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Jean-Luc Nancy

    26. Juli 1940 – 23. August 2021

    Jean-Luc Nancy war emeritierter Professor für Philosophie, dessen Werk sich mit den fundamentalen Fragen der Existenz, des Sinns und der menschlichen Verfasstheit auseinandersetzt. Seine Schriften erforschen das Wesen des Seins und seine Beziehung zur Welt, wobei er sich auf Themen wie Freiheit, Präsenz und Pluralität konzentriert. Nancys Ansatz zeichnet sich durch seine Tiefe und die nuancierte Untersuchung komplexer philosophischer Konzepte aus. Seine Beiträge laden die Leser ein, über die wesentlichen Aspekte der menschlichen Erfahrung und des Lebenssinns nachzudenken.

    Ausdehnung der Seele
    Der Sinn der Welt
    Es gibt - Geschlechtsverkehr
    Die Mit-Teilung der Stimmen
    Die fragile Haut der Welt
    Der Eindringling
    • „Ich bin die Krankheit und die Medizin, ich bin die kanzeröse Zelle und das verpflanzte Herz, ich bin die Immunsystem schwächende Kraft. ich bin die Enden der eisernen Fäden, die meinen Brustkorb zusammenhalten und die Einspritzöffnung, die für den Rest meines Lebens unterhalb meines Schlüsselbeins angebracht ist, so wie ich früher bereits die Schrauben in meiner Hüfte und die Platte in meinem After war.“

      Der Eindringling
    • Wie jenseits dessen, was wir als Geschichte und Fortschritt, Gegenwart und Zukunft bezeichnen und kaum mehr anders als aus der Warte einer von Technologie und Ökononomie überdehnten Welt wahrnehmen, ein Kommendes denken?Die hier versammelten Texte befragen die Zeitlichkeit unserer Welt entlang anderer Grenzen und Ufer, Ränder und Säume und finden im Abtasten der »fragilen Haut der Welt« eine Endlichkeit, die man als »singulär« bezeichnen könnte: eine Endlichkeit, die sowohl ihre vereinzelte Pluralität als auch ihre unendliche Wahrheit ausmacht und deren Offenheit erst noch zu entwerfen sein wird.

      Die fragile Haut der Welt
    • »Die Mit-Teilung der Stimmen« schließt mit einer Kundgabe, die öffnet: »Die Zeit ist vielleicht gekommen, um gänzlich auf die gründende oder teleologische Logik der Gemeinschaft zu verzichten, um auf das Interpretieren unseres Beisammens zu verzichten, um stattdessen zu verstehen, was dieses Beisammen nicht ist, soweit es ist, als das Mit-Geteilt-Sein des göttlichen ›logos‹.« 30 Jahre nach Erscheinen der französischen Ausgabe spricht uns diese vorsichtige Kundgabe, dieser Ruf, dringlicher denn je an, und was sie »freigibt«, ist die Darstellung einer »Kommunikation« als »Mit-Teilung«, die die geschlossenen Konstrukte idealisierter Kommunikation nicht nur deformiert und öffnet, sondern auch zeigt, dass die Mit-Teilung »ursprünglicher« ist. Was sie aber so freigibt, ist frei von Vorgaben und wäre nichts, sinnlos, stünde es nicht zur Diskussion und offen einem anderen »Mund«, anderen Sprachen, Akzentuierungen, Modulierungen und dem hermeneuein selbst gegenüber.

      Die Mit-Teilung der Stimmen
    • Jean-Luc Nancy setzt sich und die abendländische Philosophie dem berühmten, provozierenden Axiom von Jacques Lacan aus: »Es gibt keinen Geschlechtsverkehr«. Nancy ergründet dabei die Vielzahl an Implikationen, die im französischen Wort für das Verhältnis – rapport – mitschwingen und eröffnet so dem Leser eine reiche Palette an Lektüremöglichkeiten des paradoxen Satzes, dem zufolge es keinen Geschlechtsverkehr gibt, wo doch überall und täglich Geschlechtsverkehr stattfindet. Auf diesem Wege gelangt Nancy zu einem Begriff von Sexualität, der sich in der immer weiteren Differenzierung des Verhältnisses artikuliert, was nicht zuletzt seinen eigenen Text zu einem eminent sexuellen macht.

      Es gibt - Geschlechtsverkehr
    • Der Ruf nach Leitbildern, die Forderung nach Sinn – gemeinhin ist es dies, was dem Philosophen entgegengehalten wird. »Wir leben davon, der Preisgabe des Sinns ausgesetzt zu sein«: Diese zunächst so rätselhafte Wendung Jean-Luc Nancys beschreibt unsere Existenz in einer Welt, die keine Heimstatt, sondern eine Welt des abwesenden Sinns ist. Das Projekt einer Wendung der Dekonstruktion ins Politische, das Nancy seit Jahren mit großer Hartnäckigkeit und radikaler Genauigkeit bis in feinste sprachliche Verästelungen verfolgt, fokussiert sich in »Der Sinn der Welt« vor dem Hintergrund einer immer übermächtigeren, »weltweit werdenden« Globalisierung, die kein Außerhalb mehr zulässt. Die in diesem Band versammelten Texte bewegen sich entlang bislang ungedachter Krisen, Kriege und Konflikte, eines wilden Überschießens der Technik, eines neuen Denkens von Natur und Ökologie, von Mondialität und Immondialität – Abfällen, Müll, Trash – und schließlich Kunst und Sprache. Doch Nancy schreibt den Sinn fort, in gewisser Weise als Fahrt zu den Grenzen des Raums und entlang dieser Grenzen: Und so gilt es, angstfrei den Boden unter den Füßen zu verlieren und das Ende der Philosophie als Auftrag des Denkens zu bejahen.

      Der Sinn der Welt
    • Der Band vereint verstreute Texte, in denen Jean-Luc Nancy sich mit dem Themenfeld von Körper und Leib beschäftigt. Mal fragmentarisch verdichtet, mal in genauen philosophischen Lektüren und Beobachtungen betrachtet er den Körper aus dem Blickwinkel der sexuellen Lust oder des Medizinischen, in seiner Grenzfunktion zwischen Innen und Außen, dann liest er René Descartes über das Verhältnis zwischen Körper, Geist und Seele oder stellt Überlegungen zur ästhetischen Lust »am Rande der Funktion ›Kunst‹« an. Immer wieder aber steht der Tanz im Zentrum, als Trennung und Loslösung, als Geburt des Körpers und des Sinns, als unablässige Entwicklung, »Körper, Markstrang, um eine Leere gekrümmt, Embryo, über nichts gebeugt, eingewickelt, sich entwickelnd«. Der tanzende Körper ist ein Körper, der sich von sich trennt, um zu sich zu finden, der seine Form verlässt, um eine neue einzugehen, der einen Ort aufgibt, um einen anderen einzunehmen.

      Ausdehnung der Seele
    • Die Bedeutung, die Gilles Deleuze dem Motiv der Öffnung zugesprochen hat, bemisst sich an dem in Milles Plateaux formulierten Vorhaben, »aus der Erde einen Schweizer Käse zu machen«. Dabei galten ihm Öffnungen als Teil jeder Kreation, die er dadurch gekennzeichnet sah, dem Leben neue Möglichkeiten zu eröffnen. Auch sind sie Bedingung wie Resultat jeder Lektüre, die nicht einfache Kopie einer Doxa ist, insofern, als das Werden im Spiel von De- und Reterritorialisierungen eine doppelte und fortlaufende (Er)Öffnung mit sich bringt: Ouvertüre. Jean-Luc Nancy und René Schérer widmen sich dem Motiv der Ouvertüre in Form der Auflösung des Identischen, eines Gedankens, der von ihrer und auch Deleuzes philosophischer Zeitgenossenschaft im desaströsen 20. Jahrhundert herrührt. Während Schérer die Öffnung und Auflösung der Person als Leitmotiv Deleuzes analysiert, richtet sich Nancys Augenmerk auf die Differenz, die unauflösbare Differenz zwischen ihm selbst, Jacques Derrida und Gilles Deleuze, vor allem aber auf die Differenz im Selben und das Selbe der Differenz.

      Ouvertüren
    • Syrien, Irak, Mali, Sudan – dies sind nur einige wenige der Eigennamen, die blutige Auseinandersetzungen zwischen Identitäten benennen. Angesichts der Realität andauernder Kriege und Bürgerkriege gilt es, unser Verständnis des »Gemeinsamen« und der »Gemeinschaft« zu hinterfragen. In »singulär plural sein«, seinem wohl einflussreichsten Werk, entwirft Jean-Luc Nancy eine Ontologie des Mit-Seins, die den überkommenen Politiken der Gemeinschaft entgegentritt. Das Sein des Mit-Seins ist wesentlich plural, und eine Politik, die ihm gerecht werden will, muss die Entfaltung dieser Pluralität garantieren, anstatt sie in einer totalitären Einheit aufzulösen. Ko-Existenz und Mit-Sein sind die fundamentalen Kategorien dieses Denkens, das sich der dringlichen Notwendigkeit eines Seins-in-der-Gemeinschaft stellt. Wie also kann eine nicht-totalitäre Politik gedacht werden, die das plurale Sein auf neue Horizonte hin öffnet?

      Singulär plural sein