Gerold Scholz Der Titel „Perspektiven auf Kindheit und Kinder“ verweist auf eine wissen schaftstheoretische Sicht, nach der eine gegebene Realität immer nur von einem bestimmten Beobachtungsstandpunkt wahrgenommen, beschrieben und theoretisch erfasst werden kann. In den einzelnen Wissenschaften sind es die Methoden der jeweiligen Wissenschaft, die darüber bestimmen, in welcher Weise ein Phänomen zum Gegenstand einer Wissenschaft wird. Im prakti schen Umgang der Wissenschaften miteinander haben sich Traditionen herausgebildet, bestimmte Phänomene bestimmten Wissenschaften zuzuord nen. Kinder und Kindheit wird im allgemeinen mit Pädagogik und Psycholo gie in Verbindung gebracht. So erfahren zum Beispiel Studierende rur ein Lehramt an Schulen, aber auch Diplompädagogikstudenten kaum etwas darüber, dass sich eine Reihe anderer Wissenschaften ebenfalls mit Kindern oder mit Kindheit beschäftigen. Gleiches gilt umgekehrt: Der Erwerb päda gogischer Kenntnisse - zum Beispiel - von Juristen oder Medizinern dürfte eher auf ein Eigeninteresse der Studierenden zurückzuruhren sein, als auf ein systematisches Verständnis des Zusammenhanges von Pädagogik und Recht oder Pädagogik und Medizin. Dabei lässt sich, wie die einzelnen Beiträge in dem Buch zeigen, aus der Theologie, der Soziologie, der Kunstwissenschaft, der Literaturwissenschaft und der Archäologie viel über Kinder und Kindheit erfahren. Dieses Buch macht auf diese Einengung der jeweiligen Blickwinkel da durch aufinerksam, dass es den Ertrag einer Wahrnehmung der anderen Perspektiven deutlich macht. Eine systematische Betrachtung verweist darauf, dass es eine Vielzahl von Wissenschaften gibt, die sich mit Kindern oder Kindheit beschäftigen.
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Die Konstruktion des Kindes
Über Kinder und Kindheit
Die Leitfrage dieser Arbeit lautet Wie kann man Kinder verstehen, wie läßt sich über Kinder sprechen und schreiben? Die Frage so zu stellen, heißt zu gleich darauf hinzuweisen, daß sie nicht im Sinne von „richtig“ oder „wahr“ beantwortet werden kann. Die Antwort ergibt sich aus der Form der Darstel lung. Der eine Teil des Buches stellt die Art und Weise pädagogischer Diskurse über Kinder - die in ihnen enthaltenen „Selbstverständlichkeiten“ - in Frage und konfrontiert sie mit ihren impliziten Annahmen. Ein zweiter Teil erprobt an Beispielen die Möglichkeit einer anderen Beschreibung von Kindern. Die Untersuchung steht -was die Auffassung über Pädagogik betrifft -in der von Schleiermacher begründeten Tradition, im' Kind einen autonomen Men schen zu sehen, der ein Recht auf eine offene, selbstbestimmte Zukunft hat. Kinder verstehen zu wollen, enthält das hermeneutische Problem, wie man Kinder verstehen und beschreiben kann, ohne mit solchen Beschreibungen Festschreibungen zu verbinden. Schleiermachers Frage: „Was will denn eigentlich die ältere Generation mit der jüngeren?“ 1 wird im Kontext moderner Gegebenheiten und Erkenntnisse aufgegriffen und analytisch gewendet. Das Motiv, sich der Tradition des Denkens über Kinder zu vergewissern und sich so einer pädagogischen Sprechweise über Kinder anzunähern, ergab sich aus langjährigen Beobachtungen von Grundschulkindern in Freien Schulen und einem 1. Schuljahr einer Regelschule. Die Diskursanalyse soll helfen, Kin der und deren Handlungen und Deutungen besser zu verstehen. Das in jeglicher Untersuchung enthaltene Problem der Beziehung zwischen Beobachter und Beobachteten bekommt einen eigenen Akzent in der Be schreibung von Kindern. Dies aus mehreren Gründen.
Elterliche Sorge grassiert: Wird die Arbeitslosigkeit im Erwachsenenalter etwa schon im Kindergarten besiegelt? Lernen Kinder nicht früh genug? Und was sollen sie denn lernen? Soll der Kindergarten Behütungsraum oder Vorschule sein? In diesem Buch wird plädiert für einen Kindergarten und eine Grundschule als Raum für eigene Erfahrungen – als beste Vorbereitung auf „das Leben“, die wir Kindern mitgeben können. Themen des Buches sind: 1) Aufgabe der Grundschule: Systematisierung des Lernens; 2) Bildung als Selbstbildung oder Disziplinierung durch Füttern mit Informationen? 3) Fragen von Kindern aufnehmen und vom Kind her denken; 4) Experimente zusammen mit Kindern durchführen; 5) Zum Erziehungsplan „Bildung von Anfang an“; 6) Was will eigentlich die ältere Generation von der jüngeren?