Seit Jahrhunderten greift die Rechtsgeschichte für die Anfänge des institutionalisierten Rechtswesens auf selbstgeschaffene Mythen zurück. Der Entschlüsselung dieser Ursprungsmythen ist Marie Theres Fögens Buch gewidmet. Ihr geht es darum, aus den Erzählungen des Livius, Dionysios von Harlikarnass, Diodor, Cicero und anderer zu rekonstruieren, welches Bild die Römer sich von der Entstehung und Evolution ihres Rechts gemacht haben. Die einschlägigen Erzählungen, von der modernen Historiographie weitgehend verworfen, wirken literatur- und kunstgeschichtlich bis heute nach. Fögens reich illustriertes Buch lädt den Leser zur »Befehlsverweigerung«, zur Aufhebung der Trennung von Fakten und Fiktionen ein und eröffnet ihm damit die »verlockende Chance, zu erfahren, wie die Römer sich erklärten, was wir so gerne wüssten«.
Marie Theres Fögen Bücher




Die Enteignung der Wahrsager
Studien zum kaiserlichen Wissensmonopol in der Spätantike
Im ausgehenden dritten und vierten Jahrhundert nach Christus drohen eine Reihe von Kaisergesetzen, nahezu alle geschätzten Wahrsager der römischen Welt zu vernichten. Diese Gesetze markieren den Bruch mit alten Gewissheiten und den Aufbau neuer Überzeugungen über die Kompetenz und Legitimität der Weltinterpretation. Während römische Juristen und Historiker an der traditionellen Ansicht festhielten, dass die Interpretation von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht gesetzlich regulierbar sei und auf individueller Begabung basiere, debattierten heidnische und christliche Denker über eine neue Ordnung des göttlichen Willens und menschlichen Wissens. Hierbei entwickelten christliche Autoren Konzepte, die darauf abzielten, die Vielzahl der Bewerber um göttliche Qualitäten auf einen einzigen zu reduzieren. Zudem sollte die Unbeherrschbarkeit des freien Willens diszipliniert und die Beliebigkeit des Wissens eingeschränkt werden. Die Oberhoheit über alles Wissen wurde einem einzigen Gott zugeschrieben, was die Definitionsmacht über das, was „gut und wahr“ ist, einschloss. Diese Monopolisierung des Wissens harmonierte mit der neuen Beschreibung kaiserlicher Macht, die in Form von Gesetzen publiziert und durchgesetzt wurde. So konnte der allwissende Kaiser, als irdische Kopie Gottes, keine konkurrierenden Wahrsager neben sich dulden.
Das Lied vom Gesetz
- 139 Seiten
- 5 Lesestunden