Eine Frau erwacht eines Morgens orientierungslos und ohne Erinnerung an die vergangene Nacht. Nur langsam erkennt sie die Umrisse ihres eigenen Schlafzimmers. Dann bemerkt sie, dass jemand neben ihr liegt. Aus Angst vor einer Konfrontation bleibt sie mit geschlossenen Augen liegen und hofft, ihr Übernachtungsgast möge so schnell wie möglich verschwinden. Während sie regungslos abwartet, beginnen ihre Gedanken zu kreisen. Die Frage, wer der Fremde neben ihr eigentlich ist, rückt dabei immer mehr in den Hintergrund. Hanno Millesi führt uns virtuos die Konsequenzen einer verlorenen Nacht vor und hält eine faustdicke Überraschung bereit.
Hanno Millesi Bücher






Was wie die Laserkanone am Raumschiff Außerirdischer klingt, ist in Wirklichkeit Glasreiniger, der auf eine erhitzte Herdplatte gesprüht wird. Wenn sie das Hauptsegel setzen, damit es sich prall im Wind bläht, hört man einen Regenschirm, der auf Knopfdruck von alleine aufgeht. Hanno Millesi erzählt die tragikomische Geschichte eines Geräuschemachers alter Schule und von einer Welt, in der kaum etwas so ist, wie es scheint. Wo es um die Glaubwürdigkeit der Bilder geht, die dem Publikum vorgesetzt werden. Wo die Wege mitunter lang sein können, jedoch im Studio zurückgelegt werden, so lange hinter den Kulissen verlaufen, bis sie eines Tages in die Flucht vor einer voranschreitenden Schwerhörigkeit münden. Nominiert für die Longlist des Österreichischen Buchpreises 2021
Die Familie als Nebeneinander von Beziehungen: Ihre Mitglieder durchlaufen Entwicklungen, sie wachsen, altern, verändern sich, wodurch sich auch die Verhältnisse, die zwischen ihnen bestehen, verändern. Die Empfindungen für einander wuchern zum Dickicht. Hanno Millesis Kurzgeschichten-Zyklus versammelt unterschiedliche Phänomene dieses Zusammenlebens und beschreibt sie aus der Perspektive von Kindern bzw. Heranwachsenden. Den Protagonisten fehlt es an entscheidenden Parametern, um die Skurrilitäten im Miteinander der Erwachsenenwelt zu begreifen. Sie machen sich ihren eigenen Reim, unternehmen Interpretationsversuche und liegen damit nicht wesentlich weiter daneben als diejenigen, die für diese Zusammenhänge verantwortlich sind. Hier berichten betagte Kinder, die begriffen haben, dass es gilt, die Erwachsenen und ihre merkwürdigen Regeln zu verstehen – mag das auch heißen, alles, was sie bisher an Verständnis angesammelt haben, wieder aufzugeben. Ein bizarres Balancieren zwischen Humor, Groteske und Abgrund.
Am Geburtstag Curzio Malapartes ziemt es sich, Wildlederhandschuhe anzuziehen und sich auf die Suche nach Windhunden zu begeben, während an dem von Scott Fitzgerald nichts anderes möglich scheint, als betrunken mit dem Schreibtischstuhl umzukippen. Wir erfahren, dass der Autor einen Drachen steigen lässt, gerade als Rolf Dieter Brinkmann in London von einem Auto überfahren wird, und dass die Freundin sich ausgerechnet an dem Tag verabschiedet, als sich die Band Nirvana von ihrem Schlagzeuger trennt. Was geht vor in einem Schriftsteller, der sich offenbar in einer schöpferischen Krise befindet? Er sucht und findet Ablenkung bei Kollegen, die sich für ein Gespräch aus dem Jenseits melden; er greift auf Obsessionen zurück, um ein wenig Alltag in den Abwechslungsreichtum zu schmuggeln; er kennt Strategien, die aus Schreibblockaden herauslocken, um in menschlichen Katastrophen zu enden. Und dennoch: Ein Text über das Schreiben einer Erzählung kann selbst die Erzählung sein. Ausgestattet mit verblüffenden Formulierungen, die sich zeitlichen Ungereimtheiten gegenüber widerständig erweisen, macht Hanno Millesi eines glaubwürdig: Alles ist besser, als in völliger Dunkelheit dem eigenen Gedankenapparat ausgeliefert zu sein.
Zwei Erwachsene, vier Kinder, ein Museum mit klassischen Gemälden: Was als gewöhnlicher Ausflug beginnt, wird von einem Anschlag im Foyer des Gebäudes durchbrochen. Gemeinsam mit den Museumsbediensteten versuchen die Erwachsenen Normalität vorzutäuschen, doch mit ihren vorwitzigen Fragen zu den Heiligen und Helden, Märtyrern und Ungeheuern auf den Gemälden machen ihnen die Kinder dieses Vorhaben nicht gerade leicht. Hanno Millesi unternimmt in seinem neuen Roman einen kenntnisreichen und humorvollen Streifzug durch die christlich-europäische Kulturgeschichte und spiegelt darin die Gegenwärtigkeit terroristischer Anschläge und medialer Hysterie.
Im Gegensatz zu seinem alten Vorgänger hat sich der junge Mann in Hanno Millesis Buch entschieden, sein Leben an Land zu verbringen. Sofern er sich mal aufs Meer hinauswagt, dann als Gast und nur in Küstennähe. Dennoch gerät er eines Urlaubstages an einen Meeresbewohner, der ihn einen Tag lang durch die Stadt begleitet und zu einer alles entscheidenden Herausforderung für den jungen Mann wird. Hanno Millesi schreibt in seinen Erzählungen virtuos und hintergründig über die Entfremdung zwischen dem Individuum und der Welt, in die es gerät – und welche Kaskaden an skurrilen Gedanken und Möglichkeitsräume die Wahrnehmung der Welt hervorzubringen vermag.
Hanno Millesi Der Schmetterlingstrieb Buchtrailer | »Der Schmetterlingstrieb« Kennst du deine Stadt, möchte der Autor des Artikels wissen. Ich antworte Natürlich! Und klicke auf die Frage, deren Beantwortung meine Behauptung beweisen soll. Gleich darauf klicke ich auf Lösen, weil ich keine Ahnung habe. Die richtige Antwort deprimiert mich. Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich möchte alle Geheimnisse um mich herum lüften. INHALT Der Sinn des Lebens lässt sich ebenso unter dem eigenen Sofa aufspüren, wie ein Stück Unendlichkeit im auslaufenden Badewasser verlorengehen kann. Hanno Millesi erzählt in seinem humorvollen und hintergründigen Roman von einem Menschen, der sich auf Expeditionen begibt, ohne die eigene Wohnung zu verlassen: ein Winterspaziergang bei geöffneten Fenstern, eine Radtour von der Küche ins Schlafzimmer, ein paar Stunden im Schrank bei den Winterkleidern oder Detektivarbeit vorm Bücherregal − auf hingebungsvolle und inspirierende Weise wird der Alltag zum Abenteuer und die Wohnung zu einer eigenen Welt.
Granturismo
- 229 Seiten
- 9 Lesestunden
Während ein kleiner Angestellter eine krisenbedingte berufliche Freistellung dazu nützt, sich den lebenslang gehegten Traum von jenem Aufbruch ohne ein bestimmtes Ziel, jener Reise um des Reisens willen, zu erfüllen, für die er bislang weder Zeit noch Mut aufgebracht hat, schickt ihn ein Schriftsteller als Hauptfigur seines Prosatextes auf eben jene große Fahrt. Von diesem Moment an werden die Fährnisse des einen zu Unannehmlichkeiten für den anderen. Ihre Wege kreuzen sich: Versiegt die Reiselust, wird die Romanfigur unbrauchbar, lässt der Hunger nach Abenteuern nach, liegt das mitunter an der Erfindungsgabe des Autors. Granturismo erzählt vom Entstehen und Scheitern eines Reiseromans. Wir begleiten den Protagonisten auf den skurrilsten Passagen seiner Fahrt, werden Zeugen überraschender Begegnungen und folgenschwerer Irrtümer. Ob mit todesverachtenden Liebespaaren, Seelenverkäufern mit angeknackstem Selbstbewusstsein oder längst verstorbenen Personen konfrontiert, sobald sich der Reisende gezwungen sieht, eine Atempause einzulegen, wendet sich sein Erfinder der eigenen Umgebung zu und avanciert auf diese Weise zum Helden einer ganz anderen, seiner „eigenen“ Geschichte, die immer lebendigere Ausmaße annimmt.
In Hanno Millesis Roman wird der Zufall zur treibenden Kraft in einer Geschichte, die sich um einen Schriftsteller dreht, der sich zur künstlerischen Avantgarde zählt und mit seinem Verhältnis zur Erfolgsliteratur kämpft. Der Protagonist, ein „Nachzügler“, folgt anderen, weil er Geld benötigt. Als Autor „experimenteller Literatur“ ist er auf Aufträge einer Agentur angewiesen, deren Hintergründe ihm unklar bleiben. Er sieht sich als Vertreter einer fortschrittlichen Literaturkunst und erhält Stipendien und Preise, oft mit dem Gefühl, dass andere sie mehr verdienen. Um seinen Lebensunterhalt zu sichern, versteckt er sich hinter verschiedenen Rollen – als Tourist oder Arbeitsloser, der vor einem Schaufenster steht oder als vermeintlicher Leser einer hastig gewählten Zeitschrift. Seine Nebenbeschäftigung führt ihn aus der urbanen Umgebung in abgelegene Regionen, wo es zunehmend schwieriger wird, unentdeckt zu bleiben. Millesi thematisiert das Spannungsfeld zwischen künstlerischem Anspruch und kommerziellem Erfolg, während der Protagonist in einer Welt navigiert, in der Zufall und Schicksal untrennbar miteinander verbunden sind.



