Lebenswelt und Didaktik
Unterricht mit sogenannten ‚verhaltensauffälligen‘ Jugendlichen auf der Basis ihrer (alltags-)ästhetischen Produktionen





Unterricht mit sogenannten ‚verhaltensauffälligen‘ Jugendlichen auf der Basis ihrer (alltags-)ästhetischen Produktionen
Für eine Transformation von Pädagogik und Gesellschaft
Die Zunahme der durch die »Neue Steuerung« des Bildungssystems produzierten emotionalen und sozialen Problematiken in Schule und Gesellschaft ist evident. Die Antwort darauf liegt jedoch nicht in einer präziseren sonderpädagogischen Diagnostik, Förderung und Intervention, sondern im Umbau von Schule, Universität und Gesellschaft. Joachim Bröcher plädiert für eine selbstgestaltete Bildungspflicht, ein bedingungsloses Grundeinkommen, die Gründung von selbstbestimmten Community-Projekten (in denen gearbeitet, gelernt und gelebt wird) sowie eine handlungsorientierte, philosophische Pädagogik. Die »Kontrollgesellschaft« (Gilles Deleuze) verwandelt sich so in eine Zivilgesellschaft der Entrepreneur*innen
Erfolgreiche ästhetisch-gestalterische Verfahren in (sonder-)pädagogischen Handlungsfeldern
Die Kunst in der Pädagogik wird unterschiedlich bewertet: für einige ist sie von zentraler Bedeutung, für andere kaum relevant. Dennoch transportiert sie wichtige Freiheitserfahrungen und Handlungspotenziale, die Individuen helfen können, herausfordernde Lebenslagen zu überwinden. Joachim Bröcher präsentiert in seinen Praxis-Variationen Konzepte der Pädagogischen Kunsttherapie, die von Hans-Günther Richter und Karin-Sophie Richter-Reichenbach entwickelt wurden. Die Ansätze decken ein breites Spektrum in der Integrations- und Sonderpädagogik ab, von geistiger Behinderung bis Hochbegabung, und umfassen integrative Regelschulen, Sonder- und Förderschulen sowie internationale Sommercamps. Es werden verschiedene Arbeitsweisen vorgestellt, die von subjekt- zu kunstorientierten Methoden reichen, einschließlich traditioneller künstlerischer Verfahren und computergestützter Bildbearbeitung. Die Kooperation mit Künstlern und die Vielfalt der Kunstunterrichtsformen werden ebenfalls thematisiert. Bröcher behandelt sowohl freie als auch strukturierte Verfahren, gestalterisch orientierte Diagnostik sowie fächerübergreifende Projekte und Kunstaktionen. Abschließend werden Transformationen in signifikanten Lernprozessen beleuchtet, die sich am kunsttheoretischen Konzept des Möglichkeitsfeldes orientieren.
Sonderschullehrer in der Lern- und Erziehungshilfe benötigen neben wissenschaftlichem Hintergrund und solidem didaktischem Handwerkszeug vor allem Strategien der „Sorge um sich“ (Foucault). Das zu beherrschende Repertoire umfasst nach Joachim Bröcher Verstehen, Intervention, Motivation, Verantwortung, Kooperation, Diskurs, Bewegung, Gelassenheit und Achtsamkeit. Unter anderem wird eine Fülle an Episoden aus Grund-, Haupt- und Sonderschulen präsentiert. Das Heiter-Ermutigende und das Kritisch-Desillusionierende halten sich dabei die Waage. „So logierte ich in einem Hotel in La Spezia, zu einigen Wanderungen im Gebiet der ‚Cinque Terre‘. Eines morgens wollte der Besitzer wissen, ob der ‚dottore‘ Arzt sei? Ich gab mich als Sonderschullehrer zu erkennen und er entgegnete voller Pathos: ‚Questa professione è una vocazione, una passione…‘, womit er es getroffen hatte. Es handelt sich in der Tat um einen unvergleichlichen Beruf. Der ergraute ‚signore‘ schien mir die Tage des ‚dolce vita‘ von Herzen zu gönnen.“
Kunsttherapeutisches Verstehen und Intervenieren bei auffälligem Verhalten an Grund- und Sonderschulen