Schönes alltäglich erleben
Über die Ästhetisierung der Kultur






Über die Ästhetisierung der Kultur
Eine Einführung
Populäre Unterhaltung und Vergnügung gelten als wesentlich ästhetische Phänomene. Doch gibt es eine spezifische »Ästhetik des Populären«? Und inwiefern können Massenkünste die Ausbildung von Weltsichten und Identitätsorientierungen auf problematische Weise beeinflussen? Kaspar Maase nimmt den »Mainstream« der Massenkünste und dessen alltägliche Nutzungspraktiken in den Fokus. In seiner Studie entwickelt er ein Verständnis von Populärkultur als Netz praktischer Interaktionen zwischen Menschen, Texten, Dingen, Kontexten und Situationen und bietet damit grundlegende Orientierungen für empirische Forschung in einer Vielzahl von Disziplinen.
K. Maase, C. Bareither, B. Frizzoni, and M. Nast introduce empirical cultural research within aesthetic markets and practices, exploring concepts of taste and pleasure. M. Ege and Christian Elster discuss taste in cultural studies related to pop music, highlighting positions and unresolved questions. C. Bareither examines pleasure as an emotional action, using YouTube as a case study. K. Maase addresses taste and quality, focusing on the challenges of evaluating popular culture in everyday life and academia. The book also delves into urban cultural processes, with S. Gietl analyzing taste production in municipal cultural work through examples from the Munich suburbs. M. Stock investigates the role of Arab fast food in Berlin's gentrification, while C. Kühn discusses negotiations around political representation and aesthetic design during West Berlin's 750th anniversary celebrations. D. Kleinen contrasts the Berlin Pride event between 1979 and 1993 as a political movement versus a celebration. In the realm of art and advertising, H. O. Hügel explores luxury consumption as an experiential act through Louis Vuitton's Core Values campaign. B. Frizzoni critiques the taste discourse surrounding the bestseller "Shades of Grey," and C. Hämmerling analyzes value attribution processes among creatives in the crime series "Tatort." Lastly, I. Tomkowiak reflects on the significance of the color pink.
Kontroversen um Schmutz und Schund seit dem Kaiserreich
Um 1900 begann in Deutschland das Medienzeitalter, mit Film und Groschenheften, Plakatwerbung und Musikautomaten. Kaspar Maase liest die damalige Debatten um „Schmutz und Schund“ als Antwort auf den Übergang zur modernen Mediengesellschaft. Die neuen Medien und ihre Nutzer sollten „gezähmt “ werden. Denn mit diesen Medien entstand in den Städten ein Lebensbereich, in dem sich die Jungen besser auskannten als ihre Eltern, Lehrer und Erzieher. Man fragte sich, wie die neuen Medienwelten auf Kinder wirkten - dieselben Fragen wie in den aktuellen Debatten um Internet und Computerspiele. Kaspar Maase hält so der fortwährenden Auseinandersetzung um Jugend und Medien den Spiegel der Geschichte vor.
„Das Recht der Gewöhnlichkeit“ – der Titel dieses Bandes steht für das wissenschaftliche Programm Kaspar Maases und seinen ethnographischen Blick auf die Ästhetiken des Populären. Die hier vorgeschlagene Lesart populärer Kultur stellt nicht Produkte und Medien in den Mittelpunkt, sondern nimmt Ausgang bei den Subjekten und ihren Praktiken. Sie legt symbolisches und leibhaftes Aufbegehren genauso frei wie das genussorientierte Erleben im Alltag – und sie spannt dabei den Bogen von Fragen der Amerikanisierung über die Welt der „Schundliteratur“ bis zur Haltung der Intellektuellen gegenüber dem Populären.
In seiner „Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration“ macht Bertolt Brecht am Ende darauf aufmerksam, dass wir diese Schrift nicht allein der Weisheit des Laotse verdanken, sondern auch der neugierigen F- derung des Zöllners, der den Meister zum Aufschreiben nötigte. Die Schlusszeilen lauten: „Darum sei der Zöllner auch bedankt: / Er hat sie [die Weisheit] ihm abverlangt.“ Nun will der Autor dieses Bandes weder sich mit dem großen - otse noch die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt mit dem chinesischen Zolleinnehmer vergleichen. Doch nachdem die Texte endlich in die Druckfassung gebracht waren, wurde dem Verfasser klar, dass auch hier das freundlich insistierende Verlangen von außen einen wesentlichen Anteil am Ergebnis hat. So ist an dieser Stelle der Geschichts- und Gesellschaftswiss- schaftlichen Fakultät der genannten Universität nicht allein dafür zu danken, dass sie mir die Ehre erwiesen hat, mich im Somm- semester 2009 mit der Otto von Freising-Gastprofessur zu betr- en. Und es ist nicht nur ein Kompliment an die Studierenden ab- statten, die in den Lehrveranstaltungen meine Gesprächspartner waren. Es ist gleichermaßen die Idee zu preisen, nach der die E- geladenen zwei öffentliche Vorträge unter einer gemeinsamen Fragestellung halten und dann daraus auch noch eine Publikation machen sollen.
Mehr als fünf Stunden täglich verbringen wir mit populärer Kunst: Musik, Fortsetzungsromane, Popvideos, Filme, Comics, TV-Serien. Hinzu kommen Werbung, Computerspiele, Sport und Design. Oft wird all dies in den Kulturwissenschaften als "trivial"abgetan, mit Kunst habe es wenig zu tun und diene vor allem der Ablenkung und Verführung. In diesem Band wird dagegen das ästhetische Potenzial populärer Künste und Vergnügungen ernst genommen. Die Beiträge von Gernot Böhme, Diedrich Diederichsen, Knut Hickethier, Birgit Richard, Andreas Platthaus und anderen machen die Schönheiten des Populären sichtbar: Sie speisen sich aus der Präsenz des Körperlichen, aus dem Bezug zur persönlichen Geschichte und aus der Sehnsucht nach dem Glück eines gelungenen Lebens.
»Kulturwissenschaft« droht zum Allerwelt-Etikett zu werden, diffus und profillos. Dagegen setzt der Band aus dem Tübinger Ludwig-Uhland-Institut einen deutlichen Akzent: Empirische Kulturforschung in der Tradition der Volkskunde zeigt ihre Stärken bei der Analyse von Phänomenen aus den »Unterwelten« der Kultur. Deren Feld öffnet sich immer dort, wo die Gesellschaft sich vom »Primitiven, Rohen und Gewöhnlichen« abzusetzen sucht, in dem sie doch gründet. Diese »niederen« Bereiche des Körpers und der Sinne, der Sprache und des Geschmacks werden in exemplarischen Beiträgen beleuchtet. Der Band wendet sich an ein populär- und alltagskulturell interessiertes Publikum und bietet insbesondere Studierenden der verschiedenen Kulturdisziplinen eine aktuelle Einführung in Themenfelder, Fragestellungen und Theorien ethnographischer und historischer Kulturwissenschaft.
***Angaben zur beteiligten Person Kaschuba: Wolfgang Kaschuba ist Professor und Direktor des Instituts für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin