Rotstrumpf
Glück ist, keine Angst zu haben
Glück ist, keine Angst zu haben
Liebesgeschichten aus der Kaufkraftklasse
Dinge machen Leute, und Leute gehen Beziehungen ein mit Labes oder Prestigeobjekten. Es entsteht die «Folie à deux», die unentrinnbare Verfallenheit, oder dann die solide Ehe, die ein Leben lang hält. Es gibt Beziehungskisten und Affären wie in der Geschichte von Body & Sofa, die sich zum Fressen gern haben. Oder da ist jene vertrackte Sache mit Funky, dem einsilbigen Telefon; es kommt auch vor, dass seltsame Objekte vom Himmel schwärmen, die sich den Menschen rücklings anheften: «Eines Tages waren sie da, wie Neuschnee über Nacht und von da an in ihrer knallenden Farbigkeit unübersehbar und unwiderruflich vorhanden. Sie waren unbemerkt aufgetaucht, plötzlich in Tausendschaften, wie eine beinahe heitere Heuschreckenplage, die niemand vorausgesehen hatte.» Die Texte von Isolde Schaad sind unerbittlich, aber auch zärtlich in der ironischen Analyse einer Gesellschaft, die sich ins Kinderzimmer des Konsums zurückzieht, um in Leggings dem Weltuntergang entgegenzukichern. Was zunächst als harmlose Mode erscheint, nimmt gefährliche Wende in die Funkstörung und schliesslich in die totale Infantilisierung.
Warum ist das «Prinzip Hoffnung» auf dem Müll gelandet? Wieso hängt das Seidentop im Kirschbaum und weshalb ist Mainz die Stadt der Träume? Die WG, die jetzt Single-Haushalt heisst und in die sich die Revolte eingekapselt hat, weiss stets ein bisschen mehr. An einer kurzen Strasse einer hübschen Stadt, die zwischen Berlin und Rom liegt, auf der Achse Kuba–IKRK. Ein Stadtroman, erotisch und kriminalistisch verzwickt? Oder ein Frauenroman für die schweren Jahre der «Abänderung»? Vielleicht eher die fällige freche kleine Sozialgeschichte der Linken von Z.? Alle Aspekte hat «Keiner wars», aber vor allem ist der Roman eines: ein geistiges und sinnliches Lesevergnügen.
Vom Innehalten und Aufhören – diverse Geschichten
Auch eine Jugendrevolte bleibt nicht ewig jung, die Revolutionärinnen beginnen die Haare zu färben, dann hören sie damit wieder auf und beugen sich über ihre Patientenverfügung. Sie sitzen am Fenster und schauen von oben auf das Leben, das nicht mehr ihres ist. Es findet in weissen Turnschuhen statt, mit blossen Knöcheln in überlangen Mänteln, Jogging-Dresses und Strickmützen. Seit Jahrzehnten wirft Isolde Schaad ihr Argusauge auf die akuten gesellschaftlichen Vorgänge, ihre eigene Generation eingeschlossen. Ein satirisches Auge, wenn die Bürogemeinschaft, die über vollen Aschenbechern den Journalismus revolutioniert, dann in die Falle der eigenen Fantasie tappt. In kaltem Licht erscheint der frühe Tod der Jahrhundertkünstlerin Sophie Taeuber-Arp, wenn ein lokales MeToo-Komitee ihn als Kriminalfall aufrollt. Ob nun eine ältere Dame am Grab der besten Freundin um die ausbleibenden Tränen bittet oder überm Ozean ein berühmter Grossschriftsteller den ersten Tag nach dem Schreiben begeht, immer erfrischt das Erzählen von Isolde Schaad mit maliziösem Humor und menschenfreundlicher Ironie. Und dazwischen funkt als Warnung vor der ausbleibenden Genderkorrektheit die allerneueste Auflage des Grossen Duden.