Vorhang auf für die Revolution
- 309 Seiten
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Prädestiniert durch ihre Geschichte - als Zentrum der deutschen Frühaufklärung mit europäischer Wirkung und als einer der Impulsgeber der anthropologischen Wende - gründete die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 1993 das Interdisziplinäre Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung (IZEA). Bisherige und gegenwärtige Forschungsschwerpunkte des IZEA umfassen die aufklärerische Anthropologie, die Aufklärung im Bezugsfeld frühneuzeitlicher Esoterik, Universitätsgeschichte, den Philanthropismus und das Gartenreich Dessau-Wörlitz, neuere Akzente liegen auf der Frühaufklärung als Experimentierfeld und der Begründung von Kulturmustern für die Moderne. Die Ergebnisse dieser Forschungen erscheinen seit Herbst 1995 in der wissenschaftlichen Reihe des IZEA unter dem Titel »Hallesche Beiträgezur Europäischen Aufklärung«. Hinzu kommen qualifizierte Arbeiten, dieextern entstanden sind. Pro Jahr erscheinen zwei bis vier Bände (Monographien, Sammelbände, Quellenkommentare).
Das Tableau ist ein interdisziplinäres Projekt, das in der gegenseitigen Ergänzung und Durchdringung von früher Naturwissenschaft, enzyklopädischer Wissensaufbereitung und Malerei im Zuge der sammelnd-inventarisierenden Bestrebungen seit der Frühen Neuzeit entsteht. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts nuancieren und dynamisieren sich die Sichtweisen. Foucault hat die damit verbundenen epistemologischen Probleme untersucht; dieses Buch führt seinen Ansatz fort und überträgt ihn auf die Literaturwissenschaft. Während das literarische Gesellschaftstableau in Frankreich schon am Ende des 18. Jahrhunderts an der städtischen Vielfalt und Mobilität scheitert, entstehen in Deutschland bei Goethe und unter seinem Einfluss auch in der Wissenschaftsprosa Tableaus der Natur- und Kulturgeschichte. Mit A. von Humboldts Kosmos wird dieser Ansatz mit großer Anstrengung noch einmal vorgetragen, scheitert aber an der nunmehr erreichten Komplexität des Wissens. Dennoch wirkt das literarische Tableau sowohl als beschränkte, szenische Verdichtung wie auch als umfassendere Programmatik des Realismus und Naturalismus im 19. Jahrhundert weiter.
Die Untersuchung schließt eine Forschungslücke, indem sie das Problemfeld der literarischen Masse mit ihren sozialen, politischen, kulturgeschichtlichen und massenpsychologischen Implikationen absteckt und bestimmt, eine kritische Bestandsaufnahme der bisherigen Forschungen vornimmt und das besondere Gestaltungsproblem der 'erzählten Masse' entwickelt und an Textbeispielen konkretisiert. Hoffmann, Poe, Hugo, Vigny, Dickens, Zola markieren wichtige Stationen auf dem Weg zu einer rhythmisch dynamisierten Massengestaltung, die in den avancierten Schreibverfahren der literarischen Moderne nach dem Ersten Weltkrieg entwickelt wird. In Detailinterpretationen werden die verschiedenartigen Erzählstrategien der Massendarstellung von Sternheim und Jung analysiert.