Dass es die Welt gibt und Leben darin und Menschen, sich als Lebendige übereignet, ist alles andere als selbstverständlich. Die angemessene Haltung dem grundlegenden Befund gegenüber setzt sich zusammen aus Achtsamkeit, Nachdenklichkeit und verwundertem Fragen. Vollends verstehen und begreifen lassen sich die maßgeblichen Zusammenhänge kaum. Sie führen ins Unbegriffliche, Unvordenkliche. Und eben dieses Unumgängliche, dass - wenn nicht Ablehnung und Verwerfung - gar nichts sonst als einzig Anerkennung folgen kann, weil nämlich in allem Fragen, Denken und Sprechen eine Voraussetzung zu machen ist, die, niemals einzuholen, sich immerzu aufs Neue erweist, das ist es, was als das Mystische sich zeigt. Außerordentliche Denker wie Plotin, Meister Eckhart, Nikolaus von Kues, Jakob Böhme bezeugen dies durch die Zeiten, auch neuere wie Spinoza, Leibniz, Hegel, schließlich Schopenhauer, Nietzsche, Wittgenstein. Auf sie alle wird in der Studie zurückgegriffen, und zudem auf Vertreter der jüdischen Kabbala und des islamischen Sufismus, um, diachron-interkulturell, hermeneutische Perspektiven spekulativer Mystik zu verdeutlichen.
Hans Peter Balmer Bücher






Wofür der göttliche Name steht
Religionsphilosophische Versuche
Religion ist angefochten, vielfach und seit je. In sich vieldeutig, geht keineswegs nur Gutes von ihr aus, sondern auch reichlich Zweifelhaftes. Sie legitimiert auch große Verbrechen – oftmals im Namen Gottes. Nach der Aufklärung und angesichts eines möglicherweise umwälzenden Paradigmenwechsels zu einer gänzlich posthumanen Cyborg-Zivilisation stellen sich dem Denken beispiellose Anforderungen. Bleiben überhaupt Fragen? Fragen existenzieller Art, Lebensfragen? Fragen nach unverbrüchlicher Verbindlichkeit, nach Ergriffensein von Unbedingtem? Dem Philosophieren – jedenfalls moderater, beratender, überlegender Religionsprudenz – geht es um eine umsichtige Rechenschaftslegung angesichts des Verhaltens gegenüber dem Unvordenklichen, wofür der göttliche Name steht.
Wie seit Jahrhunderten Menschen versuchen sich zu verständigen was Menschsein besage, das wird in dieser Studie nachgezeichnet. Der Versuch der Verständigung, die nie auszusetzende Aufforderung, die gemeinsame menschliche Situation zur Sprache zu bringen, das ist es, was der Schlüsselbegriff Condicio humana anzeigt, weit bedeutsamer als alle essenzielle Festlegung, vordringlich gegenüber jedweder gegenständlicher Erkenntnis. Im Fokus steht das Gespräch, das wir sind. Was Menschen aneinander haben, wie sie darüber reden, das darf nicht aus dem Blickfeld geraten. Schwindet das Zutrauen in die Möglichkeiten der Selbstbehauptung, versickert der Diskurs der Humanität, so wächst umso mehr die Herausforderung dessen, was im Menschen das Menschliche ausmacht.
Ob es einen Sinn zu vernehmen gibt, ob Ziele zu erreichen und Zwecke zu erfüllen sind, ob auszublicken ist auf Bedeutsames, worauf es ankommt, das sind Fragen von großer Tragweite. Können sie eher zuversichtlich aufgenommen, oder aber müssen sie zurückgewiesen werden und unbeantwortet bleiben, so macht das einen erheblichen Unterschied, theoretisch wie praktisch. Entsprechend sind Philosophierende aller Zeiten mit teleologischem Denken beschäftigt, der Problematik der Endursachen, den Figuren der Finalität. Wo immer das metaphysische Weltvertrauen fraglich wird, da diff erenziert sich das mit der Telosformel gemeinte. So sehr eine Universalteleologie, eine allgemeine Zielstrebigkeit anfechtbar scheint, erweisen sich andere Formen, beispielsweise die hermeneutische, als kaum entbehrlich. Grundlinien dieses wechselvollen Disputes werden in dieser Studie dargelegt, in deliberativer Form, off en für weitere Überlegung und Verständigung.
Montaigne, der Schöpfer der »Essais« ist zur bleibenden Leitfigur geworden. Was ihn dazu gemacht hat, das ist die Erforschung und Gestaltung seiner selbst. Beeindruckend aufrichtig konnte dies geschehen, und nicht als Selbstzweck, sondern in der Suche nach Verständigung darüber, was überhaupt an Menschen das Menschliche sei. Der Protoessayist folgte Impulsen sokratischen Philosophierens. Sokrates hatte als Erster Philosophieren als Selbstsorge betrieben. Im Dienst an den Denk- und Lebensmöglichkeiten des jeweiligen Gesprächspartners wusste er sich, hingegeben an die gemeinsame Sache vernünftiger Verständigung. Jederzeit ist Montaignes essayistisches Philosophieren als eine ingeniöse Variante neuzeitlicher Sokratik aufzunehmen und weiterzuführen. Es unterstützt nachhaltig das Aushandeln der grundlegend menschlichen Angelegenheiten.
Philosophische Ästhetik
- 165 Seiten
- 6 Lesestunden
'Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.' (Friedrich Schiller) Der freiheitliche Anspruch der neueren Ästhetik geht auf Denker wie Kant und Schiller, Nietzsche und Dewey zurück, deren entsprechendes Gedankengut in diesem Buch kurz vorgestellt, nachgezeichnet und im Diskurs verortet wird. Im Laufe der Geschichte tritt der ästhetische Weltbezug dabei als ausgeprägter Sinn für Erfahrung hervor - als Befähigung also, Erspürtes auszudrücken, Wahrgenommenes anschaulich zu machen, mitzuteilen und so Beteiligung, hier und da Identifikation zu ermöglichen. Auf dem Boden solcherart kultivierter Sinnlichkeit erwächst die ästhetische > Kunst<, den Austausch unter Menschen und indirekt Solidarität und Gerechtigkeit zu befördern. Ästhetik ist daher kein bloßes und abstraktes Fach der Philosophie, kein Synonym für (schönen) Schein und Unverbindlichkeit. Ganz im Gegenteil: Als Zentraldimension des Alltagslebens ist das Ästhetische grundlegend für die Erfahrung und Gestaltung von Wirklichkeit überhaupt.
Montaigne bildet eine Ausnahme im Mainstream der westlichen Tradition. In einer Zeit fanatischer Religionskriege bezeugen seine 'Essais' humanistische Weisheit und kosmopolitische Toleranz. Montaignes Weg führt von der Selbstschilderung zur Beschreibung der Umstände und Maßgaben des Menschseins insgesamt. 'Was weiß ich?' heißt die Leitfrage eines Philosophierens auf sokratische Weise, inmitten von Menschen und Dingen. Der Essayist findet so zu einer Neubegründung der Skepsis. Veränderung und Vielfalt werden zu Zeichen der Fülle und der Lebendigkeit. Gewissheit des Wissens und restlose Selbsterkenntnis mögen unerreichbar bleiben, nicht aber Loyalität gegenüber der menschlichen Grundverfassung und die Befähigung, das Dasein recht genießen zu können. So gewinnt er Einsichten, die heute, da Polarisierung und Fanatisierung erneut an der Tagesordnung sind, erst recht interessieren müssen. Aus dem Inhalt: Besonnen unter Fanatikern: ein Philosoph neuen Typs ·Erprobungen der Urteilsfähigkeit: Grundzüge der Essais - Sokratische Hermeneutik der Condicio humana