Schuld und Unschuld in moralischen Extremsituationen
Wer in moralischen Extremsituationen bestimmte Mittel - Tötungen, Folter, Lüge, Korruption - verwendet, um seine Ziele zu erreichen, holt sich «schmutzige Hände». Diese stehen für die Schuld oder Scham der Handelnden, aber bisweilen auch für die Bereitschaft, «sich die Hände schmutzig zu machen», also für mutige oder heroische Taten. Es gibt somit nicht die eine «Moral der schmutzigen Hände». Die Konnotation und ethische Einschätzung sind abhängig von der jeweiligen Handlung und ihrem Kontext und den angewandten ethischen Kriterien. Um Schuld und Unschuld in Dilemmasituationen geht es in diesem Band.
Zur ethischen Einordnung einiger Fragen der Sexual- und Beziehungsmoral sowie der politischen Ethik
149 Seiten
6 Lesestunden
"Bezüglich Lehre und Praxis der Kirche empfindet man vielfach einen Mangel an Barmherzigkeit, vor allem da, wo ein Handeln gemäß der traditionellen Lehre für die Betroffenen eine erhebliche Belastung bedeutet. Im Brennpunkt stehen dabei besonders wiederverheiratete und homosexuelle Menschen, denen sexuelle Enthaltsamkeit zugemutet wird. Da es für solche Zumutung aber starke Argumente geben müsste, sind die vor allem mit Rekurs auf die Bibel vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Falls diese aber der Überprüfung nicht standhalten, geht es nicht um Barmherzigkeit, sondern um Gerechtigkeit für die Betroffenen. In anderem Kontext kann der Ruf nach Barmherzigkeit der Bagatellisierung von Unrecht und Schuld dienen. Im Fall der kalabrischen Mafiosi hat Papst Franziskus diese für exkommuniziert erklärt, gegen Plädoyers für Barmherzigkeit von anderer Seite. Dabei umfasst die Rede von der Barmherzigkeit durchaus unterschiedliche Handlungsweisen, die jeweils einer gesonderten ethischen Beurteilung bedürfen. Auch das neuerdings vielfach bemühte Gesetz der Gradualität versucht, ethischen Rigorismus abzumildern und so auf diese Weise eine Art Barmherzigkeit zu ermöglichen, ohne eine 'Gradualität des Gesetzes' zu proklamieren. Sollte dieser Versuch freilich misslingen, ginge es auch hier eher um Gerechtigkeit"--Page 4 of cover