Mit viel Wärme und feiner Ironie, gleichzeitig aber auch mit analytischer Schärfe schildert Jussuf Idris ein ungewöhnliches Ereignis auf dem Land im Norden Ägyptens. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht auf einem Landgut im Nildelta: In den frühen Morgenstunden ist ein neugeborener Knabe am Ufer des Kanals tot aufgefunden worden. Die Gerüchteküche beginnt zu brodeln. Schon bald aber ist klar, dass es sich bei der Mutter des Kindes nur um eine jener 'Fremden' handeln kann, die für die Baumwollernte angeworben und von den Fellachen als 'Abschaum' betrachtet werden. Der Verwalter des Gutes kümmert sich persönlich um die Angelegenheit. Bei seinen Nachforschungen hinter den Ställen, wo die Fremden leben, und auf dem Feld, wo sie, angetrieben von Aufsehern, Schwerarbeit leisten, wird ihm zum ersten Mal bewusst, dass unter den Arbeitskräften auch Frauen sind, die mit Männern schlafen und Kinder gebären. Als er die Suche entnervt aufgeben will, findet er die 'Sünderin' endlich: unter einem Schutzdach am Rande eines Feldes. Ihr Krankenlager wird zum Pilgerziel aller Neugierigen, zum Treffpunkt von Ansässigen und Fremden.
Yusuf Idris Bücher



Ein fleischliches Haus
Geschichten aus Ägypten
Schon zu Lebzeiten wurde er vielerorts der Starallüren bezichtigt. Eigentlich hätte er den Nobelpreis verdient, erklärte Jussuf Idris 1988 in aller Öffentlichkeit. Damals war er schon zum Mythos geworden, sein literarisches Werk war abgeschlossen, die Erzählungen waren geschrieben, die für nachfolgende Generationen von Kurzgeschichtenautoren in der arabischen Welt Vorbildcharakter haben sollten und die wegweisend geworden sind. Diese Erzählungen schuf er von Anfang der fünfziger bis Mitte der siebziger Jahre. Er wagte sich darin weit vor, inhaltlich, stilistisch, kompositorisch, sprachlich. Zunächst vom sozialistischen Realismus geprägt, richtete Jussuf Idris sein Augenmerk auf die Getretenen und Geschlagenen der ägyptischen Gesellschaft, besonders der dörflichen. Tabus kannte er hierbei kaum, weder im politisch-sozialen noch im sexuellen, noch im religiösen Bereich. Und jenseits der Beschreibung sichtbarer Phänomene stiess er tief ins Seelenleben und ins emotionale Empfinden seiner Figuren vor und fasste all das in eine Sprache, die sich dem Idiom der Lebenswelt frei und radikal annähert. So erhielt Jussuf Idris mit Recht den Ruf, Begründer der zeitgenössischen arabischen Kurzgeschichte zu sein.