Ellen G. White
26. November 1827 – 16. Juli 1915
Ellen Gould Harmon White (* 26. November 1827 in Gorham, Maine, als Ellen Gould Harmon; † 16. Juli 1915 in St. Helena, Kalifornien) war eine Mitbegründerin der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten. Die meiste Zeit ihres Lebens verbrachte sie in den Vereinigten Staaten. Von 1885 bis 1887 besuchte Ellen White verschiedene Länder in Nord- und Westeuropa und von 1891 bis 1900 lebte sie in Australien.
Ellen Gould Harmon wurde am 26. November 1827 in Gorham (Maine) zusammen mit ihrer Schwester Elisabeth (Lizzie) im Nordosten der USA geboren. Die Zwillingstöchter waren die Jüngsten von acht Kindern einer armen Hutmacherfamilie, die der Methodistenkirche angehörte. Vater und Mutter galten als engagierte Gemeindeglieder, und auch Ellen nahm den christlichen Glauben seit frühester Kindheit sehr ernst. Lizzie wandte sich später als einzige ihrer Geschwister vom Glauben ab und starb im Jahr 1891.Im Alter von neun Jahren wurde Ellen während einer Auseinandersetzung auf dem Schulweg durch den Steinwurf eines anderen Mädchens so stark verletzt, dass sie „drei Wochen wie betäubt dagelegen“ hat und jahrelang von Ohnmachtsanfällen heimgesucht wurde. Daraufhin musste der Schulbesuch eingestellt werden. Ellen wirkte fortan kränklich mit wenig Aussicht auf völlige Genesung, bildete sich aber durch eigenständige Lektüre fort. „Die Kränkliche hat alle [Geschwister] außer eine − ihre Schwester Mary, die drei Jahre älter wurde − um Jahrzehnte überlebt.“Ab dem Jahre 1840 hatte die Familie Harmon engen Kontakt zur Bewegung um den baptistischen Laienprediger William Miller und erwartete zusammen mit den anderen Gläubigen die Wiederkunft Christi. Am 26. Juni 1842 ließ sich Ellen in der Methodistenkirche taufen. Ein Jahr später wurden sie und ihre Familie allerdings wegen Millerismus aus ihrer Kirche ausgeschlossen. Die unmittelbare Wiederkunftserwartung wurde enttäuscht, erst im März und dann im Oktober 1844. Doch auch nach Ausbleiben der Parusie stand die Familie weiterhin zu Millers Auslegung. Etwa zwei Monate später, nachdem der letzte „Wiederkunftstermin“ verstrichen war, gab Ellen an, während einer Gebetsstunde ihre erste Vision gehabt zu haben, die allmählich zur Stabilisierung der jungen Advent-Bewegung beitrug. Dieses Gesicht, das für die zweite Hälfte des Dezember 1844 in Portland (Maine) angegeben wird und das aufgrund des thematischen Schwerpunkts auch der „Mitternachtsruf“ genannt wurde, soll das erste einer langen Reihe, die sich bis zum Ende ihres Lebens fortsetzte, gewesen sein. Als Ellen im Frühjahr 1845 begann, auch in Versammlungen an verschiedenen Orten in Penobscot County öffentlich von Visionen zu sprechen, will sie eine weitere Vision erlebt haben.In jenem Frühjahr 1845 begleiteten William und Sarah Jordan, ein befreundetes Geschwisterpaar, Ellen auf deren erster Vortragsreise in den äußersten Nordosten der USA. In Orrington (Maine) wollten sie dem jungen Adventisten-Prediger James White dessen Pferd zurückbringen. James kannte Ellen seit Sommer 1843 aus Portland und hatte auch von ihrer bestätigenden Vision gehört. Er ging zu Fuß aus dem 30 Kilometer entfernten Palmyra (Maine), um sie persönlich zu hören und länger mit ihr zu sprechen. Nach dieser Begegnung entschied er sich, für ihren persönlichen Schutz zu sorgen. Beide lehnten wegen ihrer Jugend und seiner anhaltenden Naherwartung die Eheschließung zunächst ab. Um keinen öffentlichen Anstoß zu erregen, heirateten sie am 30. August 1846. James unterstützte Ellen fortan als Organisator, Begleiter bei ihren öffentlichen Auftritten sowie Herausgeber ihrer Schriften. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor: Henry Nichols (1847–1863) starb am 8. Dezember im Alter von 16 Jahren an Lungenentzündung James Edson (1849–1928) war ein schwieriges, aber kreatives Kind; er erlebte – angeregt durch Ellen Whites Schrift „Our Duty to the Colored People“ – eine späte Bekehrung und engagierte sich als erwachsener Mann mit einem Boot auf dem Yazoo River für die Bildungsarbeit unter Afroamerikanern William Clarence (1854–1937) trat mit 27 Jahren in die Fußstapfen seines Vaters und setzte sich als enger Mitarbeiter der Mutter über deren Tod hinaus für ihr schriftliches Vermächtnis ein John Herbert starb kurz nach der Geburt 1860 an Wundrose.Die Sabbatlehre, die zum „Halten des Samstags“ als biblischen Ruhetag auffordert, übernahm sie nach einigem Zögern von Joseph Bates. Am 3. April 1847 wurde ihr diese Lehre durch eine Vision in Topsham, Maine bestätigt. Trotz finanzieller Schwierigkeiten reiste das Ehepaar White unermüdlich durch die USA, um die Erkenntnisse über den Sabbat, die Wiederkunft Christi und dessen Mittlerdienst im himmlischen Heiligtum zu verkündigen. Die adventistische Lehre war früh komplett, denn mit dem Festhalten an der Erwartung der sichtbaren Wiederkunft waren 1848 bereits vier weitere Pfeiler der Lehre fest verbunden.1849 wurde die erste Zeitschrift unter dem Titel The Present Truth gegründet. Es folgten viele weitere Zeitungen, Traktate und Buchreihen. Ab 1852 sollte dafür eine eigene Druckerei aufgebaut werden, die 1855 schließlich in Battle Creek, Michigan angesiedelt wurde. „Das Klima… die Mietpreise, Brennmaterial und sonstige Einrichtungen scheinen für diesen Ort zu sprechen.“ Den ersten Anstoß dazu gab Ellen White ihren eigenen Angaben gemäß im Jahr 1848: „Als ich aus der Vision kam, sagte ich zu meinem Mann: ,Ich habe eine Botschaft für dich. Du musst anfangen, eine kleine Zeitschrift zu drucken.‘“Durch die Kombination aus Organisationstalent, persönlichem Einsatz, geistlichem Sendungsbewusstsein und der Möglichkeit zur Publikation förderte das Ehepaar White das Wachstum und den strukturellen Aufbau der so genannten Adventbewegung, die sich 1863 als Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten gründete. James White wurde einer der ersten Präsidenten, Ellen White hatte dagegen nie ein offizielles Amt inne. Durch ihr geistliches Mandat, zahlreiche Bücher und regelmäßige Zeitungsartikel beeinflusste sie die Entscheidungen der jungen Kirche jedoch maßgeblich. Ab 1863 bestimmte ein neues Thema das Bewusstsein Ellen Whites. Durch den schlechten Gesundheitszustand ihres Mannes, der u. a. aufgrund von Mangelernährung und Überarbeitung zustande kam, und durch Visionen wurde sie angeregt, sich im Bereich der Lebens- und Gesundheitsreform zu engagieren. Es folgten einige Bücher zu diesem Thema und die Gründung von Sanatorien, Naturheilkunde-Seminaren und mehreren Schulen. Dennoch musste sie danach den vorzeitigen Tod ihres ältesten Sohnes und ihres Ehemannes hinnehmen: „Zwischen 1865 und seinem Tod 1881 erlitt James White mindestens fünf Schlaganfälle. Obwohl der erste der weitaus schwerste war, vergrößerten die folgenden die Schädigungen.“ Als James White am 6. August 1881 starb, zog Ellen White sich zunächst nach Healdsburg, auf die gemeinsam bewohnte Farm in Dry Creek Valley, Kalifornien zurück, rückte dann aber noch stärker als zuvor ins öffentliche Blickfeld der Siebenten-Tags-Adventisten. Vier Jahre später, von 1885 bis 1887, unternahm sie mit ihrem Sohn William und dessen Familie und weiteren Vertrauten und Angehörigen ihre erste Auslandsreise, die sie nach England, in die Schweiz, nach Skandinavien, Italien, Frankreich und Deutschland führte. Das Hauptquartier der Siebenten-Tags-Adventisten in Europa war damals in Basel, wohin sie immer wieder zurückkehrte. Von dort reiste sie auch mehrfach in das Gebiet der Waldenser um Torre Pellice, Piemont.In Begleitung von Ludwig R. Conradi besuchte Ellen White vom 27. – 29. Mai 1887 (zu Pfingsten) eine Versammlung in Vohwinkel bei Wuppertal. Die Anwesenden überraschte sie nach der Predigt mit ihrer Einladung zum gemeinsamen „Zeugnis“ im Gottesdienst; ein Ritual, das unter deutschen Siebenten-Tags-Adventisten bis heute bekannt und als „lebendige Gemeinde“ populär geblieben ist. Vor der Weiterreise über Hamburg nach Kopenhagen machte Ellen White noch einen Abstecher nach Mönchengladbach, Rheydt. Am arbeitsfreien Pfingstmontag besuchte sie frühmorgens die Seidenweberei der Fam. Dörner, um anschließend zum privaten Anwesen der Familie gebracht zu werden. Eine Tochter von Johann Lindermann, die in die Familie Dörner eingeheiratet hatte, erwartete sie dort bereits.Johann Heinrich Lindermann (1806–1892), der Vorreiter der pietistisch-freikirchlichen Sabbatbewegung in Deutschland, verwarf bereits um 1850 die Kindertaufe, trat aus der reformierten Kirche aus und meldete 1852 bei den preußischen Behörden eine freie evangelische Gemeinde in Velbert an. Aber der religiöse Nonkonformist wollte es trotz Erfahrung von gewalttätigem Widerstand, zeitweiser Zusammenarbeit mit der Brüderbewegung und späterer Konkurrenz zu Julius Köbner nicht dabei bewenden lassen. Unter den 700 Gliedern auf dem Höhepunkt seiner Bewegung waren es insbesondere „die Gruppen in Mettmann (Boschdell) und in Haan (Vohwinkel-Tesche) … unter der Führung der Familien Weinand, Drinhaus und Dörner, die [eine] Keimzelle des aufkommenden ,sabbatarischen Adventismus‘“ bildeten.Durch ihre Europareise war Ellen White von den heraufziehenden internen Kämpfen um den theologischen Kurs der Kirche, 25 Jahre nach deren Gründung, räumlich weit entfernt. Doch sah sie sich bereits im Vorfeld, und erst recht ein Jahr nach ihrer Rückkehr, auf der Generalkonferenz in Minneapolis 1888 mit Erwartungen und Vorwürfen konfrontiert. Die Schriftleiter der adventistischen Signs of the Times aus Oakland, Kalifornien, Alonzo T. Jones (1850–1923) und Ellet J. Waggoner (1855–1916), zugleich Lehrer an einem adventistischen College in Healdsburg, wagten einen Konsens in Frage zu stellen, den der Präsident George I. Butler (1834–1918) und der Schriftleiter des Adventist Review in Battle Creek, Uriah Smith (1832–1903), vorab mit ungeeigneten Mitteln abzusichern versuchten.Ellen White reagierte nicht wie erwartet und stellte sich gegen die traditionelle Position der älteren Leiter und auf die Seite der 20 Jahre jüngeren Schriftleiter Waggoner und Jones. Aber trotz ihres in der Kirche mittlerweile gefestigten Rufs schien ihr Einfluss zwischen den Parteiungen derart zerrieben, dass sie während der Sitzungsperiode erwog, wieder abzureisen. Sie blieb aber auf ihrem Posten. Der neugewählte Präsident Ole A. Olsen sollte sie später ganz gezielt bestärken, über neue Pläne im weit entfernten Australien nachzudenken, nachdem sie sich in Minneapolis erfolgreich gegen allerlei Gerüchte über eine „kalifornische Verschwörung“ hatte durchsetzen können. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass ihr Sohn William den designierten Präsidenten zunächst für sechs Monate kommissarisch vertrat.Von 1891 bis 1900 lebte sie in Australien und trieb von dort aus ihre Publikationen, aber auch das Gesundheits- und Bildungswerk der Gemeinde voran, obwohl sie vor ihrer Abreise nicht nur hinsichtlich des Ortes noch sehr unschlüssig war. Nach ihrer Ankunft am 8. Dezember 1891, sechs Jahre zuvor hatten die Adventisten den Kontinent erstmals erreicht, lebte sie zuerst in Melbourne (bis August 1894), dann in Sydney (bis Dezember 1895) und schließlich bis 1900 in Cooranbong, das heute zur City of Lake Macquarie, in New South Wales gehört. Sie stand in regelmäßigen Briefverkehr mit den USA und hat in den dortigen Zeitschriften weiterhin Beiträge publiziert. In Australien vollendete sie auch zwei ihrer erfolgreichsten Bücher: Ihr Konversionsklassiker Steps to Christ (1892) und die Evangelienharmonie The Desire of Ages (1898). Darüber hinaus sind noch weitere Werke entstanden, die als Nebenprodukt ihrer Leben-Jesu-Erzählung gelten: Eines über die Bergpredigt (Thoughts of the Mount of Blessing, 1896) und ein anderes zu den Gleichnissen Jesu (Christ's Object Lessons, 1900). Nach der Überwindung intensiver rheumatischer Beschwerden im ersten Jahr ihres Aufenthaltes war sie zu Besuchen und Vorträgen in Neuseeland und den meisten Landesteilen Australiens (Tasmanien, Victoria, South Australia, New South Wales und Queensland) unterwegs. Ihrem unmittelbaren Einfluss ist es zuzuschreiben, dass in Australien ein adventistisches Schulsystem gegründet wurde, das ihrer Vorstellung von ganzheitlicher Erziehung entsprach. Heute werden in Australien an 47 Schulen etwa 14.000 Schüler kognitiv, sozial, physisch und spirituell betreut. Zu diesem Zweck verhalf sie der von ihr 1897 mitgegründeten Avondale School for Christian Workers (mittlerweile Avondale University College) in Cooranbong in den Rang einer Modell-Schule. Dort werden bis heute auch die Krankenschwestern für das Sydney Sanitarium (seit 1973 Sydney Adventist Hospital) in Wahroonga ausgebildet, das seine Tore erst 1903 öffnete, als Ellen White Australien bereits wieder verlassen hatte. Zwischen 1896 und 1907 nahm sie aber auch an dieser Gründung intensiven Anteil. „Um 1900 war Battle Creek für die Adventisten das, was Jerusalem für die Juden war und Salt Lake City für die Mormonen ist. Das neue Jahrhundert jedoch erlebte den Verfall der adventistischen ,heiligen Stadt‘.“ Gleich nach ihrer Rückkehr nahm Ellen White zusammen mit dem Verwaltungsfachmann Arthur G. Daniells (1858–1935) die Reorganisation der Generalkonferenz in Angriff, die in den Grundzügen bis heute gültig ist. Daniells übernahm eine Idee von Asa T. Robinson (1850–1949), der in Südafrika (1891–1897) und danach in Australien (1898–1903) Aufbauarbeit leistete, und fügte erstmals die „Union“ als eine neue Verwaltungseinheit unterhalb der Ebene der Generalkonferenz ein. Jetzt konnte die Kirche mit einer flexiblen, aber weltweit einheitlichen Verwaltungsstruktur von unterschiedlichen Abteilungen bis hinunter zur „Vereinigung“ als der kleinsten, dezentralen Verwaltungseinheit durch Kirchenbeamte („Sekretäre“) geführt werden.Auf der Generalkonferenz (Vollversammlung) in Battle Creek wiederholte Ellen White am 1. April 1901 ihre Kritik an den „königlichen“ Machtansprüchen einzelner, die sie seit den 1890er Jahren schon des Öfteren artikuliert hatte. Sie meinte damit nicht bloß gewählte Kirchenbeamte, denn nach George Butler war es nun John Harvey Kellogg, der in eine Konfrontation mit Ellen White steuerte. Am Morgen des 28. Februars 1902 brannte das Battle Creek Sanitarium nieder und am Abend vom 30. Dezember desselben Jahres das Verlagsgebäude des Review & Herald. Die nachfolgenden Eigentums- und Rechtsstreitigkeiten entfremdeten Kellogg und das von ihm wieder aufgebaute Sanatorium von der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten.Im Jahr 1904 begleitete Ellen White den Umzug der Generalkonferenz (Weltkirchenleitung) von Battle Creek, Michigan nach Takoma Park, Washington, D.C. Im Mai 1905 wurde auf ihr Drängen ein weiteres Sanatorium auf einem großen Grundstück in Loma Linda, Kalifornien erworben. Im November desselben Jahres konnte der Sanatoriumsbetrieb wieder aufgenommen werden, aber Ellen White drängte weiter darauf, das Areal noch zu vergrößern. Nach ihrer Vision vom 10. Oktober 1901 sollte dort anstelle des verlorenen Battle Creek Sanitarium ein neues Lehrkrankenhaus errichtet werden, wo heute das Loma Linda University Medical Center seinen Sitz hat. Im Juni 1905 besuchte sie den Ort zum ersten Mal und im April 1911 zum letzten Mal. Nachdem Ellen White seit 1909 immer weniger öffentliche Termine wahrnahm, kam es im Jahre 1912 zum endgültigen Rückzug ins Private. Am 16. Juli 1915 starb sie im Alter von 87 Jahren in ihrem Haus Elmshaven, in St. Helena, Kalifornien.