Propheten der Goethezeit
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Ulf-Michael Schneider untersucht ein Phänomen der Frömmigkeitsgeschichte, das die Entwicklung der deutschen Literatur in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stark mit geprägt hat. Die Bedeutung des Pietismus für den Wandel vom normativen zu einem intuitiv-subjektiven Dichtungsverständnis ist bekannt. Hier werden, von den Texten ausgehend, zum ersten Mal die literarischen Wirkungen einer Reihe von Ekstatikern, Geistverkündern und Visionären aufgezeigt, die seit dem Ende des 17. Jahrhunderts auftraten und in ganz Deutschland Aufsehen erregten. Im Mittelpunkt steht die radikalpietistische »Wahre Inspirations-Gemeine«, die sich am Anfang des 18. Jahrhunderts in der Grafschaft Isenburg-Büdingen bildete. Die Inspirations-Reden der »Werkzeuge« dieser Gemeinde, zwischen 1736 und 1789 in 42 Bänden erschienen, haben die Denkformen und die Ausdrucksweisen der Inspirierten noch dem jungen Goethe vermittelt. Eine genaue Analyse erschließt die verschiedenen Aspekte der Inspirations-Reden und deren sprachliche Mittel. Bedeutsamste Gestalt der Gemeinde war Johann Friedrich Rock (1678–1749), dessen geistliche Lyrik in manchem auf die weltliche Lyrik von Empfindsamkeit und Sturm und Drang vorausweist. Geradezu detektivisch macht Ulf-Michael Schneider die Spuren der radikalpietistisch Inspirierten in den Werken von Dichtern und Dichtungstheoretikern des 18. Jahrhunderts sichtbar, bei Bodmer und Breitinger, Ulrich Bräker, Shaftesbury, Jung-Stilling, Herder und Goethe.