"Losbücher gehören zu den beliebtesten und vielseitigsten Gattungen der frühen Druckzeit. In den meisten dieser Bücher wird durch einen Zufallsmechanismus ein Spruch ermittelt, der dem Losenden eine horoskopartige Auskunft über seine Zukunft gibt. Das Straßburger Kartenlosbuch ist ein in vielerlei Hinsicht herausragender Vertreter dieser Gattung und dies nicht zuletzt deshalb, weil es an einer prognostischen Zukunftsverkündung gar nicht interessiert ist, sondern der geistlichen Unterweisung dient. Wer das Straßburger Kartenlosbuch heute zur Hand nimmt, kann den Text natürlich mit philologischem Interesse verfolgen und ihn in gewohnter Manier von Anfang bis zum Ende lesen, er kann sich aber auch auf den Mechanismus des Buches einlassen und mit Hilfe eines Stapels von Karten spielerisch in die Welt seiner Lehren eintauchen. Denn was vielleicht auf den ersten Blick wie trockene moralische Unterweisungen erscheint, wird im Akt des Spielens zur lebendigen Lehre, der sich der Leser bis heute nicht entziehen kann: Auf unterhaltsame Weise vermittelt das Losbuch die Grundlagen des christlichen Glaubens, von den Seligpreisungen über die zehn Gebote bis hin zu den Gaben des Heiligen Geistes." --
Björn Reich Bücher



Wissen, maßgeschneidert
Experten und Expertenkulturen im Europa der Vormoderne
- 329 Seiten
- 12 Lesestunden
Die Beiträge in diesem Band untersuchen die soziale Figur des Experten in der Vormoderne aus verschiedenen kulturwissenschaftlichen Perspektiven. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass Experten die soziale Verteilung und Hierarchisierung von Wissen repräsentieren und durchsetzen. Sie fungieren als Träger besonderen Wissens, an die sich Akteure in Problemsituationen wenden können. Experten bieten maßgeschneidertes Wissen zur Problemlösung, was einerseits die Bewältigung von Herausforderungen erleichtert, da man nicht alles wissen muss. Andererseits führt das Vertrauen in Experten dazu, dass Akteure das Gefühl haben, ihre Handlungsautonomie aufzugeben. Experten werden somit zu Sündenböcken, da man von ihnen erwartet, die Welt zu vereinfachen, während sie gleichzeitig einflussreiche soziale Rollen einnehmen. Wenn die Realität jedoch komplexer ist oder durch Experten komplizierter wird, geraten sie in die Schusslinie der Kritik. Diese Kritik kann kulturell produktiv sein und als Reflexionsmodus über Wissensordnungen, Machtverteilungen und Institutionen dienen, wodurch neue Rollentypen und Institutionen entstehen. Der Band beleuchtet diese sozialen Dynamiken und bietet neue Perspektiven auf Expertenkulturen, die bisher von feuilletonistischen Debatten geprägt waren. Ziel ist es, die zeitlich verengte Sicht auf Experten zu erweitern und aufzuzeigen, dass das ambivalente Verhältnis von Expertenvertrauen und -kritik seit dem 12. Jahrhund
Name und maere
- 427 Seiten
- 15 Lesestunden
Die mittelalterliche Verwendung von Eigennamen wird innerhalb einer topisch-dialektischen Poetik verortet. Namen als Sprachpartikel mit höchster Intensität formieren einen festen Bestandteil von Ekphrasen und dienen als topische Zentren, so dass es verfehlt wäre, die vielfältigen Namensspiele als 'ornamenta' abzutun. Dies wird nicht nur durch die hohe Namensfrequenz in den Texten evident. Genealogien, Mnemotechniken, Magie, Intertextualität oder Gattungsprobleme - all diese Themenfelder werden durch Betrachtung der Namen erhellt. Dabei sollen keine Namenssystematiken entworfen, sondern ihre grundlegende Stellung in der mittelalterlichen Poetik geklärt werden. Für sich bedeutet ein Name nichts und stellt nur eine Referenzbeziehung zu einer Figur her. Wirksam wird er in Verbindung mit dem maere - beide bedingen sich gegenseitig - und daher kann es keine Analyse der Namen ohne Gesamtdeutung der zugehörigen Texte geben, wie die Untersuchungen zum 'Meleranz', 'Göttweiger Trojanerkrieg' und 'Wolfdietrich D' zeigen.