Zur Judenfeindschaft und ihrer Bekämpfung (1844-1939)
366 Seiten
13 Lesestunden
Im 19. Jahrhundert entstand die sozialistische Bewegung zur Befreiung der Menschen von Unterdrückung und Ausbeutung. Trotz ihrer fortschrittlichen Ziele war das Verhältnis zwischen sozialistischen Persönlichkeiten und Antisemitismus komplex. Judenfeindliche Vorurteile waren und sind auch in linken Kreisen verbreitet, was die Herausforderungen und Widersprüche innerhalb der Bewegung verdeutlicht.
Leo Trotzki (Lew Dawidowitsch Bronstein; 1879–1940) war einer der bekanntesten und umstrittensten revolutionären Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Der überzeugte Internationalist war zudem einer der produktivsten politischen Schriftsteller der sozialistischen und kommunistischen Bewegung. Er wurde nicht nur als Revolutionär und als Gegner Stalins, sondern auch als Jude angefeindet.Selten wurden bisher Trotzkis persönliche Erfahrungen in Beziehung zu seinen Analysen des Antisemitismus gesetzt. Diese Bezüge stehen im Zentrum des Bandes und sind zum Verständnis der abgedruckten Dokumente unerlässlich, die Trotzki zwischen 1909 und 1940, dem Jahr seiner Ermordung, verfasste und die zum größeren Teil bisher nicht auf Deutsch vorliegen.Die umfangreiche Einleitung von Mario Keßler stellt Trotzkis Texte zum Antisemitismus in den Kontext seiner weltrevolutionären Erwartung wie seiner Desillusionierung im Zeitalter von Antisemitismus, Faschismus und Stalinismus. Keßlers besondere Aufmerksamkeit gilt den Warnungen vor Hitlers Antisemitismus. 1938 sah Trotzki die völlige Ausrottung der Juden unter Hitler voraus.
Mario Keßler geht in seinem neuen Buch den Spuren deutscher kommunistischer Exilanten in den USA nach, die nach dem Ende des Nazi-Regimes in die DDR zurückkehrt sind. Er schildert sowohl ihre Exilerfahrungen in der kapitalistischen Gesellschaft der USA wie auch ihre Lebensumstände im Osten Deutschlands nach 1945. Kein Kommunist ist in den Westen Deutschlands zurückgekehrt. Von Interesse sind nicht nur die eingetragenen KPD-Mitglieder, sondern auch „Kommunisten ohne Parteibuch“ wie Bertolt Brecht, Hanns Eisler, Ernst Bloch oder Stefan Heym. Auf der politischen Ebene geht es primär um die Frage, welche Entwürfe für ein Nachkriegsdeutschland das deutsche kommunistische Exil entwickelte und welche Hoffnungen sich in der DDR erfüllten oder nicht erfüllten. Auf intellektuell-geschichtlicher Ebene interessiert den Autor besonders die Bindung der sehr unterschiedlichen Akteure an die kommunistische Partei oder deren Umfeld – und zwar sowohl in den USA als auch in der DDR. Auf kulturgeschichtlicher Ebene wird – vor allem bei Schriftstellern, Journalisten und Künstlern – nach dem „kulturellen Gepäck“ gefragt, das die Rückkehrer aus den USA mitbrachten. Beargwöhnt wurden sie in beiden Ländern, benötigt wohl nur in der DDR.
Soziologe und Historiker zwischen Bürgertum und Marxismus (1896–1960)
Der Soziologe und spätere Historiker Alfred Meusel gehörte zu einer Generation junger Intellektueller, die aus einer behüteten Bürgerlichkeit herausgerissen wurde und den Ersten Weltkrieg an der Front erleben musste. Soziologen erinnern an Alfred Meusel als einen Vertreter der zweiten Generation nach solchen Gründervätern der Disziplin wie Max Weber, Georg Simmel oder Ferdinand Tönnies. Vor 1933 gehörte Meusel zu den bekannten deutschen Intellektuellen. Mit 30 Jahren in Aachen außerordentlicher, mit 34 Jahren ordentlicher Professor für Volkswirtschaftslehre und Soziologie, war er einer der jüngsten Ordinarien in der Weimarer Republik. Im englischen Exil hatte Meusel weniger Glück; er bemühte sich nach 1933 vergebens um eine Anstellung an einer Universität. Er steckte jedoch nicht auf. Nach Kriegsende wurde der Heimkehrer als erster Marxist auf einen deutschen historischen Lehrstuhl berufen. An der Humboldt-Universität und als Direktor des Museums für Deutsche Geschichte – siehe Abbildung – wurde er ein prominenter, wenn auch teilweise umstrittener Historiker in der Frühzeit der DDR. Mario Keßler, Jahrgang 1955, Prof. Dr., arbeitet am Zentrum für Zeithistorische Forschung und unterrichtet an der Universität Potsdam. Er lebte mehrere Jahre in den USA, wo er verschiedene Gastprofessuren innehatte.
Zwölf Porträts aus dem Jahrhundert der Katastrophen
Von Isaac Deutscher stammt die Unterscheidung zwischen Ketzern und Renegaten des Kommunismus. Der Begriff des Grenzgängers liegt quer zu beiden: Er bezieht sich auf Menschen, die sich unterschiedlich weit vom Kommunismus als Ideologie, Bewegung oder Glaubensgemeinschaft entfernten, denen er aber nie gleichgültig wurde. Sie lebten mit und gegen den Kommunismus, ein Leben ohne ihn war für sie nicht möglich. Er blieb der archimedische Punkt ihres Daseins. Das Buch enthält biographische Porträts von zehn Männern und zwei Frauen, die in Deutschland und Zentraleuropa aufwuchsen, verfolgt und oft vertrieben wurden: Karl Korsch Arthur Rosenberg Arkadi Maslow Susanne Leonhard Ruth Fischer Alfred Kantorowicz Joseph Berger Isaac Deutscher Ossip Flechtheim Walter Markov Stefan Heym Walter Grab
Ruth Fischer (1895–1961) war 1924/25 weltweit die erste Frau an der Spitze einer Massenpartei: der Kommunistischen Partei Deutschlands. Wie niemand sonst stand sie für die Angleichung der KPD an das autoritäre sowjetische Parteimodell. Später wurde sie – von Hitler und Stalin verfolgt – zur leidenschaftlichen Antikommunistin, die in den USA sogar gegen ihre Brüder Gerhart und Hanns Eisler sowie gegen Bertolt Brecht aussagte. Zuletzt suchte sie wieder Anschluss an eine undogmatische Linke. Ruth Fischers bewegtes Leben wird in dieser Biographie auf der Grundlage bisher unerschlossener Archivquellen, darunter FBI-Akten, erstmals ausführlich dargestellt. Das Buch zeigt exemplarisch, wie Kommunismus und Antikommunismus sich im Kalten Krieg in einer Person verschränken konnten. »Eine Biographie, die einen herausragenden Beitrag zur Kommunismus-Forschung liefert und der man viele Leser wünscht.« (Thomas Kroll, Jena)
Franz Borkenau – Richard Löwenthal – Ossip Flechtheim
232 Seiten
9 Lesestunden
Die kritische Analyse kommunistischer Ideologie und Herrschaftspraxis gehört heute zum Kanon der politischen und der Wissenschaftskultur der Bundesrepublik. Wichtiger Bezugspunkt sind dabei die Vorarbeiten von Kommunismusforschern, die ab 1945 aus dem Exil in das westliche Deutschland zurückkamen. Sie setztenan die Stelle einer im „Dritten Reich“ ideologisch betriebenen Propaganda die wissenschaftliche Beschäftigung mit der sowjetischen Staatenwelt. Manche der Begründer der neuen Disziplin hatten über ihr einstiges Engagement in der kommunistischen Bewegung zu später Kritik gefunden, hatten im Exil verschiedene Arbeitsweisen und Denkansätze kennen gelernt und nach ihrer Rückkehr politische Erfahrung und wissenschaftliche Erkenntnis in ihren Arbeitenzusammenzuführen versucht. Wie weit solche Absichten Erfolge zeitigten, prüft der Autor anhand von drei Fallstudien, in denen es nicht nur um Probleme der Forschung geht, sondern auch um die Lebens- und Denkwege der drei betreffenden Wissenschaftler Franz Borkenau, Richard Löwenthal und Ossip Flechtheim, diewichtigsten aus dem Exil zurückgekehrten Kommunismusforscher ihrer Generation. Der Autor versucht, den Zusammenhängen zwischen wissenschaftlichem Werk und biografischer Erfahrung nachzugehen, und er analysiert, welche Forschungsergebnisse, zu denen Borkenau, Löwenthal und Flechtheim gelangten, heute noch haltbar sind.
Ist die Geschichte eine Lehrmeisterin des Lebens? Wie weit kann ihr Studium als Wegweiser eigenen Handelns dienen? Kann dieses Studium Toleranz und Kritikfähigkeit vermitteln sowie demokratische Spielregeln verankern helfen? Können Menschen somit besser verstehen, wie die Welt zu dem geworden ist, was sie ist, ob und wie man eine bessere Zukunft gestalten kann? Was ist von jenen zu lernen, die Geschichtswissenschaft als Beruf und politische Bildungsarbeit betreiben? Müssen die Menschen Geschichte als etwas Gegebenes hinnehmen oder ist zu fragen, wer diese Geschichte „macht“ und nicht zuletzt: wer ihre Geschehnisse deutet und in wessen Auftrag eine Geschichtsdeutung zur herrschenden und allgemein akzeptierten wird? Um diese Fragen kreisen die zwölf in diesem Buch versammelten Beiträge. Sie behandeln ausgewählte Aspekte der Beziehungen zwischen Geschichtswissenschaft und Geschichtspolitik, erörtern Fragen der Wissenschaftskultur anhand historiographischer Beispiele und zeigen in Fallstudien die Problematik exilierter Wissenschaftler, die in ein Nachkriegsdeutschland zurückkehrten, das vom Kalten Krieg zerrissen war. Mario Keßler arbeitet am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam und lehrt am Historischen Institut der Universität Potsdam. Er war Gastprofessor an mehreren Universitäten in den USA.