Berliner Geschichten
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Am 10. November 1975 verfaßte ein Mitarbeiter der Stasi ein mehrseitiges Papier, das sich zur »Information« an die höchsten Stellen der ehemaligen DDR richtete und diesen warnend zu berichten wußte: »… daß sich mehrere Schriftsteller zielgerichtet mit der Absicht zusammengefunden haben, eine Anthologie von Erzählungen unter dem Titel ›Berliner Geschichten‹ zusammenzustellen und sie einem Verlag in der DDR zur nichtkorrigierten Veröffentlichung anzubieten.« Den »Fall«, als dessen Initiatoren die Schriftsteller Ulrich Plenzdorf, Klaus Schlesinger und Martin Stade ausgemacht wurden, galt es ab sofort »durch differenzierte Maßnahmen… zu unterbinden«. Zu jenem Zeitpunkt – im November 1975 – hatten die Herausgeber ihre Arbeit im wesentlichen abgeschlossen. Die Beiträge (u. a. von Günter de Bruyn, Elke Erb, Fritz Rudolf Fries, Stefan Heym, Helga Schubert, Joachim Walther) standen fest, die beteiligten Autoren lasen die Manuskripte, und nun wollte man bald darangehen, Verlagen in der DDR das druckfertige Manuskript anzubieten, um – so O-Ton Stasi – »Verlagslektoren ›als Zensor‹ auszuschalten«. Die erste Autoren-Anthologie auf sozialistischem Boden? Nein! Und also holte die Staatssicherheit mit dem »Operativen Schwerpunkt Selbstverlag« zum Gegenschlag aus – mit dem Ergebnis, daß diese historisch einmalige, so brisante wie literarisch bedeutsame Anthologie in Schubläden verschwand. 20 Jahre später erscheinen jetzt die »Berliner Geschichten« – bereichert um ein erklärendes Vorwort und vor »allem« um Dokumente der Staatssicherheit, die auf ihre Weise beleuchten, daß Literatur, ernst genommen, gefährlich zu werden vermag.