Frank Thieme Bücher






Zu den Besonderheiten der DDR zählte die Praxis, Forschungsresultate geheim zu halten. Hiervon waren vor allem die der Parteidiktatur nahestehenden Gesellschaftswissenschaften - einschließlich der Doktorarbeiten - betroffen. Über Gründe, Gründlichkeit und die quantitativen Ausmaße der Sekretierung ist lange gerätselt worden. Die Analyse von Dissertationen zur Sozialstruktur zeigt, daß neben formalen Mängeln, die auf diese Weise ebenso vertuscht werden konnten wie der unberechtigte Erwerb des Doktorhutes auf Grund ungenügender Leistungen, es vor allem ungeschönte Informationen über die Probleme des real-sozialistischen Alltags waren, die freier Zugänglichkeit den Riegel vorschoben. Die SED-Machthaber benötigten Herrschaftswissen, dieses durfte nicht dem Klassenfeind in die Hände geraten.
Im zeitgeschichtlichen Klima von Kulturpessimismus und biologistischen Gesellschaftstheorien breitete sich um die Wende vom 19. zum 20. Jh. nicht allein in Deutschland rassentheoretisches Denken aus. Die Bevölkerungswissenschaft war damals - ähnlich wie heute - keine eigenständige Wissenschaft. Sie wurde überwiegend von Medizinern aber in zunehmendem Masse auch von Sozialwissenschaftlern betrieben und war - von den zeitspezifischen gesellschaftlichen Fragen der Zeit geprägt - vor allem an politischer Umsetzung ihrer Forschungsresultate interessiert. Unter dem Einfluss wachsender Probleme - Geburtenrückgang, Armut, Asozialität, Überfremdung - gerieten Theorien und praktische Massnahmen zur Volksgesundung ins Blickfeld. Eine an Erb- und Rassenhygiene einerseits und praktischer Bevölkerungspolitik andererseits orientierte Bevölkerungswissenschaft hörte 1933 nicht auf, sondern erfuhr die gewünschte Anerkennung. Zu lange ist diese Entwicklung - im Rückspiegel der Tabuisierung - für unmöglich erklärt worden.
Bestattung zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Eine soziologische Studie zum Wandel des Bestattungsverhaltens in Deutschland
Die Bestattungskultur befindet sich im Wandel, der seit den 1990er Jahren beobachtet wird. Dieser wird von einigen als Verfall, von anderen als Modernisierung wahrgenommen. Der Trend entwertet Traditionen und eröffnet individuelle Handlungsspielräume, erfordert jedoch auch Selbstverantwortung. Alternative Bestattungsarten, die durch Vielfalt und Naturnähe gekennzeichnet sind, haben sich verbreitet, während preiswerte und anonyme Bestattungen, insbesondere Sozialbestattungen, zunehmen. Während Umfragen zu Bestattungswünschen der Lebenden durchgeführt wurden, basiert die Analyse in diesem Buch auf einer Befragung von Bestattern und realen Bestattungsfällen. Es werden Zusammenhänge zwischen Bestattungsformen und sozialen Merkmalen wie Bildung, Beruf und Wohnregion untersucht. Die Ergebnisse der Studie aus 2012/2013 zeigen ein realistisches Bild der Bestattungswirklichkeit, das teils von den Wünschen abweicht. Überraschende Differenzen treten zutage, etwa die Pluralisierung der Bestattungsformen bei gleichzeitiger Konstanz von Traditionen. Der Wandel erscheint weniger dramatisch als von den Medien dargestellt. Die soziologische Perspektive auf die Daten bietet sowohl allgemeine Beschreibungen und Erklärungen als auch wertvolle Einsichten für die Bestatterbranche, da wir nicht nur alle sterben müssen, sondern auch die Verantwortung für die Toten tragen.
"Sterben, Tod und die Bewältigung der Trauer werden vordergründig als vom Menschen unbeeinflussbare Ereignisse bzw. als Ausdruck individuellen Verhaltens gesehen. Im Grunde sind die dabei entstandenen Richtungen und Formen aber Kultur, also gesellschaftlich bedingt. Das gilt für die Auseinandersetzung mit dem Sinn des Sterbens, für die Ursachen und Orte des Todes, für die Formen der Trauerbewältigung, die Vielfalt der Bestattungsarten und Gedenkrituale. Geblieben ist dem Tod die Ambivalenz. So gelang es in modernen Gesellschaften ihn erfolgreich zu bekämpfen, d.h. hinauszuschieben. Andererseits gibt es noch immer die absichtsvolle, politisch legitimierte Tötung."-- Back cover
Alter(n) in der alternden Gesellschaft
Eine soziologische Einführung in die Wissenschaft vom Alter(n)
Die Gesellschaft, genauer Politik und Medienschaffende, haben das "Alter" entdeckt. Das Seit vierzig Jahren sinken in Deutschland die Geburtenzahlen und verharren auf einem so niedrigen Niveau, dass der Bestand der Bevölkerung gefährdet ist. Das Verhältnis von Leistungsträgern und Leistungsempfängern gerät aus dem Lot. Das Buch will informieren über die Ursachen und Folgen des Alters und des Alterns - der Menschen und der Gesellschaft -, über Lebenslagen, körperlichen und geistigen Altersabbau und die Möglichkeiten 'erfolgreichen Alterns', ebenso über Bedingungen des Sterbens und des Umgangs mit dem Tod.
Die Geschichte der Soziologie in Deutschland ist lange Zeit verkürzt dargestellt worden. Die Zeit zwischen 1933 und 1945 wurde ausgelassen. In diesem Buch sollen die Gründe dafür, einschließlich einer Analyse der Argumente, die für eine Nichtbefaßung sprachen, vorgestellt werden. Gesellschaftliche Entwicklung ist ein Prozeß, der Wissenschaft einschließt. Auch diese entwickelt sich prozeßhaft, d. h. ihre Geschichte, hier: die der Soziologie, beginnt viel früher als deren Institutionalisierung als akademische Disziplin an den Universitäten. Dieser langfristige Prozeß, seit dem Aufkommen soziologischer Fragestellungen, wird an ausgewählten Beispielen untersucht. Er schließt jene dunkle Epoche deutscher Geschichte - die NS-Zeit - ein, in der es Soziologie angeblich nicht geben konnte. So wird ein verblüffend kontinuierlich verlaufender Prozeß erkennbar, der sowohl 1933 als auch 1945 erstaunliche Kontinuitäten aufwies.