»Am 17. Juni, Tag der Deutschen Einheit, wurde ich geboren. Ich blieb das einzige Kind. Am 2. Juni 1967 saß ich im Trikot des Kinderballetts vor der Tagesschau. Benno Ohnesorg war erschossen worden. Ich schlug meinem Vater während der Meldung aufs Knie: Papi, wenn ich groß bin, erschieß ich dich auch. 1989 stand ich zum letzten Mal als Tänzerin auf der Bühne. Eine wichtige und schüchterne Verlegerin saß im Publikum und meinte: Sie könnten auch mal einen Roman schreiben, Judith. Am 17. Juni 2023 weiß ich noch keinen Titel für diesen elften Roman. Aber ich weiß, ab jetzt habe ich noch zwanzig grandiose Sommer vor mir – oder?« Mit einer sprachlichen Dichte, die berührt, erzählt Judith Kuckart entlang ihrer Biografie und beleuchtet damit eine ganze, ihre Generation.
Judith Kuckart Bücher






Sonntagabend, Flughafen Tegel: Im Café in der Abflughalle kommt sie mit einem Mann ins Gespräch. Robert Sturm ist sechsunddreißig, achtzehn Jahre jünger als sie. Er ist auf dem Weg nach Sibirien. Am Ende ihrer und seiner Arbeitswoche wird er zurückkommen. Am Samstag. Darauf wartet sie … Als sie 1981 mit achtzehn nach Westberlin kam und Medizin studierte, lernte sie Viktor kennen, der doppelt so alt war wie sie. Er war die andere, die politische Generation und eröffnete ihr die Welt. Er selbst jedoch blieb ihr verschlossen. Das Leben mit Viktor war ein Abenteuer, aber eines, dessen Gefahren sie nicht teilten. Mit sechsunddreißig – inzwischen in Neurobiologie promoviert – trifft sie zur Jahrtausendwende Johann. Er ist so alt wie sie. Gemeinsam hangeln sie sich durch ihre Liebe; prekär sind nicht nur ihre Arbeitsbiografien. Samstagvormittag, wieder Flughafen Tegel: Sechs Tage lang haben ihr Alltag und ihre Erinnerungen sich verwoben und einander zu erklären versucht. Warum sind die Männer in ihrem Leben immer sechsunddreißig? Ist sie noch die, an die sie sich erinnert? Oder ist sie, die sich in Sachen Gehirn auskennt, eigentlich das, was sie vergessen hat?
Die Schauspielerin Bertha wird von der Vergangenheit eingeholt: Ihre schöne Großmutter, eine begeisterte Nationalsozialistin, ließ sich schwängern, um „rassenreinen“ Nachwuchs zu gebären. Aufgestört durchforscht Bertha ihr eigenes Denken und Verhalten. Zweifellos hat sie von ihrer Großmutter geerbt: das Aussehen und insbesondere die Leidenschaft für anonyme sexuelle Begegnungen.
Die Autorenwitwe
Erzählungen
Sie beginnen, »ihr Leben zu betrachten, wie man einen langen Regentag betrachtet, die Ellenbogen auf dem Fensterbrett«. Da ist die Frau mit dem großen Hund, die statt ihres Schriftstellergatten eine Stadtschreiberstelle in der ostdeutschen Provinz antritt und ihre eigene Leere findet. Da ist der Lehrer, der nach dem Tod seiner Frau eine Schülerin trifft, die ihm nicht mehr aus dem Kopf geht. Da ist die Frau, die für andere Leute Blumen gießt und auf erschreckende Geheimnisse stößt.»Geschichten in der beharrlichen Ratlosigkeit«, die Judith Kuckarts Erzählen ausmacht: In Sätzen, die unter die Haut gehen, geht sie auf Erkundungsfahrt in die menschliche Seele. Ob sie die schnellen erotischen Erlebnisse eines Verlagsvertreters mit seinen Buchhändlerinnen beschreibt oder das Schwanken einer Frau zwischen dem jugendlichen Liebhaber und dem Mann, der sie verlassen hat, Judith Kuckart formt alltägliche Begegnungen zu beklemmend nachvollziehbaren Geschichten.
Die Journalistin Katia entdeckt auf einem Fahndungsplakat das Foto ihres ehemaligen Kindermädchens. Sie verfolgt die Spur dieser Frau: Jette hat sich Mitte der sechziger Jahre aus der Kleinstadt nach Tübingen davongemacht, später nach Berlin. 1967/68 gerät sie über Liebschaften in den Untergrund, als Bankräuberin steigt sie Anfang der Siebziger zur „meistgesuchten Frau Deutschlands“ auf. Katia will verstehen, warum sich Jette für die Gewalt, den Untergrund, die Angst entschieden hat, will herausfinden, was damals wirklich geschah …
Lenas Liebe
Roman
Ein Liebesroman, der an der Liebe zweifeln lässt: ein Seelen-Roadmovie Eine Frau befreit sich von ihrem Beruf. Sie sucht nach Orientierung, geht zurück in die Kleinstadt, aus der sie gekommen ist, fängt längst vergangene Liebeleien wieder an. Doch dann beginnt sie ein Mann zu faszinieren, weil er Erinnerungen an ihre Mutter verspricht. Mit ihm bricht sie zu einer Reise nach Polen auf, zu jenem „Kaff vor Russland“, das Auschwitz heißt.
Sie beginnen, »ihr Leben zu betrachten, wie man einen langen Regentag betrachtet, die Ellenbogen auf dem Fensterbrett«. Da ist die Frau mit dem großen Hund, die statt ihres Schriftstellergatten eine Stadtschreiberstelle in der ostdeutschen Provinz antritt und ihre eigene Leere findet. Da ist der Lehrer, der nach dem Tod seiner Frau eine Schülerin trifft, die ihm nicht mehr aus dem Kopf geht. Da ist die Frau, die für andere Leute Blumen gießt und auf erschreckende Geheimnisse stößt.»Geschichten in der beharrlichen Ratlosigkeit«, die Judith Kuckarts Erzählen ausmacht: In Sätzen, die unter die Haut gehen, geht sie auf Erkundungsfahrt in die menschliche Seele. Ob sie die schnellen erotischen Erlebnisse eines Verlagsvertreters mit seinen Buchhändlerinnen beschreibt oder das Schwanken einer Frau zwischen dem jugendlichen Liebhaber und dem Mann, der sie verlassen hat, Judith Kuckart formt alltägliche Begegnungen zu beklemmend nachvollziehbaren Geschichten.
Die Verdächtige
- 285 Seiten
- 10 Lesestunden
Robert ist 39, sieht aus wie George Clooney und arbeitet beim Morddezernat.Seine Frau hat er bei einer Verkehrskontrolle kennengelernt, aber die hat ihn gerade verlassen. Da kommt zu ihm aufs Kommissariat eine Frau, an der alles seltsam ist, nicht nur der Kragen ihres Mantels, der ihr wie ein Rhabarberblatt über die Schultern fällt. Marga Burg will eine Vermisstenanzeige aufgeben. Sie war mit ihrem Freund Mathias auf der Kirmes, er stieg allein in die Geisterbahn und kam nicht mehr heraus: "Er war einfach verschwunden, wie eine Faust verschwindet, wenn man die Hand öffnet." Robert macht sich zusammen mit seiner forschen Kollegin Nico auf die Suche. Doch überall begegnet er Marga, die umso undurchschaubarer wird, je näher er ihr kommt.
Kaiserstraße
Roman
Als Leo Böwe im Spätherbst 1957 durch die Frankfurter Kaiserstraße geht, hört er vom Mord an der Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt. Der Name setzt sich in seinem Kopf fest wie der Name einer Geliebten, der er nie begegnet ist. Böwe ist im Begriff, eine Stelle als Vertreter für Waschmaschinen anzutreten, er lernt die Regeln des Geschäfts: »Der Verkauf beginnt, wenn der Käufer Nein sagt.« Zehn Jahre später hat Böwe eine Tochter, Jule, die beiden haben es nicht leicht miteinander. Als Jule im Fernsehen den erschossenen Benno Ohnesorg sieht, beschließt sie: »Papi, wenn ich groß bin, erschieße ich dich auch.« Durch fünf Jahrzehnte begleitet Judith Kuckarts großer Roman das Leben von Leo und Jule Böwe. ›Kaiserstraße‹ ist ein Fotoalbum in Worten; in fünf Stationen verfolgt es die Entwicklung zweier gegensätzlicher Helden und markiert zugleich fünf Wendepunkte in der Geschichte der Republik: 1957, 1967, 1977, 1989, 1999. Und wie das Land sich verändert, verändern sich auch seine Bewohner. Es ist eine brüchige Karriere – denn verkaufen lässt sich vieles, Waschmaschinen ebenso wie Ideen, Werte und Politik. Verkaufen kann man am Ende auch sich selbst.



