissenschaftlichen Subjekttyp hervorgebracht hat, den Prognostischen Propheten. Dieser ist Wissenschaftler und öffentlichkeitswirksamer Popstar zugleich und sein Sprechen richtet sich auf eine düstere, beängstigende Zukunft. Wie ein Prophet weist er den Menschen den Weg durch die pandemische Katastrophe und sorgt dafür, dass sie der prognostizierten Modellierung Glauben schenken und ihm folgen. Das Zukunftssprechen ist in diesem Sinne nicht nur reine populärwissenschaftliche Vermittlung, sondern vor allem auch eine machtvolle Form subtiler pandemischer Menschenführung.0Diese neuartige Form einer rhetorischen Führungstechnik wird in diesem Essay exemplarisch am Sprechen Christian Drostens in seinem Corona-Podcast herausgearbeitet. Sie ist möglicherweise auch eine Folie für kommende Katastrophen, die mit wissenschaftlicher Expertise kommunikativ begleitet werden
Wer frei ist von Vorurteilen, werfe den ersten Stein! Dann doch lieber gleich das volle Bekenntnis, dass es sich mit Vorurteilen besser lebt. 'Man unterschätze nicht den praktischen Wert eines Vorurteils. Denn ein Vorurteil ist wie ein Stadtplan von Chemnitz, mit dem man in Bremen den Weg zum Bahnhof findet.' Der Satiriker Robert Niemann nimmt in seinen Glossen nicht nur alle möglichen Ressentiments aufs Korn, sondern ergründet die Psychologie des Vorurteils und entwirft ein ganzes System, wie ein Mensch dank seiner Vorurteile erfolgreich durchs Leben kommen kann.
Handlungstheoretische Überlegungen zu wissenschaftlicher Textproduktion