Vom Salpetergeschäft zum Sammlerglück
Die Gemäldesammlung Eduard F. Weber – glanzvoll und doch verschmäht
- 161 Seiten
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Die Gemäldesammlung Eduard F. Weber – glanzvoll und doch verschmäht
Im Dresdner Wohnhaus des Malers Gerhard von Kügelgen bewegten sich nicht nur bekannte Künstler und Schriftsteller wie etwa Goethe und Caspar David Friedrich, sondern auch viele zu ihrer Zeit namhafte Künstlerinnen, die ihn als Lehrer und Mentor betrachteten. Obwohl es sich um talentierte, moderne und selbstständige Frauen handelte, die sich erfolgreich ihren Weg durch eine von Männern dominierte Kunstwelt bahnten, kennen und sehen wir heute kaum etwas von ihnen: Die wenigsten Originale sind signiert, viele Werke verbergen sich hinter dem (angeheirateten) Familiennamen, werden falsch (Männern) zugeschrieben oder bleiben im Depot. Im Rahmen eines Projektseminars der Universität Kassel in Dresden 2021 wurden eine Reihe bedeutender Künstlerinnen und ihre Werke ans Licht gebracht. Die Studierenden agierten als Paten für je eine dieser Malerinnen und zeichneten die komplexen Netzwerke nach, in denen sich in den bürgerlichen Salons gemeinschaftlich Künstler, Musiker und Schriftsteller zu Diskussionen und zum Austausch zusammenfanden. Zeitlich liegt der Fokus auf den „frauenfreundlichen“ Jahren vor und kurz nach 1800. In diesem Kontext wird auch das Arbeitsfeld der Reproduktion und Künstler-Kopie vorgestellt, das hinsichtlich der Ausbildung und Karrierechancen von Frauen eine wichtige Rolle spielte. Die Texte schildern die individuellen Ausgangssituationen und Lebenswege u. a. von Caroline Bardua, Therese aus dem Winckel, Therese Richter oder Dora Stock.
Die 1777 gegründete Kasseler Kunstakademie wurde maßgeblich von Landgraf Friedrich II. und einem Direktor der Maler-Dynastie Tischbein geprägt, die beide den Aufklärungs-Ideen verpflichtet waren. Der intensive Austausch mit der französischen Akademie und Studienreisen nach Italien trugen zur Entwicklung der Akademie bei, die sich vor der französischen Revolution als geschätzte Institution etablierte, in der auch Frauen zugelassen waren. Diese besonderen Gründungsvoraussetzungen werden in einer umfassenden Übersicht dargestellt. Wilhelm Knackfuß hatte 1908 bereits die Geschichte der Akademie behandelt, jedoch ohne Quellenangaben und Künstlerdaten. Der vorliegende Aufsatzband bietet von der Gründungsphase bis 1830 eine Vielzahl an Daten, Fakten und Besonderheiten, ergänzt durch Regularien und Informationen über Repräsentanten. Ein detailliertes Register erfasst 60 Professoren, 160 Schüler und Stipendiaten sowie fast 70 Ehrenmitglieder und Funktionsträger. Zudem werden die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen der Gründung erläutert. Die Organisation der Künstlerausbildung in Kassel im späten 18. Jahrhundert wird hinsichtlich ihrer Grundsätze, Methoden und prägenden Personen beleuchtet, wodurch mehr Transparenz in das kulturelle Netzwerk und dessen Wechselwirkungen mit anderen Institutionen im In- und Ausland geschaffen wird.
In Kassel einen feuerspeienden Vulkan erschaffen und bis zum Lebensende ein schönes Haus aus dem Besitz des Landgrafen von Hessen-Kassel bewohnen, das dürfte sich der Hofbildhauer Ludwig Daniel Heyd für sein Leben in hessischen Diensten erhofft haben. Gemeinsam mit seinem Bruder Wolfgang erarbeitete er sich ab 1769 in Kassel eine ansehnliche Stellung am Hofe und wurde umfangreich an Arbeiten für Park und Schloss Wilhelmshöhe beteiligt. Als langjährige Mitglieder der 1777 gegründeten Kasseler Kunstakademie wurde das Werk der Brüder überregional wahrgenommen.
aufgedeckt - Die Tischbeins, das sind nicht nur die Hofmaler in Kassel, Bad Arolsen, Dessau oder der „Goethe-Maler“ in Rom, sondern auch zehn Künstlerinnen. Tätig zwischen 1770-1830, konnten zeitgleich an der Kasseler Kunstakademie weitere Künstlerinnen recherchiertwerden: einst gelobt, in den Lexika erwähnt, heute völlig vergessen. Sie haben die Größen des deutschen Idealismus gezeichnet, mit ihnen korrespondiert oder gesellige Abende verbracht – Klopstock, Wieland, Schlegel, Arnim, Chodowiecki, Gleim, Paul, Körner u. a.. Dennoch sind ihre Lebenswege nur sehr mühsam zu rekonstruieren, die Werke nur schwer aufzufinden. Gedruckt mit Unterstützung der Freunde des Klosters Haina E. V. (Ausstellung 2016) dokumentiert der von Martina Sitt herausgegebene Projektbericht eines Masterstudiengangs Kunstwissenschaft der Universität Kassel erste Annäherungen an diese interessanten Frauen.
Vieldeutige Blickspiele, seltene Darstellungsmomente und ungewöhn-liche Bildthemen überraschen den Betrachter des Hamburger Altars für den Heiligen Thomas aus dem frühen 15. Jahrhundert. Seit Alfred Lichtwarks Monographie von 1899 hatte der Maler dieser Werke auch einen Namen, der sich heute als nicht mehr haltbar erweist. Nachdem jahrzehntelang die Frage der Zuschreibung im Zentrum der Forschung stand, kann nun eine intensive und kritische Betrachtung der einzelnen Szenen unerwartete Zusammenhänge aufzeigen. So treten Charakteristika einer Künstlerpersönlichkeit her-vor, die es zu entdecken gilt. In einem Gastbeitrag diskutiert Stephan Kemperdick, Berlin, die hierzu denkbaren Möglichkeiten. Die zahlreichen Detailabbildungen ermöglichen dem Leser, die Faszi-nation der meisterhaften Erzählkunst der Geschichte der Verhöhnung und Ermordung des Thomas Becket sowie der Passion Christi neu zu erleben.
Das Goldene Zeitalter gilt als Höhepunkt der niederländischen Malerei. Die prachtvollen Bilder vermitteln Macht, Wohlstand und Lebenskultur der Holländer und Flamen im 17. Jahrhundert. Eine Wiederentdeckung und neue Wertschätzung erfuhren die Gemälde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Jean-Pierre Pescatore (1793–1853), ein mit dem Handel von Tabak reich gewordener Bankier aus Luxemburg, trug eine umfangreiche Sammlung niederländischer Meister zusammen, die durch eine Auswahl prominenter 'Gäste' aus dem Amsterdamer Rijksmuseum einmalig bereichert werden: Frans Hals, Jan van Goyen, David Teniers d. J., Mitglieder der Malerfamilie Ruisdael u. a. In profunden Beiträgen erläutern Experten die Schätze der Pescatore’schen Sammlung und die Sichtweisen der Literaten und Maler, die die Werke der Niederländer für sich wiederentdeckten, darunter Heine, Delacroix, Gautier und Hugo. Der Leser taucht ein in eine Atmosphäre aus Wissensdurst, Entdeckerfreude und Sammlerlust im frühen 19. Jahrhundert.