Bernhard Fürst von Bülow (1849 - 1929) verkörperte wie kein anderer das unbändige Kraftgefühl und die Großmannssucht der wilhelminischen Zeit. Unter dem Beifall Kaiser Wilhelms II. und seiner Zeitgenossen setzte er sich und dem Deutschen Reich große welthistorische Ziele und zerbrach an ihnen, ohne es je wahrhaben zu wollen. Mit seinem Namen verbindet man den Ruf nach dem „Platz an der Sonne“. Diese Metapher umschrieb treffend den deutschen Weltmachtanspruch, mit dem sich beispiellose Rüstungsanstrengungen zur See verknüpften. Es sollte sich als großes Verhängnis für die Deutschen erweisen, dass im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts mit dem Fürsten Bülow ein Mann an der Spitze des Reichs stand, dem das Attribut eines Staatsmannes im Grunde nicht zugestanden werden kann. Bülows Defizite lagen vor allem auf dem außenpolitischen Sektor, wo er mit erstaunlicher Kurzsichtigkeit operierte, in merkwürdigem Widerspruch zu seinen ehrgeizigen weltmachtpolitischen Zielen. Fundamentale Fehleinschätzungen des außenpolitischen Umfeldes führten zu verhängnisvollen Fehlentscheidungen und diese wiederum zur Ausgrenzung aus dem Konzert der Mächte, was im Reich als unerträgliche politische Isolierung empfunden wurde.
Peter Winzen Bücher






Das Kaiserreich am Abgrund
Die Daily-Telegraph-Affäre und das Hale-Interview von 1908. Darstellung und Dokumentation
Saloppe Äußerungen, die Kaiser Wilhelm II. im Sommer 1908 in Gesprächen mit einem englischen Offizier (Stuart Wortley) und einem amerikanischen Journalisten (W. B. Hale) über brisante Fragen der deutschen Außen- und Flottenpolitik fallen ließ, stürzten das Kaiserreich im Herbst jenes Jahres in eine tiefe Krise. Die deutsche Öffentlichkeit war entsetzt über den eigenwilligen proenglischen Kurs des Kaisers und forderte das Ende des „persönlichen Regiments“. Die Kabinette in London, Tokio und Washington zeigten sich bestürzt über die Bereitschaft des Kaisers, den wegen unüberbrückbarer Differenzen in der maritimen Rüstungspolitik für notwendig erachteten Krieg gegen England so bald wie möglich auszufechten. Das Reich, so lautet die zentrale These der auf einer umfangreichen Dokumentation fußenden Fallstudie, driftete bereits 1908 unaufhaltsam auf den Abgrund zu.
Bevölkerungsexplosion in Europa und Kalter Krieg 1904-1914
Zu den Ursachen des Weltkriegsausbruchs
- 372 Seiten
- 14 Lesestunden
Die Studie von Peter Winzen beleuchtet, dass der Erste Weltkrieg von vielen Zeitgenossen nicht als Schrecken, sondern als Chance zur Reform der bestehenden Weltordnung betrachtet wurde. Angesichts kollektiver Ängste um die Bevölkerungsentwicklung wurde der Krieg als notwendiges Mittel angesehen. Die Akteure unterschätzten jedoch die Konsequenzen ihrer Entscheidungen, was die Frage der Hauptverantwortung in den Hintergrund rückt. Stattdessen wird eine Kollektivschuld betont, die aus einem langanhaltenden Fatalismus der Regierungen und Militärs resultierte, was den Kriegsausbruch begünstigte.
Quo vadis Afrika?
Die demographische Zeitbombe in Subsahara-Afrika - Einst Wiege der Menschheit, bald deren Grab?
Endlich Unendlich
Von der unstillbaren Sehnsucht in Raum und Zeit
"Wir haben die Metaphysik als Begehren gefasst. Wir haben das Begehren beschrieben als das 'Maß' des Unendlichen, das von keinem Ziel, keiner Befriedigung stillgestellt wird". So charakterisierte E. Lévinas (in: Totalität und Unendlichkeit: Versuch über die Exteriorität. Freiburg / München 1987, 448) das Phänomen des Unendlichen, über das nie stillbare Begehren, die Spiegelseite des Anderssein des Anderen. Dem Phänomen des nicht greifbaren Unendlichen - sei es auf den Spuren von Lévinas, sei es auf denen der christlich-jüdischen Tradition, sei es auf dem Hintergrund psychologischer Theoriebildung oder der Ausdruckformen von Kunst und Musik - spüren die Beitragenden dieses Bandes nach. Sie überschreiten damit die oft engen Grenzen der eigenen Fachkulturen, um im Austausch und Diskurs miteinander der großen Frage von Endlichkeit und Unendlichkeit auf die Spur zu kommen. Der Band ist Gerhard Marcel Martin zum 80. Geburtstag gewidmet.
Die Daily-Telegraph-Affäre im November 1908 führte zu einem innenpolitischen Erdbeben im spätwilhelminischen Kaiserreich. Kaiser Wilhelm II. sah sich erstmals im Deutschen Reichstag wegen seines „persönlichen Regiments“ auf der Anklagebank, während Reichskanzler Bernhard von Bülow, der die im Daily Telegraph veröffentlichten Äußerungen des Kaisers kannte, mit Rücktrittsforderungen konfrontiert wurde. Besonders brenzlig wurde die Lage Ende November, als eine Veröffentlichung des Hale-Interviews drohte. In einem Gespräch mit dem amerikanischen Journalisten William B. Hale hatte der Kaiser während seiner Nordlandreise im Juli 1908 mit einem Krieg gegen England gedroht und diesen als unvermeidlich bezeichnet. Wilhelm II. erwog sogar einen Thronverzicht, zog diesen Gedanken jedoch zurück, als Hale seine Publikationsabsichten verneinte. Der durch die beiden Kaiserinterviews angerichtete innen- und außenpolitische Schaden war jedoch irreparabel. Im Inland war ein Schwinden des Kaisermythos zu beobachten, während im Ausland die Angst vor dem unberechenbaren Deutschland und der schwindende Glaube an die Friedfertigkeit der deutschen Politik zunahmen.
Friedrich Wilhelm von Loebell (1855-1931)
Ein Leben gegen den Strom der Zeit
Friedrich Wilhelm von Loebell
Erinnerungen an die ausgehende Kaiserzeit und politischer Schriftwechsel
- 1255 Seiten
- 44 Lesestunden
Friedrich Wilhelm von Loebell (1855-1931) war eine zentrale politische Figur der spätwilhelminischen Ära, als Chef der Reichskanzlei unter dem Reichskanzler Bernhard von Bülow (1904-1909) wie auch als Preußischer Innenminister (1914-1917) in der Regierung des Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg, und kann als der eigentliche Schöpfer der Bülowschen liberalkonservativen Blockpolitik gelten. Geprägt von einem rückwärtsgewandten aristokratisch-preußischen Weltbild und antisozialistischen Ressentiments, trug er während der Vorkriegszeit und der ersten Kriegsjahre dazu bei, eine moderne innenpolitische Entwicklung in Deutschland zu verhindern. Diesen politischen Kurs setzte er auch in der Weimarer Republik fort, indem er als Präsident des Reichsbürgerrats und des Reichsblocks die Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten in die Wege leitete.
Reichskanzler Bernhard von Bülow
- 573 Seiten
- 21 Lesestunden
Bernhard Fürst von Bülow war von 1900 bis 1909 deutscher Reichskanzler. Zunächst von den Zeitgenossen gefeiert, verkörpert er wie kein anderer die Großmannssucht der Wilhelminischen Ära. Als Machtpolitiker sah er Deutschlands „Platz an der Sonne“, ein Weltmachtanspruch, an dem er und auch das Kaiserreich letztlich scheiterten. Bülows viele Fehlentscheidungen in der Außenpolitik führten zu Konfrontationen, hauptsächlich mit England und Frankreich, und zur Isolation Deutschlands. Wie verhielten sich die Nachbarstaaten? Das vorliegende Buch bietet deutsche und europäische Zeitgeschichte vor dem Ersten Weltkrieg. Die Biografie – quellengestützt, umfassend und kritisch distanziert – zeichnet prägnant die Situation des Kaiserreichs vor und nach der Jahrhundertwende und den Weg Deutschlands in die Katastrophe des Ersten Weltkriegs nach. Zur Debatte um die Kriegsschuld Deutschlands und einen möglichen Anteil des Reichskanzlers von Bülow leistet sie einen wertvollen Beitrag. Der Autor gilt als ausgewiesener Bülow-Biograf und als Experte des zeitgeschichtlichen Umfelds.