Älter als die Erschaffung der Welt ist nach jüdisch-christlichem Verständnis der Mythos von der altbabylonischen Dämonin Lilíth, die als erste Frau Adams gilt. Von ihr, der Verfüherin, lernt Adam die Liebe. Doch als Eva erscheint, hat Lilíth das paradiesische Spielfeld zu räumen, verdammt, fortan eine Schlange zu sein, ein Tier ohne Stimme, das nicht bezeugen kann, was es einst sah.
Ein ländlicher Weg wird beschrieben, geprägt von der Hitze des Mittags und der Präsenz von Rindern hinter einem Zaun. Erinnerungen und Erlebnisse scheinen über den Weg geweht zu werden, während der letzte Fußabdruck weit zurückliegt.
Kein Zweifel Noch einmal kommt man so leichtfüßig nicht mehr davon mit den Flügelschuhen des Hermes und seinen ausgetüftelten Tricks, die geborgten Tage im Rucksack, der stündlich gewichtsloser wird. Bald fällt er lautlos von den Schultern eines Skeletts, das ich nicht wiedererkenne.
Eine unheimliche Stimmung grundiert diese Familiensaga, die mit Flüchtlingen beginnt und mit Verfolgten endet: Die Dichterin Dagmar Nick erzählt die wechselvolle Geschichte ihrer jüdischen Vorfahren in Hamburg, Berlin und Breslau vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Selten zuvor wurde so lebendig nachvollziehbar, was jüdisches Leben in Deutschland über Generationen bedeutete. Sie kamen aus Spanien, arbeiteten sich von Hausierern zu Hoflieferanten hoch, finanzierten als gnädig geduldete Hofjuden mehrere Herrscher, aber ihre Existenz hing immer am seidenen Faden. Ein falscher Verdacht konnte Haft und Folter bedeuten. Dagmar Nick kann für ihre atmosphärisch dichte Erzählung auf erstaunliche Funde in zahlreichen Archiven zurückgreifen, aber auch auf die berühmten Lebenserinnerungen der Glückel von Hameln oder den einzigartigen Erlebnisbericht des Isaak Behrens. Die Große Alte Dame der deutschen Lyrik erweist sich in diesem Buch als begnadete Erzählerin, die souverän mit wenigen Worten den Kern einer Sache trifft, Personen zum Leben erweckt und Spannung erzeugt.