John Steinbeck
27. Februar 1902 – 20. Dezember 1968
John Ernst Steinbeck III. war ein US-amerikanischer Schriftsteller. Er ist einer der meistgelesenen Autoren des 20. Jahrhunderts und hat zahlreiche Romane, Kurzgeschichten, Novellen und Drehbücher verfasst. Zeitweilig arbeitete er als Journalist und war 1943 Kriegsberichterstatter im Zweiten Weltkrieg. 1940 erhielt er den Pulitzer-Preis für seinen Roman Früchte des Zorns und 1962 den Nobelpreis für Literatur.
Drei der vier Großeltern John Steinbecks waren Einwanderer aus Europa. Sein Großvater väterlicherseits war der Tischler Johann Adolph Großsteinbeck ( 27. Nov. 1832; † 10. Aug. 1913 in Hollister), der seinen Namen in Amerika zu Steinbeck verkürzte. Er stammte aus Heiligenhaus bei Düsseldorf, wo bis heute ein Gut Großsteinbeck existiert. 1. Juli 1854 heiratete er in Palästina die amerikanische Missionarstochter Almira Anne Dickson ( 2. Okt. 1828; † 1. März 1923). Beide gehörten zu Familien, die dort seit 1854 in der evangelikal-messianischen Siedlung „Mount Hope“ lebten. Nachdem im Januar 1858 benachbarte Araber an Familienangehörigen einen Raubmord und zwei Vergewaltigungen verübten, wanderte das Ehepaar 1858 in die USA aus. Dort lebte die Familie zunächst in Massachusetts, später in Florida und – nachdem er im Bürgerkrieg aus der Armee der Konföderierten desertiert war – in Kalifornien. Dort ließ er sich als Milchfarmer nieder. Das abenteuerliche und unstete Leben Johann Adolphs inspirierte seinen Enkel später zur Figur des Adam Trask in Jenseits von Eden, auch weitere Charaktere dieses Werks könnten die Palästina-Erfahrungen seiner Großeltern väterlicherseits widerspiegeln.Seinen Großeltern mütterlicherseits setzte er in diesem Roman ebenfalls ein literarisches Denkmal: dem aus Ballykelly in Nordirland stammenden Samuel Hamilton und seiner Frau Elizabeth Fagen. Die beiden betrieben eine Farm bei King City. Jenseits von Eden spielt, wie die meisten seiner Romane und Erzählungen, in der heute Steinbeck Country genannten Gegend um Salinas und Monterey, rund 150 Kilometer südlich von San Francisco. In Salinas wuchsen John Steinbeck und seine beiden Schwestern auf. Ihre Eltern waren John Ernst Steinbeck II. und die Lehrerin Olive Hamilton. Der Vater hatte zunächst eine Mühle geleitet, die 1910 in Insolvenz ging, wodurch die Familie zeitweilig in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Als Buchhalter einer Zuckerfabrik und schließlich als Kämmerer des Monterey County kam John Ernst Steinbeck wieder zu bescheidenem Wohlstand und nahm in Salinas eine respektierte Stellung ein.John Steinbeck zeigte schon als Schüler ein ausgeprägtes Interesse an Literatur und begann, selbst Geschichten zu schreiben. 1919 bewarb er sich erfolgreich um ein Studium an der angesehenen Stanford University und belegte dort Kurse in Englischer Literatur, Klassischer Literatur und Alter Geschichte, Journalismus und anderen Fächern, die ihm für eine Karriere als Schriftsteller nützlich erschienen. Dazu gehörte auch einer über das Verfassen von Kurzgeschichten, der als einer der ersten Kurse für kreatives Schreiben an amerikanischen Universitäten gelten kann.Die Aufnahme an eine private Elitehochschule, die den sozialen Aufstieg zu garantieren schien, weckte bei ihm und seinen Eltern zunächst hohe Erwartungen. Bald zeigte sich Steinbeck jedoch vom akademischen Leben enttäuscht und vertiefte sich auf eigene Faust in umfangreiche Lektüre. Während der Semesterferien arbeitete er über immer längere Zeiträume auf Farmen, Baustellen, Fabriken und in anderen Branchen. 1924 verließ er Stanford endgültig ohne Abschluss. Das Studium war für ihn und sein Werk weit weniger prägend als die Gelegenheitsjobs, mit denen er es finanziert hatte. Denn in diesen hatte er das Milieu der Menschen kennengelernt, die später im Zentrum vieler seiner Werke standen. 1925 ging Steinbeck als Journalist und freier Schriftsteller nach New York City, fand dort aber wenig Anklang. Daher kehrte er bald nach Kalifornien zurück, wo er erneut von Gelegenheitsarbeiten lebte. 1929 veröffentlichte er seinen ersten Roman: Cup of Gold (dt. Eine Handvoll Gold), eine Lebensbeschreibung des englischen Freibeuters Henry Morgan. Doch dieses wie Das Tal des Himmels (1932) und auch die beiden folgenden Werke blieben von der Kritik nahezu unbeachtet. Steinbeck und seine erste Frau, Carol Henning, die er 1930 geheiratet hatte, lebten damals in finanziell bedrängten Verhältnissen abwechselnd in San Francisco, in Eagle Rock bei Los Angeles und im Ferienhaus seiner Eltern in Pacific Grove bei Monterey. Einen ersten Erfolg erlebte Steinbeck 1935 mit dem episodischen Roman Tortilla Flat, in dem er das Leben einer Clique von bettelarmen, aber lebenslustigen Hispanics nach dem Vorbild der mythischen Tafelrunde von König Artus schildert. Nach der Veröffentlichung seines Romans In Dubious Battle (dt. Stürmische Ernte), der einen Landarbeiterstreik zum Thema hat, nahm Steinbeck 1936 den Auftrag der Zeitung San Francisco News an, eine Artikelserie über entwurzelte Wanderarbeiter aus der „Dust Bowl“, den Dürregebieten des mittleren Westens der USA, zu schreiben. Scharen von „Okies“, völlig verarmten, ehemaligen Farmern aus Oklahoma, zogen damals auf der Suche nach Jobs nach Kalifornien. Die Erfahrungen, die Steinbeck bei den Recherchen zu diesem Thema sammelte, gingen in seine beiden Werke ein, die Kritik und Publikum bis heute am stärksten beeindrucken: die Novelle Of Mice and Men von 1937 (dt. Von Mäusen und Menschen) und der sozialkritische Roman The Grapes of Wrath von 1939 (dt. Früchte des Zorns). Dieser Roman, ein Bestseller, der sich bereits bis Anfang 1940 430.000 Mal verkaufte und den John Ford kurz darauf verfilmte, wurde in konservativen Kreisen als klassenkämpferisch abgelehnt und in Kalifornien sogar zeitweise verboten. Dabei verstand sich Steinbeck nie im dogmatischen Sinne als Sozialist, obwohl er starke Sympathien für die politische Linke hegte und 1937 ein erstes Mal die Sowjetunion besucht hatte. Er war ein überzeugter Anhänger der Politik des „New Deal“ von Präsident Franklin D. Roosevelt, der Steinbeck in den nächsten Jahren zweimal zu sich ins Weiße Haus einlud. Trotz aller Anfeindungen brachte Früchte des Zorns seinem Autor 1940 den renommierten Pulitzer-Preis ein. Aufgrund seiner realistischen Schilderung des Elends der Wanderarbeiter gilt das Buch bis heute nicht nur als großes literarisches Werk, als Great American Novel, sondern auch als erstrangige historische Quelle. 1939 wurde Steinbeck in die American Academy of Arts and Letters gewählt. Spätestens nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 und dem Kriegseintritt Amerikas fühlte sich Steinbeck verpflichtet, den Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland auf seine Weise zu unterstützen. So folgte er bereitwillig einer Einladung des neu gegründeten „Foreign Information Service“ (F.I.S.) in Washington, D.C. (der u. a. die Propaganda koordinieren sollte und bereits die Schriftsteller Thornton Wilder und Robert E. Sherwood zur Mitarbeit gewonnen hatte), ein für Propagandazwecke geeignetes Projekt zu entwickeln – woraus dann 1942 das Theaterstück The Moon Is Down (dt. Der Mond ging unter) wurde, ein plakatives Propagandastück. Zum Roman verarbeitet, erschien das Werk 1943 in der Schweiz. Im Untergrund gedruckte und verbreitete Übersetzungen in etlichen von den Nationalsozialisten besetzten Ländern Europas verfehlten nicht ihre Wirkung. Zur selben Zeit kam es in Steinbecks Privatleben zu einer Ehekrise. 1941 hatte er in Hollywood, wo er an der Verfilmung von Früchte des Zorns mitwirkte, die zwanzigjährige Sängerin Gwendolyn „Gwyn“ Conger kennengelernt und eine Affäre mit ihr begonnen, die schließlich zur Trennung von Carol führte. Anfang 1943 zog er mit Gwyn nach New York, und im März heirateten sie. Schon bald kam es jedoch zu einer ersten Krise zwischen den beiden, woraufhin sich Steinbeck als Kriegsreporter bei der New York Herald Tribune anstellen ließ, um nach Europa geschickt zu werden. Zuvor aber schrieb er noch ein Drehbuch für einen Film über die Ausbildung amerikanischer Bomberpiloten (Bombs Away: The Story of a Bomber Team) sowie für Alfred Hitchcock den ersten Drehbuchentwurf zu dem Kriegsdrama Lifeboat (dt. Das Rettungsboot), das die 20th Century Fox dann 1944 in einer von Steinbeck stark kritisierten Fassung in die Kinos brachte. Von Juni bis Oktober 1943 war Steinbeck als Kriegsberichterstatter im Zweiten Weltkrieg tätig. Er erlebte die Landung der Alliierten in Italien mit und schrieb darüber Reportagen sowie seine Tagebuchnotizen unter dem Titel Once there was a War (dt. An den Pforten der Hölle). Ebenso einfühlsam wie zuvor die Arbeitermilieus schilderte Steinbeck nun das Alltagsleben der Soldaten – nicht als Heldengeschichte, sondern als den verzweifelten Versuch, in ständiger Gefahr zu überleben. 1944 zog Steinbeck mit seiner Frau und beider erstem Sohn Thomas – der zweite, John IV., kam 1946 zur Welt – wieder nach Monterey. Bereits 1930 hatte er sich dort mit dem Meeresbiologen Ed Ricketts angefreundet, der ihm die ökologischen Zusammenhänge des Lebens vor Augen führte und große Bedeutung für seine Sicht der Welt gewann. Mit der Figur des Doc setzte ihm Steinbeck 1945 in dem Roman Cannery Row (dt. Die Straße der Ölsardinen) und 1947 in dessen Fortsetzung Sweet Thursday (dt. Wonniger Donnerstag) ein literarisches Denkmal. Ein drittes Mal erscheint Doc in dem Bericht über ihre gemeinsame Reise nach Baja California in Mexiko, The Log from the Sea of Cortez (dt. Logbuch des Lebens). Steinbeck fiel es nach 1945 zunehmend schwer, an die Erfolge der Vorkriegszeit anzuknüpfen. Viele Kritiker wollten in Cannery Row und Sweet Thursday nur Variationen des Themas von Tortilla Flat sehen. Den Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof verfolgte Steinbeck 1945 von der Pressetribüne aus. 1947 reiste er mit seiner Frau durch Skandinavien und Frankreich. Nach einem erneuten Besuch der Sowjetunion 1947, diesmal mit dem Fotografen Robert Capa, entstand der Reisebericht A Russian Journal (dt. Russisches Tagebuch). Dem Tod seines langjährigen Freundes Ed Ricketts im Mai 1948 folgte im August die Trennung von Gwyn und die Scheidung noch im selben Jahr. 1949 begegnete Steinbeck der selbstbewussten Texanerin Elaine Anderson Scott, die als Theaterchefin am Broadway bekannt geworden und dann nach Hollywood gegangen war. 1950 heiratete er sie und zog mit ihr und ihrer Tochter erneut nach New York. Es folgten unstete Jahre mit langen Reisen durch Nordafrika, Süd- und Westeuropa, bis John Steinbeck 1952 noch einmal ein großer literarischer Wurf gelang: Der epische Roman East of Eden (dt. Jenseits von Eden) erzählt die Geschichte der Familien Trask und Hamilton vom Bürgerkrieg bis zum Ersten Weltkrieg. Im selben Jahr wurde auch der Film Viva Zapata! fertig, zu dem Steinbeck das Drehbuch geschrieben hatte: ein Film über den mexikanischen Revolutionshelden Emiliano Zapata, inszeniert von Elia Kazan mit Marlon Brando in der Titelrolle. Derselbe Regisseur verfilmte dann auch drei Jahre später Jenseits von Eden mit dem jungen James Dean. 1954 erhielt John Steinbeck die Freiheitsmedaille des US-Präsidenten (Medal of Freedom). Im selben Jahr erlitt er während einer Europareise einen ersten leichten Schlaganfall. Ende der 1950er Jahre lebten er und Elaine zeitweilig im englischen Somerset, wo er an einer modernen Fassung der Artussage arbeitete, The Acts of King Arthur and his noble Knights (dt. König Artus), die unvollendet blieb. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Steinbeck – wenn das Wetter es zuließ – auf seinem abgelegenen und gut versteckten kleinen Fischeranwesen in Sag Harbor auf Long Island. Von dort aus startete er im Herbst 1960 mit einem zum Wohnmobil umgebauten Kleinlaster zu einer Rundreise durch die Vereinigten Staaten. Seinen Bericht über diese Reise, auf der er nur von seinem Pudel Charley begleitet wurde, veröffentlichte er 1961 als Artikelserie und 1962 als Buch unter dem Titel Travels with Charley: In Search of America (dt. Die Reise mit Charley: Auf der Suche nach Amerika). Steinbeck setzt sich darin u. a. kritisch mit der amerikanischen Gesellschaft auseinander – ähnlich wie 1966 in America and Americans (dt. Amerika und die Amerikaner). In Sag Harbor erreichte ihn 1962 die Nachricht von der Verleihung des Literatur-Nobelpreises, den er als sechster US-Amerikaner erhielt. In den sechziger Jahren unterstützte er Präsident Lyndon B. Johnson wegen dessen Projekt einer sozial gerechteren „Great Society“. Die gesetzliche Aufhebung der Rassentrennung und eine verbesserte Sozialgesetzgebung waren Forderungen, für die Steinbeck seit den 1930er Jahren eingetreten war. Allerdings führte seine persönliche Freundschaft mit Johnson dazu, dass er zu den wenigen Intellektuellen der damaligen Zeit gehörte, die den Vietnamkrieg befürworteten. Deshalb kam es schließlich auch zu einem Zerwürfnis mit seinem Sohn John, der als Kriegsberichterstatter in Vietnam zum überzeugten Pazifisten geworden war. 1967 unternahm Steinbeck selbst eine Reise nach Vietnam, kehrte aber als kranker Mann zurück und war nicht mehr in der Lage zu schreiben. Anfang 1966 hatte er noch auf einer Reise nach Israel in Tel Aviv den frühen Wohnort seiner Großeltern besucht.Am 20. Dezember 1968 erlag er im Alter von 66 Jahren in New York einem Herzversagen. Seine Asche wurde auf dem Friedhof seiner Heimatstadt Salinas beigesetzt.