Hans Keilsons Der Tod des Widersachers (1959) ist ein Roman von bestürzender Aktualität. Das Buch ist ästhetisch fesselnd. Der grundlegende Konflikt, die dramatischen Spannungseffekte lassen den Leser nicht los. Sie wirken weiter in der Imagination. In den Jahren 1921–1945 weist der jüdische Protagonist die in der Luft liegende Besessenheit »Hie Freund – da Feind« zurück, obwohl der Widersacher kein Geringerer als Adolf Hitler ist. Er ist überzeugt, dass sein »Weg zu ihm und durch ihn hindurch zugleich der Weg« zu sich selbst sei. Unter den denkbar schlechtesten geschichtlichen Verhältnissen unterzieht er das Notrecht von Feindschaft und Gewalt einer gründlichen Prüfung. Was dem keilsonschen Helden dabei vorschwebt ist, die Leser in einen inneren Vorkrieg zu verwickeln: Mögen sie sich entscheiden, auf je eigene Weise »gute Widersacher« zu sein, die Feindschaft und Hass in sich bis auf den »Urgrund« verwandeln. Dass dieses Vorgehen der Übung bedarf, steht außer Frage – wie die Weltlage »immer wieder« bekundet. An die Verfügungen von Keilsons Hauptgestalt knüpft dieses Übungsbuch dediziert an.
Simonetta Sanna Reihenfolge der Bücher






- 2023
- 2023
Otto von Pirchs Caragoli (1832)
Ein preußischer Offizier in Venedig
Die vorliegende Studie von Simonetta Sanna legt eine spannende Psychotopografie Venedigs aus dem Blickwinkel des preußischen Offiziers Otto Ferdinand Dubislav von Pirch (1799–1832) vor. Als Topograf und Verfasser von Reisebeschreibungen widmete er sich der Lagunenstadt mit »der ganzen Seele voll Aufmerksamkeit«. Er lässt die Leserinnen und Leser an der reichen Palette seiner Sinneswahrnehmungen teilhaben, so intensiv, dass das fremde Ambiente zu vollem Leben zu erwachen scheint. Auch zukunftsweisende ethische und ästhetische Zusammenhänge fing er ein, Bilder, die in der Imagination bis heute fortwirken. Mit Caragoli (1832–1834) hat Otto von Pirch ein originelles Kapitel in der langen Geschichte der Venedig-Darstellungen geschrieben.
- 2022
Gegen die Feindschaft. Ein Übungsbuch
Hans Keilsons ,Der Tod des Widersachers’
- 2017
Nazi-Täterinnen in der deutschen Literatur
Die Herausforderung des Bösen
Die Studie verbindet mit der Thematisierung des NS-Vernichtungsapparates und Frauen, die darin als Protagonistinnen wirkten, ein doppeltes Skandalon. Die Autorin untersucht die Werke von Stephan Hermlin, Hans Lebert, Bernhard Schlink, Lukas Hartmann und Helga Schneider. Diese ziehen schuldige Frauen nachträglich zur Rechenschaft, lassen ihnen gegenüber jedoch einen nicht-ausgrenzenden Sinn der Gerechtigkeit gelten. Aus der Erzählperspektive regt gerade die Unmöglichkeit der Vergebung das Interesse an, die Verschränkungen von Gut und Böse, Opfer und Täter wahrzunehmen. Das erfordert umfassende kognitive Fähigkeiten auch beim Leser. Das Buch fasst abschließend den Beitrag des Romans zur Aufarbeitung der Vergangenheit zusammen. Die Autorin geht hierbei der Frage nach, inwieweit die Erfahrung des Negativen zur Selbsterkenntnis des Menschen und damit auch zur Hinwendung zum anderen Menschen beiträgt.
- 2010
Die andere Revolution
Dantons Tod von Georg Büchner und die Suche nach friedlicheren Alternativen
- 157 Seiten
- 6 Lesestunden
Simonetta Sanna präsentiert einen post-ideologischen Georg Büchner. Das Buch lädt dazu ein, Büchners Drama »Dantons Tod« als einen modernen politischen Text zu lesen. Büchner modern lesen heißt, die Komplexität seines Werkes zu erkennen und im Durchgang durch die widerstreitenden Positionen eines Danton und Robespierre die inneren Konvergenzen der politischen Gegensätze aufzuspüren. Büchner schlägt sich auf keine Seite der politischen Parteien. Vielmehr schickt der Autor seine Leser und Zuschauer, auf die Suche nach einer »unbekannten und ewig verweigerten« dritten Perspektive im politischen Schlagabtausch - und damit nach einer friedlichen Alternative. Das ist die immer gegenwärtige Botschaft seines Stückes und seiner ideologisch nicht festgelegten Ästhetik.
- 2009
Der Kanon in der deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft
- 296 Seiten
- 11 Lesestunden
Die Diskussion um den neuen Bildungskanon hat im Zeitalter der europäischen und globalen Bildungsräume neue Aktualität erlangt. Der IV. Wissenschaftliche Kongress der Italienischen Germanistenvereinigung (AIG) hat sich diesem Thema gewidmet. Die Ergebnisse der Tagung 2007 werden in diesem Band publiziert. Zwei Themenfelder dominieren: Zum einen die neue Rolle der Linguistik als Vermittlerin grundlegender kommunikativer Fähigkeiten und interkultureller Kompetenz im Bereich der Mehrsprachigkeit und Übersetzungswissenschaft, zum anderen die Literaturwissenschaft in der Reflexion neuer Begriffe und Verbindlichkeiten, sowie in der Öffnung für neue grenzüberschreitende Themenfelder. Es geht in dem Band um Wahrung der Tradition und deren Neudefinition in einer sich in der Gegenwart selbstbewusst positionierenden Wissenschaft.
- 2003
Selbststerben und Ganzwerdung
- 368 Seiten
- 13 Lesestunden
Die Untersuchung befasst sich mit Alfred Döblins großen Romanen: Berlin Alexanderplatz , Wallenstein , November 1918 . Die Verfasserin liest Döblins Werk vor einem neuen Hintergrund: Nicht die Einordnung als Roman der Metropole (Berlin Alexanderplatz) bzw. als historische Romane (Wallenstein , November 1918) ist Ausgangspunkt der Analyse, sondern die hermetische Tradition und die Tiefenpsychologie Carl Gustav Jungs. Im Mittelpunkt der Interpretation steht somit die Entwicklung der individuellen Persönlichkeitsstruktur der literarischen Gestalten als formierendes Prinzip der Romane. Deren zentrale Achse wird im Individuationsprozess – im Sinne Jungs – der Romanfiguren aufgespürt, der um die Grenzerfahrung des Selbst-Sterbens und der Ganzwerdung kreist. Im Prozess des Selbst-Sterbens setzen sich Döblins Protagonisten mit den destruktiven Aspekten der eigenen Person auseinander, legen das alte Ich ab und öffnen sich neuen Erfahrungen. Indem Döblins Figuren in sich eine neue Ganzheitsdimension des Seins aufspüren, entdecken sie gleichzeitig die Welt als terra incognita . Auf diesem Hintergrund gewinnt Döblins Bildsprache an Relevanz: Die dichten, belebenden Bilder fangen den Individuationsprozess ein und vermitteln dem Leser neue Erfahrungen.
- 2000
Die Quadratur des Kreises
- 117 Seiten
- 5 Lesestunden
Die gängigen Interpretationen von Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz (1929) scheinen bisher einer Auseinandersetzung mit dem neunten Buch aus dem Wege gegangen zu sein, obwohl Biberkopfs Streifzüge über den Alexanderplatz in den ersten acht Büchern in die Irrenanstalt Buch führen und der Held erst von hier aus verwandelt in die Stadt zurückkehrt. Die Ausführungen konzentrieren sich indessen gerade auf jenen Epilog, in dem sich der Protagonist in den Spiralen des Wahnsinns verliert. Die Verfasserin erarbeitet darüber hinaus ein Verfahren, das den Bildern Gehör zu verschaffen sucht, und sie sieht den Sinn der bildlichen Arbeit mit Literatur darin, zu verhindern, daß die Bilder zu «Hütern des Schlafes» werden. Anhand des Romans und seiner kritischen Hinterfragung des Wissens der Moderne werden in der Studie die Paradigmen zeitgenössischer Literaturkritik problematisiert.
- 1999
Von der Ratio zur Weisheit
Drei Studien zu Lessing
Die drei Studien, die in diesem Band zusammengestellt sind, ordnen die dramatischen Schriften Lessings in den großen Zusammenhang der rationalistischen Moderne und ihrer Krise ein. Sie verfolgen in diesem Kontext vor allem die Traditionslinie der auf Reflexion gestützten Kunstlehre und die der Kritik des neuzeitlichen Rationalismus. Diese Neuinterpretation der dramatischen Werke - von Miss Sara Sampson bis zum Nathan - weist nach, daß die Einsichten, die der junge Lessing in die zeitgenössische Ständegesellschaft und in die bürgerliche Kultur gewonnen hat, in die Konzeption der späten Bühnenarbeiten als Komponenten einer Weltauffassung eingegangen sind, die metaphysische Aspekte einschließt, ohne sich von den kritischen Bestrebungen der Anfangszeit abzuwenden. Die Analyse dieser Öffnung des kritischen Rationalismus für die ungelösten Probleme der Metaphysik ermöglicht es der Verfasserin, den inneren Zusammenhang der Lessingschen Dramen aufzudecken und eine Reihe von Gemeinplätzen der Lessingphilologie zu revidieren., z. B. die Annahme, der klassische Toleranzgedanke sei das Leitideal des Dramas Natban der Weise.
- 1994
Die vorliegende Studie über Lessings «Minna von Barnhelm» versteht sich als Basislektüre. Die Stolpersteine der Interpretationsgeschichte werden nicht aus dem Weg geräumt - die Rekonstruktion der Lessingschen Chiffrebotschaft zeigt vielmehr, daß sie bewußt gelegt sind. Minna erscheint in der vorliegenden Deutung als Urheberin von Tellheims Wandlungsprozeß, Franziska und Werner werden zu Protagonisten einer Gegenhandlung mit potentiell tragischem Ausgang und der König, ein entmachteter deus ex machina, erscheint als Verlierer. Die Feinstruktur des Lustspiels läßt sich u. a. anhand der Koordinaten des Sehens und Hörens verfolgen. Schließlich befaßt sich die Studie auch mit dem Verhältnis des Stücks zur sächsischen Typenkomödie, zur Commedia dell'arte und zu Lessings gesamtem Theaterentwurf. Die Positionen, die Lessing vor dem Hintergrund der deutschen und europäischen Aufklärung in der Frage des Verhältnisses zwischen Individuum und Gesellschaft bezieht, haben bis heute nichts von ihrer Brisanz verloren.