Vor dem Schreiben steht das Nichtschreiben – die Auseinandersetzung mit der Realität, die für Péter Nádas viele Dimensionen umfasst. Tägliche Reflexion über Träume, Alltagsbeobachtungen und ästhetische Erfahrungen ist für ihn unerlässlich, um zu beginnen. Diese Praxis hat neben seinen Erzählungen auch bedeutende Essays und Abhandlungen hervorgebracht, in denen er historische Verwerfungen und menschliche Abgründe beleuchtet. Die gesammelten Essays aus den Jahren 1989 bis 2014 reflektieren einen Zeitraum, der mit einem politischen Aufbruch in die Freiheit begann und mit einem Rückfall in den Populismus endete. Nádas analysiert, wie die Bürger Ungarns und anderer osteuropäischer Staaten erneut autoritär und nationalistisch regiert werden, und untersucht die Ursachen in den Katastrophen des 20. Jahrhunderts sowie in globalen Entwicklungen. Mit Scharfsinn und Leidenschaft thematisiert er anthropologische und moralische Fragen, Wahrheit und Lüge, Kunst und Verbrechen, Vertrauen und Täuschung. Ob es um die traumatische Erfahrung von Leni Riefenstahl, die osteuropäische Schattenwirtschaft oder die Folgen des 11. Septembers geht – sein intellektuelles Engagement verbindet sich stets mit literarischer Sensibilität.
Péter Nádas Bücher
Péter Nádas ist eine zentrale literarische Figur Mitteleuropas, bekannt für seine Romane, Essays und Dramen. Seine monumentalen Werke, die der Tradition von Proust und Thomas Mann folgen, tauchen tief in psychologische Landschaften ein und integrieren Elemente des magischen Realismus. Nádas kehrte der Journalistik und dem System nach 1968 den Rücken, um sich der Literatur zu widmen, eine Entscheidung, die er als Rettung seiner Seele bezeichnete. Sein Schreiben wird für seine intellektuelle Tiefe und seine einzigartige Auseinandersetzung mit der menschlichen Existenz geschätzt.







Die Titelerzählung ist eine Spurensicherung im Untergrund: In einer heruntergekommenen alten Villa in der Hügellandshcaft von Buda, in der sich eine Freundin Ende der 70er Jahre zur Sommerfrische eingemietet hat, identifiziert der Autor mit Hilfe von Fotos, Skizzen und Zeugenaussagen jene geheime Verhör- und Folterstätte der ungarischen Staatssicherheit, die von Béla Szász, einem der wenigen Überlebenden des ersten Schauprozesses in Ungarn, in seinen Erinnerungen (»Freiwillige für den Galgen«) als Ort seiner Gefangenschaft beschrieben worden war. Ein Haus des Schreckens, auf dessen einstige Bestimmung nur noch schalldichte Türen und vermauerte Zugänge, vor allem aber das bei den Verhören benutzte sechseckige Turmzimmer hinweisen... Aus einer Komposition von erzählenden und dokumentarischen Texten, Fotos und persönlichen Notizen lässt Péter Nádas ein eindrückliches Bild des osteuropäischen Lebensgefühls nach dem Scheitern der Reformbewegungen entstehen.
Die Ende der 80er Jahre entstandene Dramentrilogie des ungarischen Schriftstellers Péter Nádas ist geprägt von seinen Erfahrungen mit Unterdrückung und Zensur. Die poetische Dichte ihrer theatralischen Bilder hebt die Stücke jedoch über zeitliche, historisch-politische Grenzen hinaus. «Hausputz» ist eine szenische Phantasie über die Gier nach Leben und die Gefahr ihrer Erstickung. In «Begegnung», einem erotischen Opfer-Täter-Text, durchlaufen eine alte Frau und ein junger Mann gemeinsam einen alptraumartigen Erinnerungsprozeß, und in «Beerdigung» versuchen sich Schauspieler und Schauspielerin über den Särgen ihrer Vergangenheit im freien Spiel von Rollentausch, Darstellung und Selbstbehauptung. Der Band beginnt mit einem fiktiven Interview über Fragen zum Theater, das Nádas mit sich selbst geführt hat, und endet mit Ausschnitten aus seinem Tagebuch über die Uraufführungsproben von «Hausputz».
Ein ungarischer Schriftsteller, der auf dem Lande lebt, beschreibt den Lauf eines Jahres; manchmal hat er das Gefühl, es könnte sein letztes sein. Peter Nádas hat nach seinem vielgerühmten „Buch der Erinnerung“, das einer ganzen Epoche Stimme verlieh, ein leichtes, lyrisches Buch der Gegenwart geschrieben.
Péter Nádas’ neuer Roman ist ein unerwartetes Geschenk. Sprachgewaltig und vielstimmig erzählt er das Leben eines Dorfes am Fluss mit all seinen Bewohnern: Da sind die großen Bauern wie die Tagelöhner, der Priester und der evangelische Pfarrer, ein geistig behindertes Mädchen, eine junge Mutter, der Schäfer des Dorfes, der Lehrer, eine Frau, die Jahrzehnte zuvor unwiderruflich in Schande geriet, ein vom Teufel besessener Bäcker, dazu entwurzelte Aristokraten und Grandes Dames auf Landpartie. Ein Panoptikum von Figuren, getrieben von Missgunst und Bosheit. Und um die Menschen des Dorfes herum: Gespenster. Im Verlauf weniger Tage begegnen uns namenloses Elend, Schwäche, Abhängigkeit und Gewalt, in einer Welt, die an Céline und Tschechow erinnert, in der Sprache sich in ihr Gegenteil verwandelt, die Unfähigkeit zu sprechen. Rohe Gier und plötzliche Großmut wechseln einander ab, während dämonische Triebkräfte die Leben der Menschen chaotisch steuern. Dabei fließt die Erzählung ruhig dahin, schlägt Bögen, versammelt immer mehr Orte und Akteure und trägt uns ohne Aussicht auf Rettung einem alles umfassenden Unheil zu.
Die exilierte Sprache
- 200 Seiten
- 7 Lesestunden
Imre Kertesz äußert sich in Essays und Reden zur ethischen und kulturellen Bedeutung des Holocaust sowie zum totalitären 20. Jahrhundert. Die gesammelten Texte reflektieren über Überleben, Exil, die Wende und ein zu erneuerndes Europa und zeigen sein unerbittliches Nachdenken über diese Themen.
Christina Viragh, geboren 1953 in Budapest, wuchs in der Schweiz auf und lebt heute als Autorin und Übersetzerin in Rom. Sie ist korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und Übersetzerin von Péter Nádas, Sándor Márai, Imre Kértesz, Henri Alain-Fournier und anderen. 2012 gewann sie den Preis der Leipziger Buchmesse in der Rubrik „Übersetzungen“, den Europäischen Übersetzerpreis und, zusammen, mit Péter Nádas, den Brücke-Berlin-Preis. Péter Nádas, 1942 in Budapest geboren, ist Fotograf und Schriftsteller. Bis 1977 verhinderte die ungarische Zensur das Erscheinen seines ersten Romans «Ende eines Familienromans» (dt. 1979). Sein «Buch der Erinnerung» (dt. 1991) erhielt zahlreiche internationale Literaturpreise. Zuletzt erschienen der große Roman «Parallelgeschichten» und seine Memoiren eines Erzählers: «Aufleuchtende Details». Unter anderem wurde Nádas mit dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur (1991), dem Kossuth-Preis (1992), dem Leipziger Buchpreis für Europäische Verständigung (1995) und dem Franz-Kafka-Literaturpreis (2003) ausgezeichnet. 2014 wurde ihm der Würth-Preis für Europäische Literatur verliehen. Péter Nádas lebt in Gombosszeg.
«Die Hoffnung muss mit der Angst Hand in Hand gehen, und auch die Angst kann nicht anders, sie fasst die Hoffnung bei der Hand.» Die splitternackte schwarze Frau, die sich bei frostklirrender Kälte auf dem Bürgersteig wäscht, und die New Yorker eilen mit hochgeklapptem Kragen vorbei. Zwei Männer und eine Frau, die in einem Pariser Park die immer gleichen Runden drehen, und mit ihnen läuft ein geheimes Leben. Der in einen Müllsack gehüllte Bettler, der, wie in einem rituellen Tanz, ununterbrochen brüllend herumhopst – solche einprägsamen sozialen Bilder, Freiheitsübungen eben, notiert Péter Nádas heute, nach seinem Leben in der Diktatur. Meisterhafte Miniaturen aus drei Jahrzehnten: philosophisch, präzise und formvollendet.
Buch der Erinnerung
- 1015 Seiten
- 36 Lesestunden
Péter Nádas, 1942 in Budapest geboren, ist Fotograf und Schriftsteller. Bis 1977 verhinderte die ungarische Zensur das Erscheinen seines ersten Romans «Ende eines Familienromans» (dt. 1979). Sein «Buch der Erinnerung» (dt. 1991) erhielt zahlreiche internationale Literaturpreise. Zuletzt erschienen der große Roman «Parallelgeschichten» und seine Memoiren eines Erzählers: «Aufleuchtende Details». Unter anderem wurde Nádas mit dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur (1991), dem Kossuth-Preis (1992), dem Leipziger Buchpreis für Europäische Verständigung (1995) und dem Franz-Kafka-Literaturpreis (2003) ausgezeichnet. 2014 wurde ihm der Würth-Preis für Europäische Literatur verliehen. Péter Nádas lebt in Gombosszeg.
Aufleuchtende Details
Memoiren eines Erzählers
Dies sind Péter Nádas’ Lebenserinnerungen. Er folgt darin den «aufleuchtenden Details» der Geschichte seines Aufwachsens und Lebens im bewegten 20. Jahrhundert und formt, wie in seinen großen Romanen, mit seiner erzählerischen Gedächtniskunst eine zutiefst sinnliche, nachhaltige Erfahrung der großen Schicksalswendungen eines Kontinents im gewaltsamen Umbruch. Während Peter Nádas' Mutter am 14. Oktober 1942 in Budapest mit der Straßenbahn zur Entbindung fährt, liquidiert ein Einsatzkommando das Getto in Mizocz, Anne Frank zeichnet das Gewicht jedes Familienmitglieds auf, Jan Karski übermittelt in den Pyrenäen der polnischen Exilregierung Nachrichten des Widerstands, und Viktor Klemperer erhält in Dresden kein Brot. Jedes Ereignis, so Nádas, wirkt auf alle anderen Ereignisse ein – ob in der Politik oder der privaten Lebensgeschichte. Es sind jene Momente, die Geschichte fassbar machen und Erinnerung konstituieren – eben die „aufleuchtenden Details“. Deren weitgespannten Verflechtungen folgen Péter Nádas' Memoiren nicht chronologisch, sondern assoziativ, wie in seinen großen Romanen. Und durch jede einzelne Episode zieht sich die geheime Frage: Wie bin ich zu dem geworden, der ich bin, wenn jede persönliche Erinnerung, jede Prägung, untrennbar mit Geschichte verstrickt ist? Wenn jeder Moment des Lebens nur die Spitze eines Eisbergs ist?