Wie unterscheidet sich ein linkshändiges von einem rechtshändigen U? Wie weiß man, ob man Schriftsteller oder Maler werden bzw. sein soll? Haben Worte und Pinselstriche etwas gemeinsam? „Sprachspiele“ (Wittgenstein) sind es, die das Sprechen strukturieren. In Analogie dazu sind es „Malereispiele“ (Lyotard), die die Mannigfaltigkeit der malerischen Möglichkeiten beschreiben. Es sind also zwei Systeme, die sich da gegenüberstehen, ergänzen, bekämpfen oder miteinander zu spielen scheinen – Malerei und Literatur. Johanes Zechners Ambitionen waren zunächst auf die Literatur gerichtet. Da ihm Zeichnen und Malen ohnehin lag, forcierte er es nicht und legte mehr Bemühen in die literarischen Ziele. Der Linkshänder Jo Hanes sollte zum Rechtshänder umerzogen werden und es war der Linkshänder, der sich für die Malerei entschied. Was blieb ist ein Kampf zwischen zwei Systemen. Deren Differenz ist für ihre Durchlässigkeit verantwortlich und erzeugt seit damals das wechselvolle Mischverhältnis in Zechners Malerei. So wird die Literatur oft zum wesentlichen Element des Malereibewusstseins. Das vorliegende Buch widmet sich grundsätzlich zwei aufeinander folgenden Zyklen: „Emblems from the Bible“ und „Questland“. Einmal Bibelzitate (in Übersetzungen von Peter Waterhouse) auf gestischer Malerei, das andere Mal nur malerische Gestaltung ohne integrierte Schrift. In gewisser Weise sind es zwei Selektionsprozesse, die hier eine Rolle spielen: Die Zitate stammen aus den Weiten des historischen Textes und die Malerei konfiguriert sich aus den verabsolutierten Elementen der gestischen Malerei – Pinselstrich, Punkt, Fleck, Gerinnsel. Sind diese ästhetischen Elemente nicht auch zeichenhaft und haben Informationsgehalt – wie Buchstaben? Es ist nicht die visuelle Komponente der Schrift, wie bspw. in der konkreten Poesie. Es ist eher der Eindruck, dass eine Zeile, eine Strophe oder ein Gedicht einen wesentlich umfangreicheren Inhalt aufspannen kann, als es zunächst den Anschein hat. Hierin liegt für Zechner auch ein Aspekt der Verwandtschaft zwischen der Lyrik und Malerei. Es ist die Kongruenz zwischen Wort und Bild, die der Künstler durch das Malerische betont. Beides existiert gleichbedeutend aber in wechselnden Proportionsverhältnissen auch in den beiden Zyklen „Emblems from the Bible“ und „Questland“. ( Günther Holler-Schuster )
Johanes Zechner Bücher






22 Gedichte von Christine Lavant, 40 Zeichnungen von Johanes Zechner, Essay von Walter Fanta. Stellen wir uns einen Bildenden Künstler vor, der nicht so naiv ist wie Johanes Zechner. Wenn er den Auftrag bekäme, aus den Gedichten Bilder zu schaffen, würde er wahrscheinlich die Bedeutung suchen, um sie aufmalen zu können. Möglicherweise würde er einen Literaturwissenschaftler konsultieren, um die tiefere Bedeutung der Gedichte zu entschlüsseln. Doch was könnte ein naiver Maler sonst tun? Er könnte die Oberflächengestalt der Metaphern und Symbole betrachten. Liest er von einem Baum, zeichnet er einen Baum, der das Leben symbolisiert. Liest er von einer Rose, malt er diese und fügt die Liebe hinzu. So naiv ist das gar nicht. Der Maler, der den Auftrag hat, die Schriftbilder der Gedichte in Kunst zu verwandeln, könnte auch weniger naiv sein und sich um die Symbolik nicht kümmern. Doch Johanes Zechner ist noch weniger naiv. Sein Übersetzungsverfahren konzentriert sich auf die Signifikanten, die reine Schriftzeichen. Damit ist er modern, schafft jedoch einen Umgrund, auf dem Bedeutungen andeuten, indem die Signifikat-Ebene in Konturen sichtbar wird. So entsteht etwas Neues. (Walter Fanta)