Demokratisierung von Gesellschaft
Deutsche Erfahrungen im 20. Jahrhundert






Deutsche Erfahrungen im 20. Jahrhundert
In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden viele Staaten Westeuropas von einem beispiellosen Strukturwandel erfasst: Die Fabriken der alten Industrien verschwanden, Millionen von Arbeitsplätzen gingen verloren, vormals boomende Städte gerieten in die Krise und neue soziale Fragen bestimmten die politische Agenda. Was aber ist aus dem stolzen Industriebürger geworden – aus seinen Arbeitsplätzen, Karrierewegen und Wohnquartieren? Wie haben sich soziale Rechte und politische Teilhabe von Arbeiterinnen verändert, als der Wettbewerb global, das Management schlank und der Finanzkapitalismus dominant wurde? Welche Ideen und Ideologien begleiteten den Wandel? Am Beispiel der Industriearbeit in Großbritannien, Frankreich und der Bundesrepublik erzählt Lutz Raphael die außerordentlich vielschichtige und spannende Geschichte der westeuropäischen Deindustrialisierung. Sie dauerte drei Jahrzehnte, ging mit einer Steigerung der Produktivität und des Lebensstandards einher, brachte aber auch Niedriglöhne, wachsende Ungleichheiten und eine Krise der demokratischen Repräsentation. Und vielleicht das Entscheidende: Sie wirkt bis heute fort – als Vorgeschichte unserer postindustriellen Gegenwart. Dieses Buch hilft, sie zu verstehen.
Wissenspraktiken im Europa des 20. Jahrhunderts
Dieser Band untersucht die Dynamik gesellschaftlicher Ordnungsmuster im Europa des 20. Jahrhunderts und gliedert sich in 15 Kapitel, die vier zentrale Themenblöcke abdecken. Der erste Schwerpunkt behandelt die Verwissenschaftlichung des Sozialen, insbesondere die wachsende Bedeutung von Sozialexperten seit den 1880er Jahren in der Sozialpolitik und deren Rolle in Diktatur und Demokratie in Deutschland zwischen 1918 und 1990. Der zweite Themenblock beleuchtet die Besonderheiten zentraler Ordnungsmuster während der industriellen Entwicklung, das Spannungsverhältnis zwischen imperialen und nationalen Ordnungen während der Weltkriege sowie langfristige Muster sozialräumlicher Ausgrenzungen und Inklusion. Der dritte Schwerpunkt widmet sich der Geschichte der modernen europäischen Geschichtswissenschaft, insbesondere der Entwicklung einer kritischen Sozialgeschichte in Frankreich und Westdeutschland. Im letzten Themenblock werden Parallelentwicklungen und Verflechtungen von Ordnungsmustern und Wissensmodellen in Deutschland und Frankreich untersucht, einschließlich der Wechselbeziehungen der französischen Humanwissenschaften zu Deutschland um 1900, der Entwicklung der französischen Wissenschaft unter deutscher Besatzung im Zweiten Weltkrieg und der Besonderheiten der französischen Einbürgerungs- und Einwanderungspolitik in der Nachkriegszeit.
Kaum eine Epoche ist in der europäischen Erinnerungskultur so präsent wie die Zeit zwischen 1914 und 1945. Millionen Europäer kamen in dieser Zeit ums Leben, in den Schlachten der Weltkriege, im Holocaust, im Bombenhagel an den Heimatfronten, bei Hungersnöten und Epidemien sowie bei ethnischen Säuberungen und in Bürgerkriegen. Eingegraben haben sich auch die Erinnerungen an wirtschaftliche Turbulenzen, materielle Not und scharfe gesellschaftliche Konflikte. Gleichzeitig brachte das Zeitalter der Weltkriege ungeahnte wissenschaftliche Durchbrüche, aufregende kulturelle Experimente und eine seitdem unerreichte intellektuelle Intensität. Lutz Raphael zeigt in seiner souveränen Synthese, wie Europa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Labor der Moderne wurde. Erst das Zeitalter der Weltkriege schuf jenes Europa homogener Nationalstaaten, das trotz der Globalisierung des 21. Jahrhunderts bis in unsere Gegenwart hinein prägend wirkt.
Dieser Band dokumentiert Forschungsergebnisse einer Tagung des Sonderforschungsbereichs 600 Fremdheit und Armut. Wandel von Inklusions- und Exklusionsformen von der Antike bis zur Gegenwart (SFB 600) an der Universitat Trier. In Anknupfung an die in Band 5 dieser Schriftenreihe prasentierte Diskussion thematisieren die Beitrage die Frage nach der Kontinuitat herrschaftlicher bzw. politischer Ordnungen im Umgang mit Fremden und Armen seit der Spatantike. Dabei wird gefragt, welche Folgen die christlich motivierte Umdeutung und Neuordnung der Armenhilfe in den europaischen Gesellschaften bis zum Spatmittelalter hatten, welche neuen Formen der Inklusion/Exklusion von Fremden und Armen mit dem Aufstieg des modernen Staates verbunden waren und welche Ordnungsmuster von Solidaritat in Gegenwart und jungster Vergangenheit angesichts internationaler Zuwanderung, von Globalisierung und Europaisierung entstanden sind. Den chronologisch geordneten Beitragen sind drei Untersuchungen vorangestellt, die das Thema in epochenubergreifender Perspektive in den Blick nehmen.
Beiträge für eine erneuerte Geistesgeschichte
Die 24 Beiträge präsentieren zentrale Forschungsergebnisse des DFG-Schwerpunktprogramms „Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit.“ Sie geben Einblick in die neuesten Tendenzen ideengeschichtlicher Forschung, gruppiert um fünf Themenschwerpunkte: Politikdiskurse der frühen Neuzeit, Theorieeffekte in Recht, Politik und Gesellschaft, die Ideengeschichte des europäischen Nationalismus, Verschränkungen moralischer und rechtlicher Normsetzung sowie die gesellschaftliche Rolle wissenschaftlicher Ideen, Diskurse und Praktiken im 19. und 20. Jahrhundert.
Lutz Raphael bietet in seinem Buch einen fundierten Überblick über die wichtigsten Strömungen und Tendenzen der modernen Geschichtswissenschaft. Die Darstellung führt von den Anfängen einer Professionalisierung um 1900 bis hinein in die unmittelbare Gegenwart und nimmt dabei keineswegs nur die europäische und amerikanische Geschichte des Faches in den Blick, sondern immer wieder auch außereuropäische Entwicklungen. Konkrete Beispiele charakterisieren die Leistungen und Besonderheiten etwa der »New History«, der Annales-Schule oder der modernen Sozialgeschichte. Ein besonderes Augenmerk legt diese grundlegende Einführung schließlich auf die Sozial- und Institutionengeschichte der Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert.
Herrschaft durch Verwaltung im 19. Jahrhundert
Neben der Herausbildung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung gehört die Entstehung des modernen Rechts- und Verwaltungsstaates zu den tiefgreifenden Neuerungen des 19. Jahrhunderts. Staatliches Handeln wurde effizient und berechenbar, es bot den Menschen ein höheres Maß an Sicherheit, unterwarf sie gleichzeitig aber auch einer immer systematischeren Kontrolle. Lutz Raphael legt eine kritische Bilanz vor, die in historischer Perspektive die Doppelgesichtigkeit des modernen Rechts- und Verwaltungsstaates offenbart.