Jörn Rüsen ist ein deutscher Historiker und Kulturtheoretiker, dessen Werk sich auf die Interpretation der Vergangenheit und die Formierung historischen Bewusstseins konzentriert. Rüsen untersucht, wie Menschen und Gesellschaften ihre Vergangenheiten verstehen und erzählen, und analysiert, wie diese Narrative die Gegenwart prägen. Sein Ansatz zeichnet sich durch ein interdisziplinäres Geschichtsverständnis aus, das historische Wissenschaft mit Kulturwissenschaften und Philosophie verbindet. So bietet er tiefe Einblicke in die Dynamik des historischen Denkens und seine Rolle bei der Identitätsbildung.
Der Begriff des Sinns steht überall im Hintergrund des geschichtswissenschaftlichen Forschens, der Geschichtstheorie und -didaktik. In diesem Band wird dieser Begriff umfassend und in allen seinen Dimensionen entfaltet und dargestellt und zu einer Theorie der Geschichtskultur erweitert.
Der Band präsentiert eine umfassende Analyse der grundlegenden Fragestellungen der Historik sowie des historischen Denkens. Er beleuchtet verschiedene Perspektiven und Ansätze, die das Verständnis von Geschichte prägen, und bietet somit wertvolle Einsichten für Studierende und Interessierte der Geschichtswissenschaft. Die Vielfalt der Themen ermöglicht es, die Komplexität und die Herausforderungen der historischen Forschung zu erkennen und zu diskutieren.
Der Umgang mit verstörenden historischen Erfahrungen und die Komplexität der historischen Identitätsbildung in modernen Gesellschaften stehen im Mittelpunkt der Analyse. Das Buch beleuchtet zentrale Themen der Geschichtskultur und entwickelt eine zeitgenössische Theorie der historischen Bildung, die die Herausforderungen und Chancen der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit in der heutigen Zeit thematisiert.
Der Historiker Jörn Rüsen steht in der Tradition Johann Gustav Droysens. Er fügt phänomenologische, wissenschaftstheoretische, erkenntnistheoretische, methodologische, geschichtsphilosophische, erzähl- und kulturtheoretische Überlegungen in einen einheitlichen Argumentationszusammenhang, der den Grundlagen, dem Status und der Funktion des historischen Denkens gewidmet ist. Die anthropologisch-universellen Grundlagen dieses Denkens werden ebenso dargelegt, wie der innere Aufbau der Geschichtswissenschaft als kognitives Gebilde und dessen kulturelle Funktion in der menschlichen Lebenspraxis erörtert werden. Zentraler Gesichtspunkt der Theorie ist der »Sinn« dessen, was als Geschichte erkannt wird, und damit verbunden der Sinn des historischen Denkens im Allgemeinen und in seiner Form einer modernen Kulturwissenschaft im Besonderen. Rüsens anthropologisch fundierte Darstellung der theoretischen und methodischen Grundlagen der Geschichtswissenschaft nimmt eine Mittelstellung zwischen modernem Wissenschaftlichkeitsanspruch und postmodernem Konstruktivismus ein.
Nur im Spiegel einer Kultur, in der sich menschliche Sinnbildung als ein Ganzes darstellt, ist auszumachen, was es heißt, ein Mensch zu sein. Wie sich dieser Sinnbildungsprozess in den verschiedenen Lebensbereichen gestaltet, steht im Blickfeld der vorliegenden Betrachtungen. Den Anfang macht das historische Denken in seinen unterschiedlichen Ausprägungen. Über die Frage der Aneignung geschichtsphilosophischer Traditionen gelangt der Autor zur Erinnerungskultur der Bundesrepublik und deren Reflektionen in der Geschichtswissenschaft sowie der Geschichtsdidaktik. Dem wissenschaftlichen Denken als Teil einer Kultur, der es sich forschend und denkend zuwendet, gilt anschließend das Interesse. Es soll selbst als kulturelle Tätigkeit und damit seine Lebensdienlichkeit plausibel gemacht werden. Dabei wird unter anderem nach dem Sinn und Zweck kulturwissenschaftlicher Studien gefragt. Der Bogen sinntheoretischer Überlegungen wird jedoch noch weiter gespannt. Problematisiert wird auch, wie der Mensch mit der Erfahrung der Zeit umgeht und wie aus Zeiterfahrung Sinn gebildet wird. Dazu wird ein umfassender typologischer Deutungsversuch vorgelegt. Zuletzt erweitert sich der Horizont um andere Bereiche der Kultur, wie Religion und Utopie, und deren sinnstiftendes Potential. So entsteht ein weites und differenziertes Spektrum der geistigen Vorgänge, in denen der Mensch über sich selbst und seine Umwelt verstehend und deutend reflektiert.
Diesem Buch liegt die Absicht zugrunde, ein neues Verständnis der Eigenart und Funktion des Utopischen zu finden – nach dem sogenannten ›Ende der Utopie‹, das an der Epochenschwelle 1989 verkündet wurde. Utopien als programmatische Handlungsanweisungen sind gescheitert und haben sich als höchst problematisch, letztlich in Terror mündend, herausgestellt. Die Frage ist aber, ob mit dieser negativen historischen Erfahrung von ›Realutopien‹ die Eigenart des Utopischen historisch schon hinreichend ausgemacht worden ist. Alles menschliche Handeln erfolgt in Orientierungen, und man wird in allen kulturellen Orientierungen immer auch Elemente des Überschwenglichen identifizieren. Überschwenglich in dem Sinne, daß die Absichten der Menschen über die gegebenen Umstände und Bedingungen ihres Handelns radikal hinausgehen und ein ganz Anderes von Welt und Mensch entworfen wird. Diese Überschwenglichkeit ist ein fundamentales und vermutlich anthropologisch universelles Element der Stimulation menschlicher Daseinsorientierung. Es geht darum, das an dieser Überschwenglichkeit anzusprechen und auszulegen, was an ihr als spezifisch utopisch qualifiziert werden kann, sowie die Möglichkeit zu eruieren, utopisches Denken aus den Zwängen und Restriktionen der Handlungsanweisung oder des Realutopischen zu befreien und ihm eine Ursprünglichkeit wiederzugeben, mit der es auf neue Weise handlungsstimulierend wirken kann, ohne desaströs zu werden.
Zeiterfahrung gehört zu den Grundgegebenheiten des Menschseins. Der Mensch erfährt Zeit im Wandel seiner Welt und in den Tiefen seiner Selbst, als Fluch der Natur und als Leistung seines Geistes. Er kann die Zeit nicht so lassen, wie sie ihm geschieht, und er kann sich doch nicht bei dem beruhigen, was er mit ihr macht. Indem er sich kulturell deutend mit ihr auseinander setzt, erhebt er sich über die Zeit, versucht sie zu bannen und zu beherrschen, aber immer bleibt er ihrem Wandel unterworfen. Interdisziplinär gehen in diesem Band Philosophen, Historiker, Ethnologen, Juristen, Kulturwissenschaftler, Kunsthistoriker und Museumsfachleute der Frage nach, wie dies geschieht. Neben einem systematisch-theoretischen Teil, der den Grundlagen von Zeitdeutungen nachspürt, wird anhand von ethnologischen Fallstudien, historischen Untersuchungen und Gegenwartsanalysen gezeigt, wie divergierende Zeitdimensionen kompatibel gemacht werden, wie Zeitkonzepte sinnbildend wirken und wie Zeitdeutungen sich repräsentieren. Das Buch gibt also einen breiten Überblick über die Vielfalt und Unterschiedlichkeit von Zeitwahrnehmungen und Zeitdeutungen in verschiedenen Epochen und Kulturen, und zugleich auch einen Überblick darüber, welchen Beitrag die Kulturwissenschaften zur Zeitdeutung leisten.
Die Geschichte steht in der bewegten Zeit unserer Gegenwart ständig zur Disposition unserer Deutung. Die vier Essays dieses Buches nähern sich auf unterschiedliche Weise diesem Thema. Sie werfen die alte Frage nach dem Endzweck der Geschichte in der neuen Perspektive einer Ethik des historischen Denkens auf. Dabei treten zwei aktuelle Fragen in den Vordergrund: diejenige nach neuen Dimensionen der historischen Identität, insbesondere der des werdenden Europas, und diejenige nach einem Horizont des historischen Denkens, in dem es den globalen und interkulturellen Herausforderungen der Gegenwart erfolgreich begegnen kann.