Stimmen ferner Welten
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'Realismus' ist als literaturwissenschaftliche Kategorie aus der Mode gekommen: Er wurde eingeengt auf eine normative Stilkategorie, diskreditiert durch die Doktrin des sozialistischen Realismus oder verkam als 'magischer Realismus' zum bloßen Werbeschlagwort für lateinamerikanische Literatur. Die vorliegende Studie setzt dem ein komplexeres Verständnis des Begriffes entgegen, mit dem er im Kontext europäischer und lateinamerikanischer Debatten fruchtbar gemacht wird. Ausgehend von einer Geschichte und Kritik der Realismusdiskussion in Lateinamerika wird auf der Grundlage der Realismustheorie Alexander Kluges sowie der Heterogenitätstheorie Antonio Cornejo Polars das Konzept 'heterogener Realismus' als Interpretationsmodell für lateinamerikanische Literatur entwickelt. Im Mittelpunkt steht die Anwendung dieses Konzeptes in der Interpretation der Prosa Juan Rulfos und Manuel Scorzas. Untersucht werden v. a. die kulturelle Heterogenität und der wechselseitige Einfluß westlicher und indianischer Kultur in ihren Texten. Darüber hinaus thematisiert die Studie Aspekte wie Oralität versus Schriftlichkeit, Karnevalisierung herrschender Diskurse, Fragmente indianischer Mythologie und politische Konfliktebenen. So werden die Widersprüche deutlich, denen der literarische Prozeß in heterogenen lateinamerikanischen Gesellschaften unterworfen ist.