Die "Deutschen Sagen" sind nach den berühmten "Kinder- und Hausmärchen" das zweite große Sammelwerk der Brüder Grimm und gelten als die bedeutendste Zusammenstellung ihrer Art. Ob Tannhäuser, Lohengrin, Heinrich der Löwe oder der Sängerkrieg auf der Wartburg, ob die Geschichten vom tausendjährigen Rosenstock, vom Binger Mäuseturm, dem Rattenfänger von Hameln oder wie Luther das Tintentfuß dem Teufel an den Kopf warf: Zehn Jahre lang haben die Brüder gesammelt und schließlich 585 Sagen unterschiedlichster Herkunft ausgewählt, die zum Teil auf eine über 1500jährige Erzähltradition zurückgehen.
Georg Schambach Bücher



Niedersächsische Sagen und Märchen
Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben
- 460 Seiten
- 17 Lesestunden
Georg Schambach, Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Aus dem Munde des Volkes gesammelt und mit Anmerkungen und Abhandlungen herausgegeben Erstdruck: Göttingen (Vandenhoeck und Ruprecht) 1855. Neuausgabe. Herausgegeben von Karl-Maria Guth. Berlin 2017. Textgrundlage ist die Ausgabe: Georg Schambach / Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1855. Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe als Marginalie zeilengenau mitgeführt. Umschlaggestaltung von Thomas Schultz-Overhage unter Verwendung des Bildes: Albert Bierstadt, Schimmel im Sonnenuntergang, 1863. Gesetzt aus der Minion Pro, 11 pt.
Niedersächsische Sagen und Märchen
- 394 Seiten
- 14 Lesestunden
Mit der von J. Grimm begründeten und von andern noch weiter ausgedehnten Behandlung deutscher Volkssagen als Quellen der deutschen Mythologie können wir in vielen Punkten jetzt noch weniger einverstanden sein, als früher. Zunächst scheint uns die Meinung, nach welcher die noch jetzt lebenden Volkssagen mehrfach Ueberbleibsel eddischer Mythen enthalten, weder durch den bisherigen Erfolg, noch auch grundsätzlich gerechtfertigt. Bis jetzt haben wir bei aller angewandten Mühe aus der noch lebenden deutschen Sage nur zwei Götternamen kennen gelernt, die mit den nordischen stimmen, Wuotan und Frigg. Aber der Wuotan des deutschen Volkes, der als wilder Jäger durch die Luft zieht, erinnert an den eddischen Odhinn in nichts als in einigen uralten Symbolen, die dem deutschen und skandinavischen Glauben gemeinsam waren, in dem Mantel, von dem Hackelbernd den Namen hat, und vielleicht in dem Nachtraben, der ihm voran fliegt. Alle andern Versuche, die man bisher angestellt hat, deutsche Volkssagen auf eddische Mythen zurückzuführen, sind entweder geradezu falsch, oder doch in einem höchsten Grade unsicher. Sie hätten nur dann gelingen können, wenn angenommen werden dürfte, daß die Edden nicht nur die nordische Mythologie vollständig enthielten, sondern auch in ihren Einzelzügen mit dem heidnischen Glauben der andern deutschen Stämme übereinstimmten, was keinesweges der Fall ist. In den Edden sind vorzugsweise solche Mythen erhalten, die von den nordischen Dichtern behandelt und individuell ausgebildet wurden; eine vollständige Darstellung des nordischen Götterglaubens geben sie eben so wenig, wie die homerischen Gedichte die ganze griechische Mythologie umfassen. Auch sehen wir schon aus Saxo Grammatikus, eine wie reiche Fülle von Sagen und Mythen der Norden besaß, die sich nicht auf den Inhalt der Edden zurückführen lassen; in einem noch höheren Maße müssen wegen der Verschiedenheit der Stämme die deutschen Mythen, von deren Reichthum wir uns nach der noch jetzt vorhandenen Menge der verschiedensten Traditionen eine Vorstellung machen können, von den Edden abgewichen sein, wenn auch einige religiöse Grundanschauungen den Skandinaviern und den Deutschen gemeinsam waren.