Heinrich Anton Müller 1869-1930
Erfinder. Landarbeiter. Künstler






Erfinder. Landarbeiter. Künstler
Schriften zur neueren Kunst II
Der Titel der Schriften zur neueren Kunst II ist Claude Lévi-Strauss zu verdanken, dessen Denken eine Generation geprägt hat. Er spricht in Anlehnung an Marcel Proust über das Verfertigen von Malerei, Musik, Literatur und bezeichnet die von Proust beschriebene Technik als ,,doppelte Artikulation". Im vorliegenden Band stehen vor allem Werke im Fokus, bei denen die ,,Einheiten erster Ordnung" selbst künstlerische Werke sind, die zitiert, neu kombiniert, bearbeitet werden. Von ,,primären Objekten" und von ,,doppelter Artikulation" zu sprechen vertieft unser Verständnis für die Unterbrechung von Sequenzen und die Störung kultureller Überlieferungen. Die im Buch diskutierten Kunstwerke schreiben sich in einen Überlieferungszusammenhang ein, der für die Erfahrung in der jeweiligen Gegenwart modifiziert und erneuert wird.
Harald Szeemann (1933–2005) ist eine der prägendsten Figuren der neueren Ausstellungsgeschichte: Als Ausstellungsmacher unter Kuratoren faszinierte ihn die Ausstellung als Medium der Kunst. Im Zentrum dieser Publikation steht seine Methode, als „Autor" von Ausstellungen Kunstwerke sichtbar zu machen. Zentrale Orientierungsfiguren waren für ihn Aby Warburg und Alfred Jarry, mit dessen Wissenschaft der imaginären Lösungen er sich schon früh befasste, sowie Marcel Duchamp und Marcel Broodthaers, weiterhin James Johnson Sweeney, Brian O’Doherty, Donald Judd, Niele Toroni und Rémy Zaugg, deren Auffassung von Raum für das Verständnis der neueren Ausstellungsgeschichte wesentlich sind. Das Buch führt über die Bedeutung Szeemanns hinaus und fragt nach der aktuellen Relevanz von Ausstellungen für die zeitgenössische Kunst.
Die Berggemeinde Amden am Walensee (Schweiz) war bereits Anfang des 20. Jahrhunderts ein Ort des gesellschaftlichen und künstlerischen Experiments. In den vergangenen 15 Jahre sind viele Künstlerinnen und Künstler eingeladen worden, im Atelier Amden, einer kleinen Scheune, eine Ausstellung zu zeigen oder die gegebene Situation für die Produktion eines Werkes zu nutzen. Die Ausstellungsreihe im Landschaftsraum von Amden ermöglichte den Künstlern die Realisierung situationsspezifischer Projekte vor Ort und dem Publikum eine individuelle, kontemplative Rezeption der Ausstellungen und Installationen. Die vorliegende Publikation zeigt alle seit 1999 veranstalteten Ausstellungen und Installationen und beschreibt und diskutiert die einzelnen künstlerischen Projekte. Essays zur Landschaft, zur Scheune und ihrer Neunutzung als Aus-stellungsraum, zum kuratorischen Konzept und dessen Entwicklung in den vergangenen Jahren runden das Werk ab.
Kunstwerke lassen sich nicht allein auf die Lebensgeschichte von Künstlerinnen und Künstlern zurückführen, doch es wäre auch falsch anzunehmen, dass die Bedingungen der Produktion, seien sie sozialer, technischer oder persönlicher Natur, am Werk keine Spuren hinterlassen und für dessen Wirkung unerheblich wären. Es ist dieses Verhältnis, das die in diesem Band versammelten Texte diskutieren. Der Autor setzt sich mit den Künstler: innen Bill Traylor, Heinrich Anton Müller, Elie Nadelman, Annemarie von Matt, Sonja Sekula, Robert Müller, Patrick Ireland, Marcel Duchamp, Brian O’Doherty, Niele Toroni, Joseph Beuys, Gerhard Richter, Andy Warhol, Helmut Federle, Anselm Stalder, Pawel Althamer sowie Mai-Thu Perret auseinander und beleuchtet die Entstehungsgeschichten ihrer Kunstwerke im Kontext ihrer Lebensgeschichten.
Annemarie von Matt und Sonja Sekula stammen beide aus der Innerschweiz. Sekula wirkt ab 1936 in New York zuerst im Kreis der in den USA im Exil lebenden Surrealisten und danach in demjenigen amerikanischer Avantgardekünstler. Beide schreiben schon als junge Frauen, treten aber zunächst als Malerinnen an die Öffentlichkeit. Die Doppelbegabung manifestiert sich in Werken, die mit Texten versehen sind. Unter den schriftstellerischen Arbeiten ragen eindringliche, manchmal wortspielerische Kurznotate mit autobiografischem Hintergrund hervor. Der literarische Liebes-Brief wird zu einem wichtigen Medium. Sonja Sekulas Arbeit entwickelt sich im Unterschied zu derjenigen von Annemarie von Matt immer in Berührung und Auseinandersetzung mit den ambitioniertesten künstlerischen Positionen ihrer Zeit. Die Doppel-Monografie enthält neben zahlreichen Dokumenten zu Leben und Werk der beiden Künstlerinnen unbekannte bildnerische Arbeiten, Bild-Text-Montagen und unveröffentlichte literarische Texte, die in einer umfassenden Recherche entdeckt worden sind.
In der vorliegenden Publikation schreibt der Kunstwissenschaftler und Kurator Roman Kurzmeyer eine umfangreiche Geschichte des Werks des Innerschweizer Künstlers Aldo Walker. Kurzmeyer folgt dabei der Vorstellung ; dass die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert auch die Geschichte ihrer Ausstellungen sei. Die Idee ; wonach eine Ausstellung nicht lediglich ein Hilfsmittel zur Präsentation von Kunstwerken ist ; sondern selbst die Merkmale eines Kunstwerks annehmen kann ; ist in Walkers Schaffen früh nachweisbar. Man könnte ihn in diesem Sinne als einen «Ausstellungskünstler» bezeichnen. Im Unterschied zu vielen seiner Künstlerkollegen allerdings benutzt er die Ausstellung nicht als Forum ; in dem der Dialog zwischen Werk und Betrachter auf das Verstehen hin angelegt ist ; sondern in dem sich zeigen soll ; dass die Faszinationskraft des Kunstwerks in seiner Fremdheit und Einzigkeit besteht. Kurzmeyers Publikation versammelt neben dem umfassenden und reich bebilderten kunstwissenschaftlichen Text auch zahlreiche Skizzen ; Bilder und Schriften des Künstlers und schafft so vielfältige Parallelen zwischen dem Werk selbst und seiner persönlichen Lektüre desselben.
Im Jahr 1903 kaufte Josua Klein (1867–1945) in Amden, einer am Walensee in der Schweiz gelegenen Berggemeinde, für sehr viel Geld zahlreiche Häuser und Wiesen, Äcker und Wälder. Josua Klein, Sohn eines freireligiösen Privatgelehrten, und Max Nopper (1861–1932), ein aus Gewissensgründen aus dem Dienst der Württembergischen Armee ausgetretener Offizier, ließen die erworbenen Häuser reparieren und eine große Scheune und einen Zentrumsbau errichten. Josua Klein plante in Amden Tempel errichten zu lassen und engagierte für diese Aufgabe den Berliner Künstler Fidus (1868–1948). Unter deutschen Lebensreformern hieß es, in Amden entstehe ein Gottesreich auf Erden, und mit wachem Interesse verfolgten die Gründer der Siedlung Monte Verità am Lago Maggiore die Aktivitäten am Walensee. Die Überzeugung, es liege in der Macht des einzelnen Menschen, sich den Konsequenzen historischer Prozesse zu entziehen, verbunden mit dem Glauben, daß in jeder Mikrogesellschaft der Keim für eine neue und bessere Welt liege, war zentral für die Amdener Siedler und später auch wirksam im Künstlerkreis um Otto Meyer-Amden (1885–1933), dem unter anderem Oskar Schlemmer, Willi Baumeister, Albert Pfister und Hermann Huber angehörten.