Vladimir Nabokov
10. April 1899 – 2. Juli 1977
Auch bekannt als: Vladimir Sirin | ვლადიმერ სირინი | Владимир Сирин
Vladimir Nabokov (vor allem in englischer Transkription bekannt, russisch Владимир Владимирович Набоков / Wladimir Wladimirowitsch Nabokow, wiss. Transliteration Vladimir Vladimirovič Nabokov, Aussprache [vlɐˈdʲimʲɪr vlɐˈdʲimʲɪrəˌvit͡ʃ nɐˈbokəf] ; * 10.jul. / 22. April 1899greg. in Sankt Petersburg; † 2. Juli 1977 in Montreux, Schweiz) war ein russisch-amerikanischer Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und Schmetterlingsforscher. Er zählt zu den einflussreichsten Erzählern des 20. Jahrhunderts.
Nabokovs Leben war durch mehrfaches Exil geprägt. 1917 floh die Familie Nabokov vor der Oktoberrevolution nach Deutschland. Seine ersten Dichtungen und Romane, die er unter dem Pseudonym W. Sirin veröffentlichte, erschienen in Berlin und fanden ihre Leserschaft vor allem unter Exilrussen, die in Westeuropa lebten. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wanderte Nabokov gemeinsam mit seiner jüdischen Ehefrau Véra über Frankreich in die Vereinigten Staaten aus. Seinen Lebensunterhalt verdiente er dort durch Lehrtätigkeiten an verschiedenen Universitäten. Bekannt wurde Nabokov durch seinen zwölften Roman Lolita, der 1955 erschien und ein Bestseller wurde. Die Verkaufserfolge erlaubten es ihm, seine Professorenstelle an der Cornell-Universität zu kündigen und sich ganz dem Schreiben zu widmen. Das Ehepaar Nabokov kehrte zu Beginn der 1960er Jahre nach Europa zurück und führte zunächst ein nomadisches Hotelleben ohne feste Adresse, bevor es sich dauerhaft im Hotel Palace im schweizerischen Montreux einmietete. Zu den bekanntesten Werken Nabokovs zählen neben Lolita die Romane Pnin, Fahles Feuer und Ada oder Das Verlangen. Nabokov entstammte einer einflussreichen und wohlhabenden Aristokratenfamilie. Sein Stammbaum soll bis Karl Heinrich Graun und Johann Heinrich Hartung zurückreichen. Sein Großvater, Dmitri Nikolajewitsch Nabokow (1826–1904), war russischer Justizminister, sein Vater Wladimir Dmitrijewitsch Nabokow war als Politiker nach dem Sturz von Zar Nikolaus II. 1917 an der republikanischen provisorischen Regierung beteiligt, der dann die Oktoberrevolution ein Ende setzte. Seine Mutter Elena Ivanovna Rukavishnikova war die Tochter eines reichen Landbesitzers. Die Familie gehörte jener kosmopolitischen russischen Oberschicht an, die nach der Revolution zu existieren aufhörte. Ein Vetter war der Komponist Nicolas Nabokov. Vladimir Nabokovs Vater war deutlich westlich orientiert, es gab im Hause englische Gouvernanten und Literatur. Schon als Kind sprach Nabokov Französisch und Englisch; er wurde von Privatlehrern unterrichtet, etwa von dem Zeichenlehrer Henry James Cumming. Er las viel und war ein kränkliches, behütetes Kind mit einer starken Mutterbindung. Die Familie unternahm Reisen durch Europa, ihr Sommersitz lag nahe Sankt Petersburg. Schon früh entwickelte sich Nabokovs Leidenschaft für Schmetterlinge, ebenso die für das Schreiben von Gedichten. Bereits mit 17 Jahren veröffentlichte er seinen ersten Gedichtband. Seine erste große Liebe, Walentina Schulgina, die er 1915 kennenlernte, erscheint als Hauptfigur in seinem Roman Maschenka; die zweite Liebe, Eva Lubrzyńska, findet sich als Figur in Die Mutprobe wieder. Um der Oktoberrevolution zu entgehen, flohen die meisten Mitglieder der Familie Nabokov 1917 zunächst nach Jalta. Der Vater blieb einstweilen in Sankt Petersburg zurück, wo er 1918 von Bolschewisten verhaftet wurde. Er konnte dann aber ebenfalls auf die Krim fliehen. Während seine Familie von dort nach London und später wie zahlreiche andere russische Exilanten nach Berlin floh, wo sie über zehn Jahre verbrachte, schrieb sich Nabokov am Trinity College im englischen Cambridge ein. Dort studierte er von 1919 bis 1922 Naturwissenschaften, russische und französische Literatur. In dieser Zeit veröffentlichte er einen ersten Artikel über Schmetterlinge. Die Eltern führten in Berlin einen beliebten Salon, der Anlaufpunkt für viele Künstler und Politiker unter den mehr als 350.000 russischen Emigranten im Berlin der 1920er Jahre war. Die Familie wohnte zuerst in Grunewald, später im unter Exil-Russen beliebten Wilmersdorf. Obwohl Nabokov kein besonders guter Tennisspieler war, verdiente er sein erstes Geld als Tennislehrer und lernte bei dieser Gelegenheit auch das spätere Tennistalent Daniel Prenn kennen.Wladimir Dmitrijewitsch Nabokow, der Vater Vladimir Nabokovs, gründete mit Slovo (Das Wort) einen der ersten russischen Exilverlage. Am 28. März 1922 kam der Vater in der Berliner Philharmonie bei einem Attentat der monarchistischen rechtsradikalen Exilrussen Sergei Taborizki und Pjotr Schabelski-Bork auf Pawel Miljukow, dem ebenfalls exilierten russischen Außenminister, ums Leben. Während Miljukow überlebte, wurde der Vater, der ihm Nothilfe leisten wollte, von Taborizki erschossen. Für Nabokov war dies eines der einschneidendsten Ereignisse seines Lebens; der Geburtstag des Vaters wird später als der Tag des gewaltsamen Todes eines Protagonisten in dem Roman Fahles Feuer erscheinen.Nach dem Abschluss seines Studiums siedelte Nabokov aus England zu seiner Familie nach Berlin über. Dort arbeitete er als Privatlehrer, Übersetzer, Gelegenheitsschauspieler und veröffentlichte unter dem Pseudonym W. Sirin erste Prosa. Das Pseudonym setzte Nabokov im Januar 1921 erstmals ein, das er auch benutzte, um eine Verwechselung mit seinem Vater auszuschließen. „Sirin“ bedeutet in der altrussischen Mythologie einen farbenfrohen Vogel, der Ähnlichkeit mit der griechischen Sirene hat und der mit einer Sperbereule oder Schnee-Eule assoziiert werden kann.Im Sommer 1922 bat Nabokov die siebzehnjährige Swetlana Siewert, seine Frau zu werden. Ihre Eltern waren nur unter der Bedingung zur Zustimmung bereit, dass Nabokov eine feste Anstellung vorweist. Den entsprechenden Versuch in einer Bank hielt er aber nur drei Stunden durch. Im Januar 1923 erklärten die Eltern Swetlanas die Auflösung der Verlobung.Im Mai 1923 traf Nabokov auf einem Maskenball Véra Jewsejewna Slonim, die zu seiner ständigen Begleiterin wurde und die er am 25. April 1925 heiratete. Von 1926 bis 1929 lebten sie gemeinsam in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in der Passauer Straße in Berlin-Schöneberg, später zogen sie in die nahe gelegene Motzstraße. Mit Maschenka und König, Dame, Bube gelangen ihm erste Achtungserfolge, die Bücher wurden auch in deutscher Übersetzung bei Ullstein verlegt. Weitere sieben russische Romane folgten. Trotz der Machtübernahme der Nationalsozialisten und obwohl Véra Jüdin war, blieben die Nabokovs vorerst noch in Berlin. 1934 wurde Sohn Dmitri († 2012) geboren, das einzige aus der Ehe hervorgegangene Kind. Nabokov bemühte sich um eine Anstellung im Ausland, und 1936 entschloss sich die Familie zur Ausreise. Vladimir fuhr nach Paris, Véra ging mit Dmitri zunächst nach Prag zu ihrer Schwiegermutter. 1923 erschien im Emigrantenverlag Gamajun in Berlin die russische Übersetzung Nabokovs des 1865 erstmals veröffentlichten Kinderbuchs des britischen Schriftstellers Lewis Carroll „Alice’s Adventures in Wonderland“, das siebte Werk des jungen Nabokov.Eine Besonderheit bei dem mehrsprachigen Nabokov war, dass er Deutsch nicht fließend beherrschte, so dass er sich beim Rezipieren deutschsprachiger Werke nicht leicht tat. Michael Maar meint, das „Sprachgenie“ Nabokov müsse nach mehreren Jahren Aufenthalt in Berlin Deutsch gekonnt haben. Er habe die deutsche Klassik und Romantik besser gekannt als mancher Germanist. Dieter E. Zimmer berichtete jedoch aus eigenem Erleben, dass Nabokovs Deutsch für den Alltagsgebrauch ausreichend war, aber nicht für Literatur. Nabokov habe zum Beispiel bei Kafkas Verwandlung ein Wörterbuch zu Hilfe nehmen müssen. In Frankreich intensivierte Nabokov seine Suche nach Arbeit und die Kontakte zu einheimischen Intellektuellen. Flüchtig traf er auch James Joyce. Während der Trennungszeit von seiner Frau hatte Nabokov eine Affäre mit Irina Guadanini, die seine Ehe nachhaltig belastete. Im Mai 1939 starb seine Mutter in Prag. 1940 übersiedelte die Familie in die USA, wo Nabokov am American Museum of Natural History in New York als Schmetterlingsexperte arbeitete. Bald begann er seine akademische Karriere, die ihn an die Stanford-Universität, an das Wellesley College, an die Harvard-Universität und schließlich 1948 an die Cornell-Universität führte, wo er eine Professur für europäische und russische Literatur innehatte. 1945 wurde Nabokov US-Staatsbürger. Im Januar desselben Jahres war sein jüngerer Bruder Sergej im Konzentrationslager Neuengamme verstorben. Mit den Tantiemen, die ihm sein Roman Lolita einbrachte, konnte sich Nabokov 1959 von seiner Professur zurückziehen, um sich aufs Schreiben zu konzentrieren. Die Bekanntheit, die er durch diesen Roman erlangte, sorgte auch dafür, dass seine anderen Werke in zahlreichen Ländern eine breite Leserschaft fanden. 1961 siedelte Nabokov mit seiner Ehefrau in die Schweiz über und verbrachte den Rest seines Lebens im Palace-Hotel in Montreux. Dort starb er am 2. Juli 1977. Er wurde in Clarens begraben.