Michail M. Bachtin (1885-1975) hat in diesem Werk in Auseinandersetzung mit der russischen und deutschen Ästhetik und dem Saussureschen Sprachbegriff eine eigene semiotische Literaturtheorie entwickelt. Entfaltet wird sie am Beispiel des Werkes von François Rabelais. Denn um diesen Klassiker der Weltliteratur zu verstehen, ist nach Bachtin eine grundlegende Neuformulierung (literar-)ästhetischer und kulturtheoretischer Fragestellungen erforderlich. Welches ist die Relation eines literarischen Werkes zu seinem Kontext? In welcher Beziehung steht es zu den kulturellen und literarischen Traditionen - bei Rabelais heißt dies: in welcher Weise hat die volkstümliche Lachkultur sein Werk geprägt?
Mikhail Bakhtin Bücher







Chronotopos
- 242 Seiten
- 9 Lesestunden
Als Michail M. Bachtins 1973 beendeter Essay zum Chronotopos erstmals in deutscher Übersetzung erschien, stand die Bachtin-Rezeption hierzulande ganz im Zeichen von Karnevalismus, Polyphonie und Dialogizität. Der Vorschlag des Autors, die Kategorie des Raums in der Romananalyse stärker zu gewichten, stieß auf vergleichsweise geringes Interesse. Aus heutiger Perspektive erweist sich sein Hinweis auf die untrennbare Einheit von Raum und Zeit im Roman als früher Beitrag zu einer Theorieentwicklung, die gegenwärtig als der spatial turn diskutiert wird. Die Wiederauflage des vergriffenen Essays Formen der Zeit und des Chronotopos im Roman mit einem Nachwort, das Bachtins »Raumzeit« theoriegeschichtlich kontextualisiert, möchte Anschlußmöglichkeiten für die aktuellen Raumdebatten in den Geschichts-, Sozial- und Literaturwissenschaften eröffnen.
Unser Band vereinigt Aufsätze, die in den Jahren 1919-1974 entstanden sind. Sie gelten dem ästhetischen Problem des Wechselverhältnisses von Inhalt, Material und Form in der Wortkunst, der Struktur- und Funktionsgeschichte des Wortes im Roman, dem Gegensatz von offizieller und inoffizieller Lachkultur bei Rabelais und Gogol sowie einer Kritik der strukturalistischen Literaturwissenschaft.
In diesem erstmals auf Deutsch veröffentlichten Frühwerk entwirft Bachtin eine »Erste Philosophie«, die auf der Basis einer Fundamentalkritik Kants, des Neokantianismus, der Phänomenologie und der Lebensphilosophie gegen jeden Apriorismus und Theoretismus in der Philosophie argumentiert. Bachtin spricht sich dagegen aus, Kunst und Leben gänzlich zu trennen, er stellt das »Seinsereignis« und die Beziehung von Ich und Anderem in den Mittelpunkt seines Denkens.
»Sprechgattungen« nennt Michail Bachtin die formale, stilistische, expressive und dialogische Organisation unserer alltäglichen Äußerungen. Für das vorliegende Buch wurde das von ihm 1953 verfasste Manuskript zum Problem der Sprechgattungen neu übersetzt und durch Notizen und Vorbereitende Materialien sowie zwei weitere Fragmente, die erstmals in deutscher Übersetzung vorliegen, ergänzt. Die Texte zeigen, wie Bachtin linguistische Debatten der 1920 er Jahre wieder aufnimmt und mit seinen Thesen zum fremden, dialogischen und polyphonen Wort ergänzt. So formuliert er – zumindest implizit – auch einen Beitrag zum Verhältnis von Dialogizität und Performativität.
Lachen befreit von der Angst, und Lachen macht Angst. Es ist weder kulturenübergreifend akzeptiert noch generationen- und epochenübergreifend verständlich. Satiren, Karikaturen, Parodien sind wieder verstärkt Auslöser für Zensur, Verbote, Gerichtsverfahren und Terrorakte. Dass Lachen Angst macht, zeigen vielfach die Reaktionen auf Michael Bachtins Studie über die Lachkultur in Mittelalter und Renaissance Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur: In der Sowjetunion wurde Bachtins Buch als Angriff auf die revolutionäre Kraft des Volkes und als Verharmlosung des Klassenkampfes gelesen. Im heutigen Russland gilt Bachtins Karnevalstheorie als Angriff auf die Kirche, die sich durch das karnevalistische Weltbild in ihren Grundfesten erschüttert sieht. Das Buch stellt Auszüge aus Bachtins Dissertationsverteidigung von 1946 in deutscher Erstübersetzung vor und macht damit anschaulich, wie eine wissenschaftlich-inhaltliche Diskussion über Bachtins Buch mit Forderungen nach Parteilichkeit in der Wissenschaft kollidiert.
Autor und Held in der ästhetischen Tätigkeit
- 356 Seiten
- 13 Lesestunden
Diese Frühschrift des fast schon klassischen russischen Kulturphilosophen Michail M. Bachtin, auf den so wichtige literaturtheoretische Konzepte wie Dialogizität, Polyphonie und Karnevalismus zurückgehen, ist der Schlüssel zu seinem gesamten Werk. Ihr Gegenstand ist ein bislang kaum untersuchtes Thema der Kunst- und Literaturwissenschaft: das Verhältnis zwischen dem Künstler bzw. Verfasser und der Hauptfigur – dem Helden – eines Werkes. Anhand dieses Verhältnisses erörtert der erst ein halbes Jahrhundert nach seiner Entstehung in russischer Sprache veröffentlichte Essay die philosophischen und kulturellen Voraussetzungen der Beziehung zwischen dem Ich und einem von ihm wahrgenommenen Anderen. Der Band enthält eine Einleitung, einen ausführlichen Kommentar sowie ein Nachwort der Herausgeber.