Thomas Mann
6. Juni 1875 – 12. August 1955
Paul Thomas Mann war ein deutscher Schriftsteller und einer der bedeutendsten Erzähler des 20. Jahrhunderts. Er wurde 1929 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
Dem 1901 erschienenen ersten Roman Buddenbrooks folgten Novellen und Erzählungen wie Tonio Kröger, Tristan und Der Tod in Venedig. Der 1924 veröffentlichte Roman Der Zauberberg, mit dem er die Tradition des europäischen Bildungsromans fortführte, zeigt Manns Gestaltungskunst: Der Erzähler wahrt eine skeptisch-ironische Distanz zu den Figuren, typische Konstellationen kehren leitmotivisch wieder, und es herrscht ein syntaktisch komplexer, anspruchsvoller Stil. Diese Merkmale prägen auch die folgenden Veröffentlichungen, unter denen die Novelle Mario und der Zauberer, die Romantetralogie Joseph und seine Brüder sowie das Spätwerk Doktor Faustus hervorzuheben sind. Weithin Beachtung fanden auch seine Essays und Stellungnahmen zu aktuellen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Fragen. Stand er der westlichen Demokratie zunächst skeptisch gegenüber, wandelte er sich zu Beginn der 1920er Jahre zu einem überzeugten Verteidiger der Weimarer Republik. Während der nationalsozialistischen Herrschaft emigrierte er 1933 in die Schweiz und 1938 in die USA, deren Staatsbürgerschaft er 1944 annahm. Von 1952 bis zu seinem Tod lebte er wieder in der Schweiz.
Thomas Mann entstammte der angesehenen Lübecker Patrizier- und Kaufmannsfamilie Mann. Sein älterer Bruder Heinrich und vier seiner sechs Kinder, Erika, Klaus, Golo und Monika, waren ebenfalls Schriftsteller.
Thomas Mann war der zweite Sohn des Kaufmanns und Lübecker Senators Thomas Johann Heinrich Mann. Er wurde am 11. Juni 1875 in der Marienkirche zu Lübeck evangelisch getauft. Seine Mutter Julia (geborene da Silva-Bruhns) war mütterlicherseits brasilianischer Herkunft. Aus der Ehe gingen außer dem Bruder Heinrich (1871–1950) noch die Geschwister Julia (1877–1927, Suizid), Carla (1881–1910, Suizid) und Viktor (1890–1949) hervor. Seine Kindheit hat Thomas Mann später als „gehegt und glücklich“ bezeichnet. Er wuchs in wohlhabenden Verhältnissen in Lübeck auf, wo sein Vater von 1877 bis zu seinem Tod 1891 Senator für Wirtschaft und Finanzen war. 1891 starb Thomas Manns Vater an Blasenkrebs. In seinem Testament hatte er verfügt, Unternehmen und Wohnhaus in Lübeck zu verkaufen. Die Erlöse wurden angelegt, und deren Zinsen standen seiner Frau und den Kindern für ihren Lebensunterhalt zu.
Nach neunjähriger Schulzeit legte Thomas Mann 1894 in Lübeck das eigentlich nur auf sechs Jahre angelegte „Einjährige“ (Mittlere Reife) mit durchgehend mäßigen bis sehr mäßigen Leistungen ab. Seine Schulzeit empfand er als stumpfsinnig. Schon früh begann er zu schreiben und beteiligte sich 1893 mit Prosaskizzen und Aufsätzen an der von ihm mit herausgegebenen Schülerzeitschrift Der Frühlingssturm. Einen Brief an Frieda L. Hartenstein von 1889 unterschrieb der Vierzehnjährige mit „Thomas Mann. Lyrisch-dramatischer Dichter“. 1894 verließ er als Obersekundaner vorzeitig das Katharineum zu Lübeck und ging nach München, wohin die Mutter schon ein Jahr zuvor mit den Geschwistern gezogen war.
Krafft Tesdorpf, der seit dem Tod des Vaters zum Vormund für die noch nicht volljährigen Kinder bestellt war, bestimmte, dass Thomas Mann nach dem Abgang von der Schule einen bürgerlichen Beruf ergreifen sollte. Thomas nahm deshalb eine Stelle als Volontär in einer Feuerversicherungsgesellschaft an, obwohl die Bürotätigkeit ihn langweilte. Sein Debüt als Schriftsteller gab er 1894 mit der Novelle Gefallen. Sie wurde in dem literarischen Magazin Die Gesellschaft veröffentlicht, die schon 1893 sein Gedicht Zweimaliger Abschied publiziert hatte. Daraufhin wurden ihm weitere Veröffentlichungen in der Kunstzeitschrift Pan angeboten.Aufgrund dieses ersten Erfolges beendete Thomas Mann 1895 seine Versicherungstätigkeit und begann, Vorlesungen an der Technischen Hochschule München zu besuchen, um später einen journalistischen Beruf auszuüben. 1896 wurde er mit 21 Jahren volljährig und erhielt monatlich 180 Mark aus den Zinsen des väterlichen Vermögens, was ihm ein Leben als freier Schriftsteller ermöglichte. Von 1895 bis 1896 verfasste Thomas Mann Beiträge für die nationalchauvinistische Monatsschrift Das zwanzigste Jahrhundert, deren kurzzeitiger Herausgeber sein Bruder Heinrich war.
1896 folgte er seinem Bruder Heinrich nach Italien. Sie mieteten sich im Juli 1897 in dem östlich von Rom liegenden Ort Palestrina ein. Gemeinsam verfassten sie dort das Bilderbuch für artige Kinder. Es enthielt parodistische „Kunstgedichte“ und war mit eigenhändigen Zeichnungen illustriert. Die Brüder schenkten es ihrer Schwester Carla zur Konfirmation. Das Unikat gelangte nach Carlas Tod in den Besitz des jüngsten Bruders Viktor, der es später den Kindern von Thomas Mann übergab. Seit der Emigration der Familie 1933 gilt es als verschollen; nur Gedichte, die Viktor Mann in seinen Memoiren Wir waren fünf zitierte, und einige Reproduktionen der Zeichnungen blieben von dem einzigen Gemeinschaftswerk der beiden Brüder erhalten.
Thomas Mann schrieb in Palestrina einige Novellen, unter anderen Der kleine Herr Friedemann, und begann mit dem Roman Buddenbrooks.
Seine sporadischen Beiträge in der antisemitischen Monatsschrift Das zwanzigste Jahrhundert beschränken sich auf die Zeit der Schriftleitung seines Bruders Heinrich (1895/1896). Auch wenn Thomas Manns Artikel moderater ausfallen als der Rest der Zeitschrift, enthalten sie doch die antijüdischen Stereotype, die um die Jahrhundertwende auch in seinen literarisch zu nennenden Arbeiten zu finden sind.Ab 1898 arbeitete er ein Jahr lang in der Redaktion des Simplicissimus. 1900 wurde er als „Einjährig-Freiwilliger“ zum Dienst im Münchner Leibregiment eingezogen. Seine militärische Laufbahn endete nach drei Monaten wegen Dienstuntauglichkeit, da es ihm durch Beziehungen seiner Mutter gelang, einen Oberstabsarzt dazu zu bewegen, bei ihm Plattfüße zu diagnostizieren, obwohl, wie er selbst an seinen Bruder Heinrich schrieb, „von einem Plattfuß gar nicht die Rede sein konnte.“ Dieses Erlebnis wird in der Musterungsszene in den Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull widergespiegelt.
1901 wurde Manns erster Roman Buddenbrooks veröffentlicht. Die zweibändige Erstausgabe stieß zunächst auf nur geringe Resonanz. Die einbändige zweite Auflage von 1903 dagegen brachte den Durchbruch und machte Thomas Mann in der Öffentlichkeit bekannt. Einige Figuren des Romans haben Vorbilder in der Familiengeschichte der Manns, viele Nebenfiguren sind Lübecker Bürgern nachgestaltet. Die meisten Porträtierten waren wegen der ironisierenden Darstellung nicht begeistert, sich im Buch wiederzufinden. In seinem Aufsatz Bilse und ich nimmt er öffentlich Bezug zu diesen Vorwürfen. Bald kursierte eine Liste, die die lebenden Vorbilder identifizierte und die eine Lübecker Buchhandlung ihrer Kundschaft auslieh. Das Verhältnis der Lübecker zu ihrem prominenten Mitbürger war deshalb lange Zeit gespannt. 1929, 28 Jahre nach dem ersten Erscheinen, erhielt Thomas Mann für die Buddenbrooks den Nobelpreis für Literatur.
1903 zeichneten sich erste Missstimmungen zwischen den Brüdern Thomas und Heinrich ab. Obwohl Thomas Mann sich als Schriftsteller in der Öffentlichkeit etabliert hatte, fühlte er sich von seinem Bruder als Künstler zurückgesetzt und kritisierte seinerseits die „langweilige Schamlosigkeit“ in dessen Büchern. Insbesondere Heinrich Manns gerade veröffentlichter Roman Die Jagd nach Liebe erregte bei ihm Abscheu. Der Kontakt brach zwar nicht völlig ab und es kam immer wieder zu Annäherungsversuchen, ein künstlerischer Austausch fand aber nur im regelmäßigen Briefwechsel statt, wobei der jeweilige Briefschreiber die Werke des Empfängers kommentierte. 1904 lernte Thomas Mann Katharina „Katia“ Pringsheim (Tochter des Mathematikers Alfred Pringsheim und Enkelin der Frauenrechtlerin Hedwig Dohm) kennen und begann, um sie zu werben. In seinen Briefen und Tagebüchern sind bis dahin nur homoerotische Schwärmereien dokumentiert. Er lebte seine Homosexualität jedoch nicht aus, es blieb bei Schwärmereien für „Jünglinge“, die unter anderem in Der Tod in Venedig (Gustav von Aschenbach/Tadzio) und im Felix Krull (Lord Kilmarnock/Krull) ihren Niederschlag fanden.
Mit dem Entschluss, Katia Pringsheim zu ehelichen, entschied er sich für ein „geordnetes“ Leben und heiratete in eine der angesehensten Familien Münchens ein. Katia zögerte zunächst, sodass die Ehe erst am 11. Februar 1905 geschlossen wurde. In seinem zweiten Roman Königliche Hoheit von 1909 hat Thomas Mann die Brautzeit literarisch verarbeitet. Mit Katia hatte er sechs Kinder: Erika (1905–1969), Klaus (1906–1949, Suizid), Golo (1909–1994), Monika (1910–1992), Elisabeth (1918–2002) und Michael (1919–1977, vermutlich Suizid).
1912 äußerten Ärzte bei Katia Mann den Verdacht auf Tuberkulose, was einen längeren Sanatoriums-Aufenthalt in Davos erforderlich machte. Thomas Mann war, als er sie dort besuchte, angetan von der Atmosphäre des Sanatoriums, der Klientel und von Katias Schilderungen über sie. Diese Eindrücke inspirierten ihn zu dem Roman Der Zauberberg, den er 1913 begann, aber erst 1924 vollendete, nachdem er die Arbeiten daran 1915 unterbrochen hatte.
Im Jahr 1914 zog die Familie Mann nach München, in die Poschingerstraße 1 am Herzogpark. Als im selben Jahr der Erste Weltkrieg ausbrach, gab es viele Literaten, die der recht euphorischen Stimmung vor allem bürgerlicher Kreise im Deutschen Reich nicht widersprachen – im Gegenteil: Der Kriegsbeginn wurde begrüßt und bejubelt. Auch Alfred Kerr, Robert Musil, Richard Dehmel und Gerhart Hauptmann zeigten sich von dessen Berechtigung überzeugt. Thomas Manns Meinung wird in folgenden Zitaten dargestellt.
Jörn Leonhard zitiert in seiner Geschichte des Ersten Weltkriegs die Erinnerung der Kinder an die Worte des Vaters, dass „nun wohl auch gleich ein feuriges Schwert am Himmel erscheinen“ werde, und dessen Erinnerung an Leo Tolstoi, den „Repräsentanten einer radikalen Gewaltlosigkeit“ (Leonhard): „Merkwürdig, aber wenn der Alte noch lebte, er brauchte nichts zu tun, nur da zu sein, auf Jasnaja Poljana, – dies wäre nicht geschehen –, es hätte nicht gewagt, zu geschehen.“Thomas Mann schrieb an seinen Bruder Heinrich: „Ich persönlich habe mich auf eine vollständige Veränderung der materiellen Grundlagen meines Lebens vorzubereiten. Ich werde, wenn der Krieg lang dauert, mit ziemlicher Bestimmtheit das sein, was man ‚ruiniert‘ nennt.“ Und er fährt später fort: „In Gottes Namen! Was will das besagen gegen die Umwälzungen, namentlich die seelischen, die solche Ereignisse im Großen zur Folge haben müssen! Muß man nicht dankbar sein für das vollkommen Unerwartete, so große Dinge erleben zu dürfen?“
Thomas Mann hielt den Krieg prinzipiell für notwendig, galt es aus seiner Sicht doch, den „verworfensten Polizeistaat der Welt“, das zaristische Russland, „zu zerschlagen“. In seinen Gedanken im Kriege – Reflexionen zum Gegenstand des Krieges – verteidigte der Dichter seine militaristischen Standesbrüder. Ganz im damaligen imperialistischen Zeitgeist schrieb er ferner: „Das Gleichgewicht Europas […] war die Ohnmacht Europas, war seine Blamage gewesen, mehr als einmal, …“ Den Kontakt zu Heinrich, der wie Stefan Zweig, Arthur Schnitzler, Romain Rolland und später auch Hermann Hesse gegen die die öffentliche Meinung bestimmenden chauvinistischen Ideen von 1914 anschrieb, hatte er inzwischen ganz abgebrochen. Detailliert setzte er sich mit den geistigen Strömungen der Kriegs- und Vorkriegszeit in seinem umfangreichen Werk Betrachtungen eines Unpolitischen auseinander, in dem er den Unterschied zwischen der deutschen pessimistischen Selbstironie des Geistes bei gleichzeitiger Liebe dessen zum Leben einerseits, und dem romanischen Radikalismus des Geistes bzw. des Lebens andererseits herauszuarbeiten versucht. Den Gegensatz zu seinem eigenen Verständnis als deutsch-bürgerlicher Künstler bildet sein Bruder Heinrich als frankophiler „Zivilisationsliterat“.
Schon kurze Zeit nach der Drucklegung (Ende 1918) folgte allerdings eine immer stärkere Distanzierung Manns von dieser Phase seines politischen Denkens.
Die Ermordung des Reichsaußenministers Walther Rathenau am 24. Juni 1922 war mitauslösend für Manns Entscheidung, öffentlich für die Weimarer Republik und ihre Werte einzutreten. Mit seiner Rede Von deutscher Republik trat er zum ersten Mal als politischer Mahner und Befürworter der neuen Staatsform hervor. Demokratie und Humanität, so Mann, seien eins, und da der Mensch dem Prinzip der Humanität folgen solle, habe er also nach einem demokratischen Zusammenleben zu streben. Er wurde auch Mitglied der liberaldemokratischen Deutschen Demokratischen Partei. Auch trat er in das Komitee der Paneuropäischen Union ein.1924 veröffentlichte Mann seinen Roman Der Zauberberg. Er war auf Anhieb ein großer Erfolg. Danach folgten Unordnung und frühes Leid und Über die Ehe. 1925 begann er mit der Arbeit an der Tetralogie Joseph und seine Brüder. Modell für die Konturen Josephs standen die jungen Menschen, von denen der Schriftsteller sich verzaubert fühlte. Auch der damals siebzehnjährige Klaus Heuser († 1994), der Sohn von Werner Heuser, und ein Freund seiner Kinder, den Thomas Mann 1927 in Kampen auf Sylt kennengelernt hatte und über den er notierte, er sei seine „nach menschlichem Ermessen letzte Leidenschaft“, dürfte in die Figur des Joseph eingeflossen sein. Thomas Mann beteiligte sich als Gründungsmitglied der Sektion Dichtkunst bei der Preußischen Akademie der Künste unmittelbar an Versuchen, das Ansehen der Literatur zu heben. Insbesondere wandte er sich gegen das damals geltende Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften, das die schriftstellerische Freiheit einschränkte.
Auch als er nicht mehr in Lübeck tätig war, kehrte er häufig dorthin zurück. Wie Fritz Behn und Hermann Abendroth, beide waren wie er in Lübeck einst von Ida Boy-Ed gefördert worden, war Mann 1926 einer der geladenen Gäste zur 700-Jahr-Feier der Stadt. Der Höhepunkt des Festes am 6. Juni 1926 fiel mit seinem 51. Geburtstag zusammen. Die ehemalige Mäzenin lud sie in ihre Wohnung am Burgtor, von wo aus sie den Festzug verfolgten. Im Anschluss feierten sie den von ihr ausgerichteten Geburtstag Thomas Manns.In einer Rede am 30. November 1926 in der Münchner Tonhalle kritisierte Thomas Mann den Kulturbetrieb Münchens aufs Schärfste. Die Stadt reagierte schnell und setzte ein Komitee zur Förderung der Literatur ein – bereits Anfang 1927 wurde Thomas Mann gemeinsam mit Catherina Godwin, Hans Ludwig Held, Hans von Gumppenberg, Emil Preetorius, Peter Dörfler und Wilhelm Weigand in den neu eingerichteten Literaturbeirat der Stadt München berufen. Für Gumppenberg wurde nach dessen Tod 1928 Benno Rüttenauer eingesetzt. Der Beirat förderte Literaten durch Vergabe von Druckkostenzuschüssen sowie durch den 1928 auf Anregung Thomas Manns gestifteten Dichterpreis der Stadt München. War Thomas Mann anfangs noch zuversichtlich, so machte sich ab 1929 in zunehmendem Maße der Einfluss der politischen Rechten bemerkbar, und er konnte sich mit seinen Vorschlägen immer seltener durchsetzen.
Der Nobelpreis für Literatur war für Mann keine Überraschung. Bereits Jahre zuvor war spekuliert worden, dass er ihn bekommen könnte, er selbst hatte schon 1927 darauf gehofft. Am Nachmittag des 12. November 1929 erreichte ihn die Nachricht aus Stockholm. Er war konsterniert, dass sich das Komitee praktisch nur auf seinen ersten Roman bezog. Verantwortlich dafür war in erster Linie der einflussreiche Stockholmer „Königsmacher“, der Schwede Fredrik Böök, der dem Roman Der Zauberberg keine Wertschätzung entgegenzubringen vermochte und ihn mehrfach verrissen hatte. Das Preisgeld betrug 200.000 Reichsmark. Einen Teil davon verwendete Mann, um die Schulden seiner Kinder Klaus und Erika nach ihrer Weltreise zu tilgen. Außerdem wurden davon der Bau des seit 1996 als Thomas-Mann-Kulturzentrum gepflegten Sommerhauses in Nidden auf dem zu Litauen gehörenden Teil der Kurischen Nehrung und zwei Autos finanziert, der Rest angelegt. Schon in Stockholm hatte ein Journalist den Manns nahegelegt, das Geld „draußen stehenzulassen“, aber sie verstanden nicht, weshalb. Als sie 1933 aus Deutschland emigrierten, verloren sie einen großen Teil ihres Vermögens, namentlich ihren Immobilien- und anderen Sachbesitz.
Die Reichstagswahl 1930 hatte der NSDAP einen gewaltigen Stimmenzuwachs (von 2,6 Prozent am 20. Mai 1928 auf 18,3 Prozent am 14. September 1930) beschert. Thomas Mann, der, wie viele andere Skeptiker, den wachsenden politischen Einfluss der NSDAP mit Misstrauen beobachtet hatte, entschloss sich zu einem Appell an die Vernunft, einer Rede, die er am 17. Oktober 1930 im Berliner Beethoven-Saal hielt und die als „Deutsche Ansprache“ in die Geschichte einging. Unter das vorwiegend republikanische und sozialdemokratische Publikum hatten sich Arnolt Bronnen, die Brüder Ernst und Friedrich Georg Jünger sowie etwa ein Dutzend Nationalsozialisten gemischt, die vergeblich versuchten, durch Zwischenrufe zu stören.Thomas Mann nannte den Nationalsozialismus in nüchterner Unumwundenheit „eine Riesenwelle exzentrischer Barbarei und primitiv-massendemokratischer Jahrmarktsrohheit“ mit „Massenkrampf, Budengeläut, Halleluja und derwischmäßigem Wiederholen monotoner Schlagworte, bis alles Schaum vor dem Munde hat“. Er fragte, ob das deutsch sei und ob „das Wunschbild einer primitiven, blutreinen, herzens- und verstandesschlichten, hackenzusammenschlagenden, blauäugig gehorsamen und strammen Biederkeit, diese vollkommene nationale Simplizität in einem reifen, vielerfahrenen Kulturvolk wie dem deutschen“ überhaupt verwirklicht werden könne. Der Beifall im Saal war groß, drang aber nicht nach draußen durch. Thomas Mann zählte zu den wichtigsten prominenten Gegnern des Nationalsozialismus.
Am 13. Februar 1933 jährte sich Richard Wagners Todestag zum 50. Mal. Mann nahm mehrere Einladungen an, aus diesem Anlass einen Vortrag zu halten. Er hielt diesen Vortrag (Leiden und Größe Richard Wagners) am 10. Februar im Auditorium maximum der Universität München, trat am folgenden Tag mit seiner Frau eine Auslandsreise an und hielt Vorträge in Amsterdam, Brüssel und Paris. Dann reisten die Manns zu einem Winterurlaub in der Schweiz; sie waren Stammgäste in Arosa und logierten im Waldhotel Arosa. 1914 und 1926 war Katia im Waldsanatorium, dem späteren Waldhotel, zur Kur gewesen. Die Ferientage im März 1933 in Arosa wurden die ersten Tage der Manns im Exil.Unter anderem auf Drängen von Erika und Klaus Mann kehrten sie von dort nicht mehr nach München zurück. Als alle Mitglieder der Sektion Dichtkunst bei der Preußischen Akademie der Künste aufgefordert wurden, gegenüber der nationalsozialistischen Regierung eine Treueerklärung abzugeben, erklärte Mann mit einem Schreiben an den Akademie-Präsidenten Max von Schillings vom 17. März 1933 seinen Austritt.
Die Bayerische Politische Polizei (BPP) durchsuchte Manns Haus in München und beschlagnahmte das Haus nebst Inventar sowie das Bankkonto.Reinhard Heydrich, der die BPP de facto leitete, schrieb am 12. April 1933 an Reichsstatthalter von Epp: Am Tag der Bücherverbrennung, dem 10. Mai 1933, wurde Thomas Mann aus dem Münchener Literaturbeirat ausgeschlossen. Seine Werke blieben von der Bücherverbrennung verschont, nicht jedoch die seines Bruders Heinrich und seines Sohnes Klaus.Der Entschluss, Deutschland den Rücken zu kehren, fiel den Manns nicht leicht. Unter anderem mussten sie ihr Sachvermögen zurücklassen. Nur ein Teil davon konnte später auf Umwegen in die Schweiz geschafft werden. Zu finanziellen Engpässen kam es nicht, weil die Familie rechtzeitig einen erheblichen Teil des Nobel-Preisgeldes und Bargeld aus Deutschland in die Schweiz transferiert hatte. Thomas Manns Verleger hatte ihn inständig gebeten, die Deutschen in dieser schweren Zeit nicht allein zu lassen, und sich bereit erklärt, seine Neuerscheinungen weiterhin zu veröffentlichen.
Die erste Station des Exils war Sanary-sur-Mer in Frankreich. Nach ersten Abwägungen, sich entweder in Paris, Basel oder Zürich niederzusetzen, zogen die Manns letztlich in die Schweiz und wohnten in Küsnacht in der Nähe von Zürich. Die Bewegungsfreiheit des Schriftstellers verringerte sich, als sein deutscher Pass ablief. Das NS-Regime machte dessen Verlängerung von Manns persönlichem Erscheinen in München abhängig. Dort wartete bereits ein „Schutzhaftbefehl“ auf ihn. Das Ausbürgerungsverfahren, von dem alle seit August 1933 emigrierten Prominenten betroffen waren, wurde in seinem Fall zunächst ausgesetzt. Allerdings nutzten die Finanzbehörden die Gelegenheit, um in München sein Haus einschließlich Inventar zu beschlagnahmen. Sie behaupteten, aus Verlagsverträgen ergebe sich, dass Mann für die Jahre 1929 und 1930 noch erhebliche Steuern zahlen müsse.
1934 und 1935 reisten die Manns die ersten beiden Male in die Vereinigten Staaten. Dort war das Interesse an dem prominenten Schriftsteller groß; die Behörden gewährten ihm ohne gültigen Pass die Einreise. Seinen sechzigsten Geburtstag beging Thomas Mann in Küsnacht; er wurde von den Schweizern überwältigend gefeiert. Am 19. November 1936 wurde ihm auf seinen Antrag hin die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft für den Ort Proseč verliehen; den Eid dazu schwor er in Anwesenheit seiner Familienmitglieder und des tschechoslowakischen Konsuls Laška in Zürich; das Landesamt in Prag hatte alle Papiere per Boten geschickt. Im Tagebuch schrieb er dazu knapp: „Sonderbares Ereignis.“ Wenige Wochen später wurde ihm – gleichzeitig mit seiner Frau Katia und den Kindern Golo, Elisabeth und Michael – die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Das Ausbürgerungsverfahren wurde nach den Erkenntnissen einer unabhängigen Historikerkommission durch die Stellungnahme des damaligen Gesandten Ernst von Weizsäcker begünstigt, der sich im Mai 1936 in einem Brief aus Bern dafür ausgesprochen hatte, weil Thomas Mann neben „höhnischen Bemerkungen [sogar] feindselige Propaganda gegen das Reich im Ausland“ betrieben habe. Die Universität Bonn entzog Mann am 19. Dezember 1936 die Ehrendoktorwürde, die ihm 1919 verliehen worden war.In den 1930er Jahren besuchte Mann sechsmal Ungarn und wohnte dort unter anderem bei dem Schriftsteller und Literaturkritiker Lajos Hatvany in der Nähe von Budapest. Hier publizierte er mehrmals Texte in der 1854 gegründeten deutschsprachigen Zeitung Pester Lloyd, so 1936 den Essay Achtung, Europa!
Im September 1937 erschien erstmals die deutsche Exilzeitschrift Mass und Wert. Zweimonatsschrift für freie deutsche Kultur, die im Verlag Emil Oprechts in Zürich erschien und bis Oktober 1940 in 17 Ausgaben herauskam. Herausgeber waren Thomas Mann und Konrad Falke. Chefredakteur war anfangs der Journalist Ferdinand Lion, dann ab November 1939 sein Sohn Golo Mann. 1938 übersiedelte Thomas Mann mit seiner Familie endgültig in die USA. Bei der Ankunft in New York am 21. Februar 1938 baten ihn Reporter daher um eine Stellungnahme zum Berchtesgadener Abkommen, welches das nationalsozialistische Regime kurz zuvor erzielt hatte, und fragten ihn, ob er das Exil als eine schwere Last empfinde. Seine Antwort wurde am nächsten Tag in der New York Times abgedruckt: Erste Station des Exils in den USA war Princeton. Thomas Mann erhielt, vermittelt durch seine Gönnerin Agnes E. Meyer, eine Gastprofessur an der dortigen Universität. Vier Vorlesungen standen auf seinem Lehrplan mit den selbstgewählten Themen Goethes Faust, Wagner, Freud und eine Einführung in den Zauberberg.
Das erste Jahr in den Vereinigten Staaten verlief erfolgreich. Er war finanziell abgesichert, seine Werke verkauften sich gut, er unternahm einige Lesereisen, traf wichtige Persönlichkeiten und erhielt fünf Ehrendoktorwürden (Columbia, Hobart, Princeton, Rutgers und Yale). Am 6. Juni 1939 startete er zu seiner vorerst letzten Reise nach Europa. Gleichzeitig arbeitete er an seinem Roman über Goethe, den er im Oktober 1939 beendete und der im gleichen Jahr unter dem Titel Lotte in Weimar erschien. Am 1. September 1939 begann Hitler mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg. Dies löste Bestürzung im In- und Ausland aus und bewog Thomas Mann, der gerade in Schweden war, zu zahlreichen Aktionen. Er war Mitglied in mehreren Ausschüssen, die Emigranten unterstützten, unter anderem im Unitarian Service Committee und im Committee for Jewish and Christian Refugees. Im Oktober 1940 begann er mit den Texten für seine Radiosendung Deutsche Hörer!. In monatlichen Abständen ausgestrahlt, wurden seine warnenden und pointierten Ansprachen ab März 1941 in Kalifornien auf Platte aufgezeichnet und mit der Luftpost nach New York gebracht. Per Kabel wurden sie von dort nach London übertragen, wo die BBC die fünf- bis achtminütigen Aufnahmen über Langwelle auch in das deutsche Reichsgebiet ausstrahlte. Die Westalliierten banden diese Versuche, das Monopol der deutschen Rundfunkanstalt von außen zu durchbrechen, in ihre allgemeine Informationspolitik und Propaganda gegenüber dem Dritten Reich und dessen Bevölkerung ein. Die Einnahmen aus der Sendung spendete Mann dem British War Relief Fund. Eine seiner bekanntesten Ansprachen ist die Sendung vom 14. Januar 1945: Mann wählte nicht von ungefähr eine so apokalyptische Ausdrucksweise. Allerdings machte er aus Hitler und seinen später als „Paladinen“ bekannt gewordenen Helfern in bissigen Teilen der Radioansprachen auch Witzfiguren, um eine allzu starke Dämonisierung zu vermeiden: „Nun denn, der Krieg ist schrecklich, aber den Vorteil bringt er mit sich, dass er Hitlern davon abhält, Kulturreden zu halten.“ In den Ansprachen wechselten sich moralische und bürgerlich-soziale Distanzierungen häufig ab. Thomas Mann war einer von nur wenigen in der Öffentlichkeit aktiven Gegnern des Nationalsozialismus, auf die Hitler in seinen Hetzreden namentlich einging. Mann revanchierte sich mit Anspielungen auf die rhetorischen Schwächen des „Führers“ und betonte die Richtigkeit seiner eigenen Vorhersagen:
Die unter dem Namen Deutsche Hörer! bekannt gewordenen Radiosendungen boten nach dem Krieg in Deutschland viel Diskussionsstoff. Während einige behaupteten, Thomas Mann habe in seinen Reden eine Kollektivschuld aller Deutschen suggeriert, vertraten andere die Meinung, er sei lediglich mit der Mentalität der Weimarer Republik und dem sozialen Klima in den ersten Jahren des Nationalsozialismus sehr hart ins Gericht gegangen.
1941 übersiedelten die Manns nach Pacific Palisades, einem Stadtteil von Los Angeles in Kalifornien. Dort lebten sie ab dem 8. April zunächst in einem gemieteten Haus am Amalfi Drive, bevor sie am 5. Februar 1942 ein eigens errichtetes Wohnhaus am San Remo Drive beziehen konnten. Es war Mitte 2016 als Verkaufsobjekt vom Abriss bedroht, was zu einer Online-Petition für den Erhalt im Namen der Gesellschaft für Exilforschung führte, an der sich unter anderem Herta Müller beteiligte: Das Haus solle „ein Ort der Erinnerung an die Exil-Geschichte, ein Ort des intellektuellen, gesellschaftlichen und kulturellen Austauschs werden“. Die Bundesrepublik Deutschland erwarb das Anwesen zu diesem Zweck. Es wurde als Thomas-Mann-Haus im Juni 2018 als Kulturzentrum eröffnet.
Eine damals seit über einem Jahrzehnt bestehende und anhaltende, nun aber zusehends intensivere Verbindung bestand zudem zu Aldous Huxley, als Mann in dessen unmittelbare Nachbarschaft zog.Die Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten erlangte Thomas Mann erst 1944. In den Jahren 1943 bis 1947 – unterbrochen 1946 durch eine Lungenkrebserkrankung, die in Chicago operativ behandelt wurde – arbeitete Mann an Doktor Faustus. Für dieses Projekt hatte er im Vorfeld musikwissenschaftliche Lehrbücher sowie Biografien über Mozart, Beethoven, Berlioz, Hugo Wolf bis hin zu Alban Berg studiert. Mit zeitgenössischen Komponisten wie Strawinsky, Hanns Eisler und Arnold Schönberg nahm er Kontakt auf, um sich in Sachen Musikkomposition unterweisen zu lassen. Besonders viel lernte er von Adorno, der damals in der Nachbarschaft lebte. Dieser beriet ihn gern und ausführlich, wovon Thomas Mann selbst in seinem autobiografischen Bericht Die Entstehung des Doktor Faustus – Roman eines Romans Rechenschaft ablegt und wovon auch Katia Mann in ihren Ungeschriebenen Memoiren berichtet. Dokumentarisches und Historiografisches aus der Luther-Zeit und dem Dreißigjährigen Krieg gehörten ebenso zur Vorbereitung des Romans wie Grimmelshausen, Sprichwörtersammlungen des Mittelalters und Fachliteratur zu Nietzsche. Er nannte das Buch seine „Lebensbeichte“ und schrieb am 21. Oktober 1948 an Paul Amann: „Zeitblom ist eine Parodie meinerselbst. In Adrians Lebensstimmung ist mehr von meiner eigenen, als man glauben sollte – und glauben soll.“In Kalifornien fand Mann auch Zugang zu den nordamerikanischen Unitariern, deren Mitglied er wurde. Thomas Mann – zuvor Lutheraner – schätzte die Unitarier vor allem als Glaubensgemeinschaft ohne dogmatische Fundamente, wobei er dem christlich ausgerichteten Unitarismus näher stand als neueren humanistischen Ansätzen. Mann trat auch als Gastredner auf der Kanzel auf und veranlasste, dass seine Enkel Frido und Angelica im Frühjahr 1942 in der First Unitarian Church in Los Angeles getauft wurden, wobei er selbst als Pate fungierte.
Mann hatte zwischen sich und einflussreiche literarisch-publizistische Kreise des westlichen Nachkriegsdeutschlands einen Keil getrieben: In seinem offenen Brief an Walter von Molo Warum ich nicht nach Deutschland zurückkehre vertrat er die These von der Kollektivschuld der Deutschen. Drohbriefe und Verrisse seines Doktor Faustus waren die Folge. Die Bombardierung deutscher Städte während des Zweiten Weltkrieges kommentierte er mit den Worten: „Alles muß bezahlt werden.“ Es mussten einige Jahre vergehen, bis sich in der bundesdeutschen Öffentlichkeit wieder eine versöhnlichere Haltung gegenüber Thomas Mann einstellte.
Von der Politik der USA war Thomas Mann nach dem Tod des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt im Jahr 1945 und besonders seit Beginn des Kalten Krieges 1947 zunehmend enttäuscht. Seinen Entschluss, nach Europa zurückzukehren, hielt er erstmals im Dezember 1949 im Tagebuch schriftlich fest. Er verfestigte sich, als er im Juni 1951 vor dem Repräsentantenhaus im Kongress als “one of the world’s foremost apologists for Stalin and company” (deutsch: „einer der weltweit bedeutendsten Verteidiger von Stalin und Genossen“) bezeichnet wurde. Er musste (wie schon zuvor die deutschen Emigranten Hanns Eisler und Bertolt Brecht) Rechenschaft über seine Aktivitäten vor dem Komitee für unamerikanische Umtriebe ablegen. Genau ein Jahr später, im Juni 1952, kehrten die Manns mit Tochter Erika in die Schweiz zurück. In seinem Tagebuch sprach er von einer „wiederholten Emigration“. Dort zogen sie zunächst in ein gemietetes Haus in Erlenbach bei Zürich und lebten dann ab 1954 in der angekauften Villa in Kilchberg, Alte Landstrasse 39, über dem Zürichsee. Schon 1949 hatte Thomas Mann anlässlich der Feiern zu Goethes 200. Geburtstag Deutschland einen Besuch abgestattet. Er besuchte Frankfurt am Main (Trizone) und Weimar (SBZ), was von der westdeutschen Öffentlichkeit misstrauisch beäugt wurde, jedoch von Mann mit dem Satz kommentiert wurde: „Ich kenne keine Zonen. Mein Besuch gilt Deutschland selbst, Deutschland als Ganzem, und keinem Besatzungsgebiet.“ In Frankfurt erhielt er den westdeutschen Goethe-Preis. In Weimar traf er Johannes R. Becher, den Präsidenten des Kulturbundes und späteren Kultusminister der DDR, sowie Oberst Tjulpanow, Leiter der Informationsabteilung der SMAD, und es wurde ihm der ostdeutsche Goethe-Nationalpreis verliehen. Die gesamte Reise, die ihn auch nach Stuttgart und in das zerstörte München führte, stand unter polizeilichem Schutz, da es im Vorfeld einige Drohbriefe gegeben hatte. Letztlich wurde er aber enthusiastisch aufgenommen, und seine Frankfurter Rede Goethe und die Demokratie wurde per Lautsprecher aus der Paulskirche auf den Vorplatz übertragen, wo weitere Zuhörer standen. Das Preisgeld der Frankfurter Ehrung stiftete Thomas Mann mittellosen Schriftstellern, die Summe des Weimarer Preises für den Wiederaufbau der dortigen Herderkirche.Die Deutschland-Besuche von der Schweiz aus wurden zu einer festen Einrichtung. Thomas Mann nahm 1953 die Ehrenpräsidentschaft der Deutschen Schillerstiftung in Weimar (DDR) an. Im Juni des Jahres bereiste er, einer Einladung aus Hamburg folgend, erstmals wieder den Norden Deutschlands. Von Hamburg aus unternahm er am 10. Juni gemeinsam mit seiner Frau einen Abstecher an die Ostsee, besuchte Travemünde, sein „Kindheitsparadies“. Dort hatte er als Knabe seine Sommerferien verbracht, ganz so wie er es im Roman Buddenbrooks seinen jungen Helden Hanno erleben lässt. Auch in anderen Werken, sowohl in Tonio Kröger als auch in Felix Krull, gibt es Reminiszenzen an diese Zeit. Seiner Vaterstadt Lübeck stattete er nur einen kurzen Besuch ab und ließ sich vor der Ruine des Buddenbrook-Hauses in der Mengstraße fotografieren. Im folgenden Jahr setzte er die 1909 begonnene Arbeit am Roman Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull fort, der letztlich, durch seinen nahen Tod, ein Fragment blieb.
Zum 150. Todestag Friedrich Schillers 1955 veröffentlichte Mann den Essay Versuch über Schiller und hielt zu den Feierlichkeiten die Festansprachen; zunächst in Stuttgart und am 14. Mai 1955 in Weimar. An diesem Tag wurde ihm die Urkunde zum Ehrenmitglied der Deutschen Akademie der Künste überreicht.
Im Frühsommer 1955 besuchte er ein letztes Mal Travemünde und seine Vaterstadt, die ihn dieses Mal eingeladen hatte: In Lübeck bekam er am 20. Mai die Ehrenbürgerwürde verliehen. In seiner Dankesrede nahm er Bezug auf seinen Vater, den früheren Senator der Stadt: „Ich kann wohl sagen, sein Bild hat immer im Hintergrunde gestanden all meines Tuns, und immer habe ich es bedauert, daß ich ihm zu seinen Lebzeiten so wenig Hoffnung machen konnte, es möchte aus mir in der Welt noch irgend etwas Ansehnliches werden. Desto tiefer ist die Genugtuung, mit der es mich erfüllt, daß es mir gegönnt war, meiner Herkunft und dieser Stadt, wenn auch auf ausgefallene Weise, doch noch etwas Ehre zu machen.“
Im Juli 1955 hielt sich das Ehepaar im niederländischen Seebad Noordwijk in Südholland auf. Am 18. Juli erwähnte Thomas Mann seiner Frau gegenüber erstmals einen ziehenden Schmerz im linken Bein, der ihm „kürzlich angeflogen“ sei und nun beginne, ihm lästig zu fallen. Die hinzugezogenen Ärzte diagnostizierten eine Beinvenenthrombose und verordneten Bettruhe. Am 23. Juli kehrte er vorzeitig zur weiteren Behandlung nach Zürich zurück. Im Kantonsspital besserte sich sein Zustand kurzfristig. Voller Vorfreude auf seine Rückkehr nach Kilchberg schrieb er an Theodor W. Adorno: „Pazienza! Es ist ja Zauberberg-Zeit, in die ich eingetreten bin.“ Jedoch folgte innerhalb von Tagen eine stetige Verschlechterung: Er verlor an Gewicht und litt zunehmend unter Kreislaufschwäche. Am 12. August 1955 starb Thomas Mann achtzigjährig im Zürcher Kantonsspital an einer Ruptur der unteren Bauchschlagader (Aorta abdominalis) infolge von Arteriosklerose.
Zur Beerdigung auf dem Kilchberger Friedhof am 16. August erschienen zahlreiche Trauernde aus dem In- und Ausland. Als einer der langjährigen Wegbegleiter des Verstorbenen schrieb Carl Zuckmayer in seinen Worten des Abschieds: „An diesem Sarg verstummt die Meinung des Tages. Ein Leben hat sich erfüllt, das nur einem einzigen Inhalt gewidmet war: dem Werk deutscher Sprache, dem Fortbestand europäischen Geistes.“